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TVR 2000 Nr. 20

Satzbestimmendes Einkommen, Mitwirkungspflicht


§ 38 StG, § 157 Abs. 1 StG, § 228 Abs. 2 StG


1. Richtet eine Versicherung eine Kapitalabfindung für erlittenen Erwerbsausfall aus, so ist für die Besteuerung derjenige Zeitpunkt massgebend, in dem der Vergleich über die auszuzahlende Summe abgeschlossen wird (Ist-Methode). (E. 2a)

2. Macht ein Steuerpflichtiger geltend, in der geleisteten Kapitalabfindung seien auch steuerfreie Beträge enthalten (Genugtuung etc.), so ist er hiefür beweispflichtig.


D erlitt im August 1987 einen schweren Motorradunfall. Als Folge dieses Unfalls erbrachte die S-Krankenkasse eine Kapitalleistung von Fr. 700'000.--, die U Versicherungsgesellschaft eine Kapitalleistung von insgesamt Fr. 1'031'296.80 und die SUVA eine Integritätsentschädigung von Fr. 81'600.-- . Im Betrag, den die U Versicherungsgesellschaft ausgerichtet hatte, war auch ein Betrag von Fr. 950'000.-- für Ansprüche aus Haftpflicht enthalten. Festgelegt wurde diese Summe in einer Vereinbarung zwischen D und der U Versicherungsgesellschaft vom 19. Juni 1991. Die Auszahlung des Betrags erfolgte am 27. Juni 1991. Am 14. Januar 1997 nahm die Veranlagungsbehörde M folgende Veranlagung für die Steuerperiode 1993/1994 vor:

Kapitalleistung U Versicherung:

Fr.

950'000.--

abzüglich Fr. 10'000.– (Genugtuung) steuerfrei

Fr.

10'000.--

Durchschnitt von zwei Jahren von Fr. 940'000.–:

Fr.

470'000.--

übriges Einkommen

Fr.

66'100.--

steuerbares Einkommen

Fr.

536'100.--

satzbestimmendes Einkommen aus Versicherung (gemäss § 38 StG):

Fr.

44'900.--

satzbestimmendes Einkommen total
(Fr. 66'100.– + Fr. 44'900.–)

Fr.

111'000.--

Gegen diese Veranlagung führten die Eheleute D erfolglos Einsprache und hernach Rekurs bei der Steuerrekurskommission des Kantons Thurgau, die abweist. Auch das Verwaltungsgericht weist die erhobene Beschwerde ab.

Aus den Erwägungen:

2. Im vorliegenden Verfahren stellen sich zwei Probleme. Zum einen ist die Frage zu beantworten, ob die 1991 zufolge des Unfalls vom Sommer 1987 ausgerichtete Entschädigung der U Versicherung in der Veranlagungsperiode 1993/1994 auf der Basis von 1991/1992 steuerbar ist, oder ob diese Entschädigung gemäss § 228 StG in eine vorangehende Veranlagungsperiode fällt und damit § 16 lit. d und e aStG zur Anwendung gelangt. Zum andern ist zu beurteilen, in welchem Umfang die Kapitalleistung der U Versicherung von Fr. 950 000.– als Entschädigung für Genugtuung und für bleibende körperliche und gesundheitliche Nachteile beziehungsweise zu welchem Teil sie als (steuerbarer) Einkommensersatz anzusehen ist.

a) aa) Zur Frage, in welcher Veranlagungsperiode die Kapitalleistung der U Versicherung grundsätzlich zur Besteuerung kommt, stellen sich die Beschwerdeführer auf den Standpunkt, die Vorinstanzen hätten übersehen, dass vor der Auszahlung des Betrags von Fr. 950 000.– am 27. Juni 1991 nach langwierigen Verhandlungen bereits im Jahr 1988 eine Akontozahlung von Fr. 20 000.– ausgerichtet worden sei. Dies sei mit der Anerkennung des Anspruchs des Beschwerdeführers bereits im Jahre 1988 gleichzusetzen, weshalb die Forderung spätestens dann entstanden sei. Dem hält die Vorinstanz entgegen, dass es sich bei der Anzahlung von Fr. 20 000.– um völlig andere Ansprüche (Sachschaden, Spesen, Aushilfe etc.) gehandelt habe, als mit dem Betrag von Fr. 950 000.— abgegolten werden sollte.

