RBOG 2003 Nr. 23
Betrug durch Massenversand von mit Telecom-Rechnungen verwechselbaren Dienstleistungsofferten
1. a) Der Berufungskläger versandte "Offerten" mit vorgedrucktem Einzahlungsschein an zahlreiche juristische und natürliche Personen in der deutschen Schweiz. Diese "Offerten" lehnten sich in der Aufmachung sehr eng an die üblichen Rechnungen der Telecom an. In der Folge wurde der Offertversand mit entsprechenden "Bestellungen" bzw. Einzahlungen des vorgedruckten Betrags beantwortet. Streitig ist, ob der Berufungskläger den objektiven und subjektiven Tatbestand des Betrugs erfüllte.
b) Die Vorinstanz wirft dem Berufungskläger vor, mit verschiedenen betrügerischen Machenschaften den objektiven Tatbestand einer arglistigen Täuschung der Adressaten bzw. des Betrugs gemäss Art. 146 StGB verwirklicht zu haben, indem er sein "Werbemailing" in einem hohen Mass der Telefonrechnung der damaligen PTT angeglichen habe. Der Vergleich mit einer Telecom/PTT-Rechnung zeige Übereinstimmungen, die sich nicht mehr mit dem vorgegebenen Zweck, dass das Mailing überhaupt gelesen werde, erklären liessen. Die Verteidigung verneint in objektiver Hinsicht das Vorspiegeln von Tatsachen und bestreitet vorweg die Verwechselbarkeit der "Offerte" mit einer Telefonrechnung.
c) Das im Massenversand verschickte Schreiben des Berufungsklägers war aufgrund einer Vielzahl von Übereinstimmungen mit einer PTT/Telecom-Rechnung in Aufmachung, Schriftbild, Inhalt bzw. (scheinbarem) Angebot sowie hinsichtlich Material und Verpackung in hohem Mass geeignet, eine erhebliche Verwechslungsgefahr zu schaffen. Diese konnte auch durch die textlichen und begrifflichen bzw. inhaltlichen Hinweise auf den Offertcharakter des Schreibens und auf den wesentlichen Umstand, dass es sich nicht um das Angebot eines Unternehmens im Telekommunikationsbereich handelte, nicht wesentlich vermindert werden, waren diese doch allesamt eher unauffällig oder sogar versteckt angebracht und erst bei genauerer, aufmerksamer Prüfung erkennbar. Die vom Berufungskläger angeführten Konkretisierungen und Klarstellungen bezüglich seines Angebots für einen Registereintrag (in Buchform oder auf CD) konnten den durch zahlreiche gestalterische Elemente und Details, insbesondere aber auch durch den in fetter Schrift hervorgehobenen Firmennamen und die Verwendung eines Schweizerkreuzes vermittelten Gesamteindruck einer von einer amtsnahen Stelle stammenden, periodischen Rechnung (mit beigelegtem Einzahlungsschein) nicht durchbrechen oder gar aufheben; ebenso wenig deutlich bewirkten sie eine Klarstellung, dass es sich um ein blosses Werbeschreiben bzw. nur um eine Offerte handelte. Das Schreiben war somit in hohem Masse geeignet, eine Täuschung, das heisst eine von der Wirklichkeit abweichende Vorstellung (vgl. Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2.A., Art. 146 N 2) zu bewirken, welche Folge unbestrittenermassen auch bei einer signifikanten Anzahl von Adressaten eintrat. So kam es zu immerhin über tausend Einzahlungen, wovon ein beträchtlicher Teil in der irrtümlichen Annahme, es handle sich um eine Telefonrechnung, erfolgten. Daran kann auch der Hinweis der Verteidigung, eine grössere Anzahl von Adressaten hätten die "Offerte" auch als solche erkannt, nichts ändern; immerhin versandte der Berufungskläger seine Offerte an über zweihunderttausend juristische und natürliche Personen. Die Verwechslungsgefahr wurde noch erhöht durch den Zeitpunkt des Versands kurz vor Weihnachten bzw. Jahresende, wo periodisch zu begleichende Rechnungen, insbesondere solche, welche wie jene der Telecom mit einem erhöhten Zahlungspflichtbewusstsein verbunden sind, oft routinemässig beglichen werden. Dazu bedurfte es keiner "Lügen" (im engeren Sinn) bzw. unwahrer Angaben, abgesehen davon, dass das Werbemailing tatsächlich einige offensichtliche Ungereimtheiten und falsche Versprechungen enthielt, zum Beispiel hinsichtlich einer angeblichen "Niederlassung" in Bern, der Aufgliederung des Rechnungsbetrags für ein noch nicht konkret vorhandenes Produkt oder den Hinweis auf eine bereits früher erfolgte Offerte. Durch das bewusst und geschickt ("originell") in Anlehnung an eine PTT/Telecom-Rechnung gestaltete Werbemailing wurden zahlreiche Adressaten objektiv in die Irre geführt und zu einer schädigenden Vermögensdisposition veranlasst.
