RBOG 1998 Nr. 16
Die nach einer Liegenschaftenversteigerung nicht überbundenen Pfandrechte und Pfandtitel sind zu löschen
Art. 142 SchKG, Art. 68 Abs. 1 lit. b VZG
1. Die Beschwerdeführerin ersteigerte eine Liegenschaft. In der Anmeldung zur Eintragung des Eigentumsübergangs an das Grundbuchamt hielt das Betreibungsamt fest, die Schuldbriefe im fünften bis siebten Rang seien gänzlich zu löschen. Die Beschwerdeführerin verlangte die Herausgabe der Schuldbriefe im fünften bis siebten Rang, weil an deren Löschung kein schutzwürdiges Interesse bestehe.
2. a) Das Prinzip der Rechtssicherheit gilt im besonderen Mass für die Zwangsversteigerung von Grundstücken. Die Steigerung bildet an und für sich den Schlusspunkt einer Zwangsverwertung, über die hinaus grundsätzlich keine Lasten mehr bestehen sollen (Art. 142 SchKG). Bereits diese Betrachtungsweise lässt "fiskalische Interessen" in den Hintergrund treten. Gerade solche macht die Beschwerdeführerin aber vorab geltend, wenn sie beispielsweise ausführt, es sei kein Grund ersichtlich, weshalb für die nochmalige Errichtung der bestehenden Schuldbriefe eine Gebühr von 3 Promille auf Fr. 2 Mio. bezahlt werden sollte; die Gebühr sollte nicht höher sein als die wirtschaftliche Leistung der Amtsperson. Diesen - aus Sicht des Ersteigerers durchaus nachvollziehbaren - Gründen steht der klare Wortlaut von Art. 68 Abs. 1 lit. b VZG gegenüber: Nach dieser Bestimmung hat das Betreibungsamt gleichzeitig mit der Anmeldung des Eigentumsübergangs zur Eintragung im Grundbuch bzw. zur Löschung die Pfandrechte und sonstigen Lasten anzumelden, welche nicht überbunden werden konnten (Fritzsche/Walder, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Bd. I, 3.A., § 31 N 45). Diese Regelung ist klar und lässt dem Betreibungsbeamten keinen Spielraum. Dies gilt umso mehr, als das Bundesgericht im Zug der Anpassung seiner Verordnungen an das revidierte SchKG Art. 68 Abs. 1 VZG unverändert liess.
Auch in der Praxis finden sich keine Anhaltspunkte für die von der Beschwerdeführerin vertretene Auffassung. BGE 106 II 189 bekräftigt, die Löschung der Pfandrechte im Grundbuch und die Löschung der Pfandtitel finde ihre Stütze in Art. 68 Abs. 1 lit. b VZG. Der Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Kantons Tessin (SJZ 69, 1973, Nr. 178 S. 382) bezieht sich auf einen Fall, in welchem der Ersteigerer gleichzeitig der betreibende Pfandgläubiger war; zudem wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, der Ersteigerer habe grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass die Pfandtitel unter Streichung der Gläubiger im Gläubigerregister ihm übergeben würden. BGE 99 Ib 432 ff. (= ZBGR 1975 S. 222 ff.) schliesslich hielt zwar fest, beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung seien Art. 68 ff. VZG analog anwendbar auf die Verwertung von Liegenschaften. Stünden jedoch keine Interessen Dritter entgegen, könne mit Zustimmung aller Beteiligter auch ein einfacheres, den Interessen des Erwerbers der Liegenschaft eher entsprechendes Verfahren gewählt und Eigentümerschuldbriefe an den Erwerber übergeben werden. Mit dieser Haltung wird aber nur bekräftigt, dass Art. 68 Abs. 1 lit. b VZG strikte und entsprechend dem Gesetzeswortlaut anzuwenden ist, soweit es um die Zwangsversteigerung von Grundstücken geht. Die flexible Handhabung dieser Bestimmung beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung lässt sich zudem nur deshalb rechtfertigen, weil die Zustimmung sämtlicher Beteiligter verlangt wird und - je nach Art des Nachlassvertrags - ein privatrechtlicher Vertrag oder zumindest ein vertragsähnliches Gebilde vorliegt.
b) Zusammenfassend bestehen im vorliegenden Fall keine Gründe, vom klaren Wortlaut von Art. 68 Abs. 1 lit. b VZG abzuweichen. Wie die Vorinstanz bereits zutreffend feststellte, ist dem Betreibungsamt eine Gesetzesverletzung nicht vorzuwerfen, wenn es anordnete, die Schuldbriefe im fünften bis siebten Rang seien zu löschen. Nur am Rand ist darauf hinzuweisen, dass auch in rechtspolitischer Hinsicht nicht ersichtlich ist, weshalb gerade der Ersteigerer von bestehenden Schuldbriefen profitieren sollte, indem ihm ermöglicht würde, diese ohne Kosten der Neuerrichtung zu "aktivieren"; eine Ausnahme von Art. 68 Abs. 1 lit. b VZG wäre nur dann gerechtfertigt, wenn der Ersteigerer gleichzeitig der betreibende Pfandgläubiger ist, weil er alsdann auch derjenige wäre, der einen allfälligen Verlust zu tragen hätte.
Rekurskommission, 6. April 1998, BS 98 5