bb) Die zeitliche Bemessung des Einkommens wird mitbestimmt durch die Entscheidung der Frage, welches Einkommen in der Bemessungsperiode als realisiert zu gelten hat (Realisierung des Einkommens). Blumenstein/Locher (System des Steuerrechts, 5. Aufl., Zürich 1995) führen hierzu auf S. 238 folgendes aus: «Aus dem Begriff des Einkommens folgt, dass es darauf ankommt, wann der Steuerpflichtige über einen bestimmten Einkommensbestandteil disponieren kann. Dies ist dann der Fall, wenn der Steuerpflichtige Leistungen vereinnahmt oder einen festen Rechtsanspruch darauf erwirbt, über den er tatsächlich verfügen kann (StE 95 B 72.13.22 Nr. 31; ASA 61, S. 669; BGE 113 Ib, S. 26). Grundsätzlich ist der einer Geldleistung vorausgehende Forderungserwerb massgebend, sofern die Erfüllung der Forderung nicht als unsicher erscheint (ASA 61, S. 669; BGE 113 Ib, S. 26; ASA 59, S. 65 f.). Es gilt damit die sogenannte Sollmethode. Einkünfte aus Veräusserung von Liegenschaften sind beispielsweise in dem Zeitpunkt zugeflossen, in welchem der Kaufvertrag rechtsgültig abgeschlossen wurde, das heisst im Zeitpunkt der öffentlichen Beurkundung (ASA 61, S. 669). Bei den Einkünften aus Beteiligungsertrag entsteht ein fester Dividendenanspruch mit der Beschlussfassung durch die Generalversammlung (NStP 40, S. 87; ASA 38, S. 392), der Anspruch auf eine Provision entsteht im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (ASA 61, S. 738), und auch bei Mietzinseinnahmen darf auf den Zeitpunkt des Rechtserwerbs abgestellt werden, sofern dieser nicht unsicher ist (StE 86, B 21.2, Nr. 1). Beim Erwerbseinkommen hingegen folgt man vielfach der Ist-Methode. Insbesondere bei den Einkünften aus unselbständiger Erwerbstätigkeit wird grundsätzlich der Zeitpunkt der Zahlung beziehungsweise der Gutschrift als massgebend erachtet (ASA 60, S. 141 f.; NStP 40, S. 86; ASA 44, S. 343). Bei den Einkünften aus selbständiger Erwerbstätigkeit stellt man jedenfalls bei freierwerbenden Steuerpflichtigen vielfach bloss auf die Kasseneingänge ab (ASA 49, S. 66; ASA 36, S. 31).»
Daraus erhellt, dass vor allem in den Fällen, in denen es um die Frage der Besteuerung von Einkommen geht, diese dann erfolgen soll, wenn die Mittel auch tatsächlich zugeflossen sind. Dies muss vernünftigerweise aber auch dann gelten, wenn Mittel zufliessen, die Ersatz für Erwerbseinkommen darstellen. Gerade in Fällen wie dem vorliegenden, steht häufig erst viel später fest, wie hoch überhaupt die Erwerbsausfallentschädigung ausfällt. Über die Summe kann auch erst mit der späteren Zahlung verfügt werden. Diese Lösung rechtfertigt sich auch aus Praktikabilitätsgründen, da so umständliche Revisionsverfahren, wie dies die Beschwerdeführer letztlich verlangen, vermieden werden können. Es ist somit als Zwischenergebnis festzuhalten, dass die Kapitalleistung der U Versicherung in der Höhe von Fr. 950 000.– den Beschwerdeführern in steuerrechtlich relevanter Weise im Jahr 1991 zugeflossen ist.