2. a) Streitig ist weiter, ob der Berufungskläger mit Arglist gehandelt hat. Die Verteidigung stellt dies unter Hinweis auf die bundesgerichtliche Praxis, insbesondere hinsichtlich der Verwendung eines "Lügengebäudes", in Frage. Wie es sich damit verhält, kann aber offen bleiben, da auch im vorinstanzlichen Urteil davon nicht die Rede ist und der täuschende bzw. arglistige Charakter des Werbemailings nicht oder nicht vorab in der Abstützung auf eigentliche "Lügen" bzw. wahrheitswidrige Angaben, sondern vielmehr in der geschickten Vorspiegelung von Tatsachen (Rechnung eines öffentlich-rechtlichen Betriebs) durch bewusste Imitation (vgl. BGE 104 IV 84) bzw. in der Vorenthaltung von Informationen (gestalterisch und inhaltlich unmissverständlicher Klarstellungen) besteht. Die Vorinstanz erkennt dagegen im Vorgehen des Berufungsklägers, insbesondere im Hinweis auf eine angebliche Niederlassung der "Telekommunikation Adressverlag AG" in Bern, in der Verwendung des Schweizerkreuzes sowie gesamthaft in der Angleichung des Werbemailings an eine Telefonrechung der damaligen Telecom/PTT, explizit "betrügerische Machenschaften"; bei diesen kommt es praxisgemäss wie bei Lügengebäuden nicht mehr darauf an, ob die Überprüfung der Angaben möglich, zumutbar und voraussehbar war.
b) Zur Begründung der bewusst in Anlehnung an eine PTT/Telecom-Rechnung gestalteten Sendung gab der Berufungskläger gegenüber dem Untersuchungsrichter an: "Es ist mir darum gegangen, etwas einfach zu machen, und die Telefonrechnung versteht ja offensichtlich jeder. Es geht mir um eine klare und einfache Formulierung der Dienstleistung respektive des Angebots." Wenn Einfachheit und Allgemeinverständlichkeit aber die Anliegen des Berufungsklägers waren, ist überhaupt nicht nachvollziehbar, weshalb etwa ein Strichcode verwendet wurde, der allein grafische Funktion erfüllte, denn ein variabler Strichcode - wie bei der PTT/Telecom - stand gar nie zur Diskussion. Gegen Klarheit sprechen auch der für eine Offerte unübliche Betrag in Franken und Rappen und die Beilage einer Rechnung sowie der Satz "Bitte verwenden Sie zur Bezahlung dieser Offerte den beigefügten Einzahlungsschein. Dankeschön"; Offerten enthalten üblicherweise keinen Einzahlungsschein. Schleierhaft ist überdies, weshalb die "Offerte" Bezug nimmt auf eine angeblich früher ergangene Offerte. Damit läge eine Irreführung jener Leser nahe, die zwar erkannten, dass keine Rechnung der PTT/Telecom vorlag, indessen zur Kenntnis nehmen mussten, dass bereits eine Offerte erfolgt sei, so dass die zugesandte Rechnung nun deren Konsequenz sein musste. Nicht nachvollziehbar bleibt auch, weshalb die als Ziel erfolgte Klarheit erforderte, die "Offerte" gleich zu lochen wie eine Telefonrechnung. Alles andere als der Klarheit zuträglich war sodann die Tatsache, dass es entgegen der "Offerte" eben gerade nicht um sämtliche "im Inland zu erstellende Publikationen" ging, sondern vielmehr lediglich der deutschsprachige Raum abgedeckt werden sollte. Hinzu tritt, dass derjenige Leser, welcher überhaupt die Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf der Rückseite konsultierte, immer noch nicht klar erkennen konnte, welcher Art der Eintrag denn konkret sein sollte; es erfolgte lediglich der allgemeine Hinweis, die Offerte beinhalte eine Veröffentlichung in einem Druckerzeugnis und/oder auf einer CD-ROM.
