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RBOG 1998 Nr. 3

Prozessführungsbefugnis des Willensvollstreckers als Ausfluss seiner Verwaltungskompetenzen


Art. 518 Abs. 2 ZGB


1. Auf Gesuch des Willensvollstreckers wurden die Rekurrenten (Mieter) aus der zum Nachlass gehörenden Liegenschaft ausgewiesen. Die Mieter machen geltend, es habe ihm die Ermächtigung der Erbengemeinschaft gefehlt, um in deren Namen die Ausweisung verlangen zu können.

2. a) Der Willensvollstrecker hat den Willen des Erblassers zu vertreten und gilt unter anderem als beauftragt, die Erbschaft zu verwalten (Art. 518 Abs. 2 ZGB); seine Kompetenzen sind sehr weitreichend. Der Willensvollstrecker hat das ausschliessliche Besitz-, Verwaltungs- und Verfügungsrecht über die Erbschaft, derweil die diesbezüglichen Rechte der Erben sistiert sind. Er handelt aus eigenem Recht frei und selbständig, muss keine Anweisungen der Erben befolgen und kann von den Erben nicht abgesetzt werden. Der Willensvollstrecker kann alle Rechtshandlungen vornehmen, die zur Erfüllung seiner Aufgabe erforderlich sind (Karrer, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Schweizerisches Zivilgesetzbuch II, Basel/Frankfurt a. M. 1998, Art. 518 N 14). Die Verwaltungsbefugnis des Willensvollstreckers umfasst alle tatsächlichen und rechtlichen Verfügungen über die Erbschaft, die der Wahrung der Vermögensinteressen dienen, so etwa bei der Liegenschaftenverwaltung den Abschluss und die Kündigung von Mietverträgen, das Mietzinsinkasso sowie den laufenden Betrieb und den Unterhalt der Liegenschaft; gegenüber Mietern hat der Willensvollstrecker die Stellung eines Vermieters, obwohl das Eigentum an der Liegenschaft bei den Erben liegt (Karrer, Art. 518 ZGB N 30; Küng, Entscheide des Bundesgerichts zum Erbrecht, Bern 1991, S. 205, 217). Die prozessuale Rechtsstellung des Willensvollstreckers ergibt sich aus Art. 596 Abs. 1 ZGB (Art. 518 Abs. 1 i.V.m. Art. 596 Abs. 1 ZGB); danach hat er unter anderem die Aufgabe, die Rechte und Pflichten des Erblassers, soweit nötig, gerichtlich feststellen zu lassen (Karrer, Art. 518 ZGB N 68). Die Prozesslegitimation ist Ausfluss der Verwaltungsbefugnis des Willensvollstreckers. Auch bei der Prozessführung handelt der Willensvollstrecker selbständig, weshalb er hiefür keine Zustimmung der Erben benötigt (Karrer, Art. 518 ZGB N 70; Wetzel, Interessenkonflikte des Willensvollstreckers, Diss. Zürich 1985, N 103; Bracher, Der Willensvollstrecker, Diss. Zürich 1965, S. 92, 98). Indessen besteht die Prozesslegitimation nur soweit, als dem Willensvollstrecker die Verwaltungsbefugnis tatsächlich zusteht. Ist diese eingeschränkt (z.B. durch testamentarische Anordnungen), ist es auch die Prozesslegitimation; fehlt dem Willensvollstrecker die Verwaltungsbefugnis für einzelne Bereiche des Nachlasses, fehlt ihm in diesem Umfang auch die Prozesslegitimation (Karrer, Art. 518 ZGB N 69). Soweit die Aktivlegitimation des Willensvollstreckers besteht, ist umgekehrt die Befugnis der Erben zur Prozessführung ausgeschlossen, und zwar im eigenen Namen wie auch als Vertreter der Erbengemeinschaft (Pra 79, 1990, Nr. 186). Der Erbe kann aber im Prozess des Willensvollstreckers als Nebenintervenient auftreten oder allenfalls als Hauptintervenient mit der Behauptung, dem Willensvollstrecker fehle die erforderliche Verwaltungsbefugnis und somit auch die Aktivlegitimation (Karrer, Art. 518 ZGB N 76; Bracher, S. 93 f.).

b) Dass dem Willensvollstrecker keine Verwaltungsbefugnis über die Liegenschaft, welche unbestrittenermassen zum Nachlass gehört, zukommen soll, wird weder von den Rekurrenten noch von den Erben behauptet und ist auch den Akten nicht zu entnehmen. Vielmehr ergibt sich daraus gerade das Gegenteil, nämlich dass bereits der Mietvertrag vom Willensvollstrecker im Namen der Erbengemeinschaft abgeschlossen wurde. Im Rahmen seiner Aufgabe als Willensvollstrecker war er daher auch berechtigt, im Namen der Erbengemeinschaft und zur Wahrung von deren Vermögensinteressen die gerichtliche Ausweisung der Rekurrenten zu verlangen, ohne dass er hiefür die Zustimmung der Mitglieder der Erbengemeinschaft hätte einholen müssen.

Rekurskommission, 30. April 1998, ZR 98 32


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