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RBOG 1998 Nr. 35

Wird der Ehegatte eines Angeschuldigten ebenfalls als Angeschuldigter einvernommen, bedarf es keines Hinweises auf das Zeugnisverweigerungsrecht


§§ 85 ff. StPO, § 90 StPO, § 93 StPO


1. Die Ehefrau des Berufungsklägers wurde im Verlauf der gegen ihn geführten Strafuntersuchung zunächst als Angeschuldigte, später als Zeugin befragt. Der Berufungskläger beantragt, es seien sämtliche Befragungsprotokolle seiner Ehefrau aus den Akten zu entfernen, weil sie nicht bzw. erst im Verlauf der Befragungen auf das ihr zustehende Zeugnisverweigerungsrecht aufmerksam gemacht worden sei. Die Vorinstanz erwog, die Ehefrau des Berufungsklägers sei anlässlich der polizeilichen Befragung ausdrücklich auf das Zeugnisverweigerungsrecht aufmerksam gemacht worden. Dies sei zu einem Zeitpunkt geschehen, als die Ermittlungen nicht mehr nur gegen sie gerichtet gewesen, sondern auch auf ihren Ehemann ausgedehnt worden seien.

2. a) Ehegatten können nach § 90 Abs. 1 StPO das Zeugnis verweigern. Der Zeuge wird über die Zeugnispflicht und gegebenenfalls die Zeugnisverweigerungsgründe aufgeklärt; er ist zur Wahrheit zu ermahnen und auf die Straffolgen falscher Zeugenaussagen hinzuweisen (§ 93 Abs. 1 StPO). Im Protokoll muss festgehalten werden, dass der Zeuge über seine Rechte und Pflichten und die Folgen ihrer Verletzung aufgeklärt wurde, ansonsten die Einvernahme ungültig ist und wiederholt werden muss (§ 93 Abs. 3 ZPO). Verzichtet der Zeuge auf ein ihm zustehendes Zeugnisverweigerungsrecht, kann er diese Erklärung jederzeit widerrufen; die vorher gemachten Aussagen bleiben aber bestehen (§ 93 Abs. 2 StPO). Wer einer strafbaren Handlung dringend verdächtig ist, darf nach § 97 Abs. 1 StPO hiezu nur als Auskunftsperson, nicht aber als Zeuge einvernommen werden. Das gesetzliche Zeugnisverweigerungsrecht besteht auch zugunsten von Auskunftspersonen, sofern sich das Strafverfahren bereits gegen eine bestimmte Person richtet (§ 97 Abs. 4 StPO).

Zeugenaussagen, bei denen das Recht zur Zeugnisverweigerung missachtet oder auf dieses nicht hingewiesen wurde, sind nichtig und dürfen im Verfahren nicht berücksichtigt werden (Hauser/Schweri, Schweizerisches Strafprozessrecht, 3.A., § 60 N 9). Wird gegen mehrere Mitbeschuldigte - unter Umständen sogar ein getrenntes - Strafverfahren geführt, dürfen die Beschuldigten nicht als Zeugen einvernommen werden (RBOG 1988 Nr. 45 mit Hinweisen; Hauser/Schweri, § 62 N 4; FZR 1992 Nr. 38 S. 282 f.). Die angeschuldigte Person steht alsdann zu keinem Zeitpunkt unter einer mit der Zeugenaussage vergleichbaren, erzwingbaren Aussage- und strafrechtlich sanktionierten Wahrheitspflicht (vgl. § 97 Abs. 3 StPO). Folglich besteht grundsätzlich keine Veranlassung, die einzuvernehmende Person auf das Zeugnisverweigerungsrecht aufmerksam zu machen (RBOG 1988 Nr. 45). Vielmehr hat der Richter im Rahmen der freien Beweiswürdigung die Aussagen von Mitbeschuldigten zu beurteilen (Padrutt, Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons Graubünden, 2.A., Art. 125 N 2 S. 307).

b) Dass alle Aussagen der Ehefrau des Berufungsklägers aus den Akten zu entfernen seien, weil die "Zeugin" nicht von allem Anfang an auf das ihr zustehende Zeugnisverweigerungsrecht aufmerksam gemacht worden sei, kann schon mit Blick auf § 93 Abs. 3 StPO nicht zutreffen: Diese Bestimmung schreibt ausdrücklich eine Wiederholung von ungültigen Einvernahmen vor. Es sind mithin nur solche Aussagen nicht verwertbar, welche ohne Hinweis auf ein allfälliges Zeugnisverweigerungsrecht erhoben wurden (vgl. Hauser/Schweri, § 62 N 11). Entscheidend ist schliesslich aber, dass die Ehefrau des Berufungsklägers nicht als Zeugin, sondern als Angeschuldigte einvernommen wurde. Es traf sie mithin weder eine Aussage- noch eine Wahrheitspflicht (vgl. RBOG 1993 Nr. 32). Schliesslich wurde sie anlässlich der polizeilichen Befragung ausdrücklich auf das ihr zustehende Zeugnisverweigerungsrecht aufmerksam gemacht, und gegenüber dem Untersuchungsrichter gab sie auf entsprechenden Vorhalt an, es sei ihr bekannt, dass ihr mit Bezug auf ihren Ehemann ein Zeugnisverweigerungsrecht zustehe; dies sei ihr bereits von der Polizei eröffnet worden. Mithin sind ihre Aussagen ohne weiteres verwertbar.

Obergericht, 31. März 1998, SB 97 57


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