c) Unter dem Aspekt der besondern Schutzwürdigkeit des Opfers (vgl. Schubarth, Kommentar zum Schweizerischen Strafrecht, BT II, Bern 1990, Art. 148 StGB N 51) ist auch der Hinweis verschiedener Strafanzeiger bzw. Strafantragsteller zu beachten, dass zufolge des Grossversands auf jeden Fall damit zu rechnen war, dass einige "Dumme" die "Offerte" als PTT/Telecom-Rechnung zahlen würden. So wurde von einem Strafantragsteller festgehalten, würde auch nur jeder 1000ste Empfänger "hereinfliegen", komme bei einem Massenaussand an wohl einige 10'000 Adressen "eine ganz hübsche Summe" zusammen; tatsächlich betrug der Rücklauf 1,3%. Nun würde dieser Aspekt für sich allein gesehen wohl noch nicht zur Begründung der nötigen Arglist ausreichen, da für das Erfassen solcher Massenversände vor allem das UWG dient. Von Bedeutung ist indessen, dass der Berufungskläger sein Schreiben vorab an Personen des Geschäftslebens richtete, die nicht in jedem Fall über eine in kaufmännischen und rechtlichen Belangen hinreichend ausgebildete Administration verfügen. Somit war damit zu rechnen (dass dies tatsächlich der Fall war, lässt sich diversen Strafanträgen/Strafanzeigen entnehmen), dass zahlreiche "subalterne" Personen die "Offerte" in Empfang nahmen, diese zufolge der üblichen Versandzeit für eine PTT/Telecom-Rechnung nur unkritisch prüften und bezahlten oder zur umgehenden Bezahlung weiterleiteten, weil bei Nichtbezahlen einer Rechnung der PTT/Telecom zu erwarten war, dass das Telefon abgestellt würde, wie dies denn auch im Fall eines Spanierklubs geschah. Die Vorinstanz verwies somit zu Recht auf Geschädigte, welche aus diesem Beweggrund zahlten. Mit der breiten Streuung des Massenversands, namentlich bei Geschäftsfirmen, konnte aufgrund der bei vielen Adressaten voraussehbar arbeitsteiligen Organisation in jedem Fall mit zahlenmässig nicht unerheblichen irrtümlichen Zahlungen gerechnet werden, ohne dass dies allein der "Dummheit" bzw. Unsorgfalt der Adressaten zugeschrieben werden kann. Die Rechnung wurde zwei Tage vor dem Zeitpunkt versandt, da üblicherweise die Swisscom-Rechnung verschickt wird. Da der Versand im Dezember erfolgte, konnte dies schon deshalb kein Misstrauen erwecken, weil zufolge der arbeitsfreien Weihnachtsferientage Rechnungen ab Dezember ohnehin früher verschickt werden, damit sie noch in die Jahresrechnung des laufenden Jahres Eingang finden können. Schliesslich bleibt die Verteidigung eine ausreichende Begründung schuldig, weshalb eine an Imitation bzw. eine "sklavische" Angleichung an das Vorbild der PTT/Telecom-Rechnung grenzende Gestaltung des Werbeschreibens als besonders "originelles, gestalterisches Werbemittel" zu verstehen sei, zumal die Empfänger mit solchen Rechnungen, wie die Vorinstanz zu Recht erwähnte, kaum sonderlich positive Assoziationen verbinden.
Obergericht, 21. November 2002, SBO.2002.9