b) Die Beschwerdeführer machen weiter geltend, sowohl die Steuerverwaltung als auch die Vorinstanz seien zu Unrecht davon ausgegangen, dass bei der Zahlung von Fr. 950 000.– lediglich Fr. 10 000.– als Genugtuung zu gelten hätten. In Fällen wie dem vorliegenden würden in aller Regel viel höhere Genugtuungssummen ausbezahlt. Zudem seien die Ausgleichsleistungen für bleibende körperliche oder gesundheitliche Nachteile ebenfalls von der Summe abzuziehen. Im Steuerrecht gilt der Grundsatz, dass steuerbegründende Tatsachen durch die Steuerbehörde, steueraufhebende oder -mindernde Tatsachen durch den Steuerpflichtigen zu beweisen sind. Dies ist Ausfluss der im Steuerrecht geltenden erweiterten Mitwirkungspflicht. Insbesondere hat der Steuerpflichtige diejenigen Beweismittel zu nennen und nötigenfalls zu beschaffen, die des persönlichkeitsbezogenen Charakters wegen der Steuerbehörde naturgemäss nur schwer zugänglich sind und deren Ermittlung ausserdem die Privatsphäre unverhältnismässig tangieren würde (TVR 1986, Nr. 20). Die einzigen Unterlagen, die Auskunft über die Zusammensetzung des Betrags von Fr. 950 000.– geben und bei den Akten liegen, sind zwei Schreiben der U Versicherung, das eine vom 2. Oktober 1995 und das andere vom 22. Juli 1996. Im ersten Schreiben wird erwähnt, dass es sich beim fraglichen Betrag im Wesentlichen um zu diesem Zeitpunkt mutmasslich entgangenen und zukünftigen Erwerbsausfall handle. Im zweiten Schreiben ist festgehalten, dass im Betrag von Fr. 950 000.– eine Genugtuung von mindestens Fr. 10 000.– enthalten war. Wie die Vorinstanz zu Recht ausführt, kann es unter den gegebenen Umständen nicht ihre Sache oder diejenige der Steuerverwaltung sein, hier abzuklären, welche Teilbeträge genau die Gesamtsumme von Fr. 950 000.– beinhaltete. Der Einzige beziehungsweise die Einzigen, die hierüber Auskunft geben könnten, wären die Beschwerdeführer selbst, ihr damaliger Vertreter oder die U Versicherung. Obwohl ihr die steuerrechtliche Tragweite ihres Schreibens vom 22. Juli 1996 zweifelsfrei klar sein musste, konnte sich die U Versicherung aber nicht dazu durchringen, eine höhere Genugtuungssumme als Fr. 10 000.– zu bestätigen. Immerhin ist zu bemerken, dass die SUVA eine Integritätsentschädigung in der Höhe von Fr. 81 600.– ausbezahlt hat. Auch wenn die Integritätsentschädigung grundsätzlich auf Grund egalitärer Kriterien bemessen wird, so hat sie letztlich doch Genugtuungscharakter. Soweit die SUVA sie ausrichtet und ein anderer Haftpflichtiger vorhanden ist, gehen entsprechende Ansprüche auf die SUVA über (Art. 41 i.V. mit Art. 43 Abs. 2 lit. d des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung vom 20. März 1981). Rechnet man die ausgezahlte Integritätsentschädigung mit den Fr. 10 000.– zusammen, so kommt man auf einen Betrag von über Fr. 90 000.–, welcher in etwa in der Grössenordnung liegen könnte, der für eine Genugtuung in Fällen wie dem vorliegenden bezahlt wird, auch wenn dieser Betrag eher an der unteren Grenze liegt. Wie bereits erwähnt, wäre es aber Sache der Beschwerdeführer gewesen, hierzu nähere Angaben zu machen. Zudem sei noch einmal erwähnt, dass insbesondere im Schreiben der U Versicherung vom 2. Oktober 1995 gesagt wird, bei den Fr. 950 000.– handle es sich im wesentlichen um Ertragsausfallentschädigung.

Entscheid vom 28. Juni 2000

Eine gegen diesen Entscheid erhobene staatsrechtliche Beschwerde hat das Bundesgericht mit Entscheid vom 15. Dezember 2000 abgewiesen.

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