TVR 2000 Nr. 21
Steuerliche Ungleichbehandlung. Konfiskatorische Besteuerung
Art. 8 BV, Art. 26 BV, § 44 Abs. 2 StG, Art. 14 StHG
1. Bauland, das landwirtschaftlich bewirtschaftet wird, aber nicht unter das BGBB fällt, ist ausser in den Fällen von § 44 Abs. 2 StG zum Verkehrswert zu versteuern (E. 2b).
2. Eine konfiskatorische Besteuerung liegt nicht vor, wenn die Vermögenssteuer einer landwirtschaftlich genutzten Bauparzelle, die nicht unter das BGBB fällt, den Ertrag aus Verpachtung übersteigt.
E ist Eigentümerin der in der Bauzone gelegenen Parzelle Nr. 1126 in der Gemeinde O. Die Parzelle ist unüberbaut und wird landwirtschaftlich genutzt (Verpachtung als landwirtschaftliche Einzelparzelle). Sie ist jedoch voll erschlossen. Der landwirtschaftliche Pächter bezahlte bisher einen jährlichen Pachtzins von Fr. 495.–. Im Rahmen der Generalrevision der Steuergesetzgebung beziehungsweise der dadurch verursachten Liegenschaftenneuschätzungen wurde die Parzelle Nr. 1126 statt wie bisher zum Ertragswert neu zum vollen Verkehrswert von Fr. 686 800.– (= Fr. 200.–/m2) geschätzt. Gegen diese Einschätzung erhob E erfolglos zunächst Einsprache bei der Steuerverwaltung und hernach Rekurs bei der Steuerrekurskommission des Kantons Thurgau. E gelangt mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht, welches ebenfalls abweist.
Aus den Erwägungen:
2. Die Beschwerdeführerin macht zur Begründung ihrer Anträge zunächst einmal geltend, der angefochtene Entscheid verstosse gegen Art. 8 und Art. 26 BV. Mit Bezug auf die Verletzung des Gleichbehandlungsgebots (Art. 8 BV) wird geltend gemacht, im angefochtenen Entscheid werde das Unterscheidungsmerkmal der Selbstbewirtschaftung durch den Eigentümer oder Pächter als Teil eines hauptberuflich selbst bewirtschafteten existenzfähigen Betriebs gerechtfertigt mit der Förderung der Landwirtschaft. Die Regelung von § 44 Abs. 2 StG beabsichtige zu verhindern, dass Grundstücke im Baugebiet entgegen ihrem Zonenzweck genutzt würden und damit Bauland spekulativ gehortet werde. Zwar möge zutreffend sein, dass eine solche Unterscheidung objektiv vernünftig sei, doch zeige der vorliegende Fall drastisch, dass der Raster für die Unterscheidung zu grob sei. Würden Parzellen eines landwirtschaftlichen Betriebes durch planerische Massnahmen zu Bauland umgezont oder werde Landeigentümern in einer Landumlegung anstelle von Land in der Landwirtschaftszone Land in der Bauzone zugeteilt, so könne von einer spekulativen Baulandhortung keine Rede sein. Zudem rechtfertige es sich durchaus, im Rahmen der Förderung der Landwirtschaft auch Grundstücke steuerlich zu privilegieren, die über parzellenweise Verpachtung Teil eines existenzfähigen Betriebes geworden seien. Auch das StHG sehe grundsätzlich die Bewertung landwirtschaftlich genutzten Landes zum Ertragswert vor, wobei zwei Korrekturelemente möglich seien. Insofern verstosse die Bestimmung von § 44 Abs. 2 StG gegen das StHG. Mit Bezug auf die Verletzung der Eigentumsgarantie durch konfiskatorische Besteuerung führt die Beschwerdeführerin aus, in BGE 106 Ia 342 seien drei Voraussetzungen genannt worden, welche kumulativ erfüllt sein müssten, damit von einer konfiskatorischen Besteuerung gesprochen werden könne. Eine solche sei vorliegend gegeben, übersteige doch die Steuerbelastung den Vermögensertrag deutlich. Die Steuerbelastung sei zudem dauerhaft übermässig und es fehle an der Möglichkeit, durch entsprechende Dispositionen die Situation abzuwenden.
a) Gemäss § 44 Abs. 1 StG werden land- oder forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke mit Einschluss der erforderlichen Gebäude zum Ertragswert bewertet, so lange diese Nutzung andauert. Grundstücke im Baugebiet werden nur dann zum Ertragswert bewertet, wenn sie Bestandteil eines gesamthaft existenzfähigen Betriebs sind, der vom Eigentümer oder Nutzniesser hauptberuflich selbst bewirtschaftet wird, oder wenn ein existenzfähiger Betrieb gesamthaft verpachtet und hauptberuflich als Einheit bewirtschaftet wird (§ 44 Abs. 2 StG). Die Ertragswertbesteuerung eines einzelnen Grundstücks in der Bauzone, das – wie vorliegend – von der Eigentümerin verpachtet wird, ist dagegen nicht vorgesehen.
b) Der Grundsatz der Rechtsgleichheit ist in Art. 8 BV gewährleistet. Dieser verbietet insbesondere die rechtsungleiche Behandlung. Der Anspruch auf Gleichbehandlung verlangt, dass Rechte und Pflichten der Betroffenen nach dem gleichen Massstab festzusetzen sind. Gleiches ist nach Massgabe seiner Gleichheit gleich, Ungleiches nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich zu behandeln. In der Rechtsetzung verletzt eine Regelung den Grundsatz der Rechtsgleichheit und damit Art. 8 Abs. 1 BV, wenn sie rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen (Häfelin/Müller, Grundriss des allgemeinen Verwaltungsrechts, 3. Aufl., Zürich 1998, N. 397 ff.).
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin besteht für die rechtliche Ungleichbehandlung, welche § 44 Abs. 2 StG vorsieht, durchaus ein vernünftiger Grund. Der Eigentümer und der Nutzniesser, welche hauptberuflich einen gesamthaft existenzfähigen Betrieb selbst bewirtschaften, sollen von der Ertragswertbesteuerung profitieren können, ebenso der Eigentümer, der einen existenzfähigen Betrieb gesamthaft verpachtet, welcher wiederum hauptberuflich als Einheit bewirtschaftet wird. Der Gesetzgeber beabsichtigt damit, Landwirtschaftsbetriebe steuerlich zu begünstigen und die Landwirtschaft, insbesondere die Selbstbewirtschaftung, zu fördern. Demgegenüber erfolgt keine steuerliche Begünstigung für Grundstückseigentümer, welche ihr Grundstück nicht entweder hauptberuflich selbst bewirtschaften oder dieses nicht zusammen mit anderen Grundstücken als gesamthaft existenzfähigen Betrieb – welcher hauptberuflich vom Pächter als Einheit bewirtschaftet wird – verpachtet haben. In diesen Fällen hat nämlich der Eigentümer grundsätzlich die Wahl, ober für das Land einen Käufer suchen, dieses durch eine Überbauung einer entsprechenden Nutzung zuführen oder es einfach verpachten will. So oder so aber kann sich die Eigentümerschaft, da das Grundstück nicht in den Geltungsbereich des BGBB fällt, einen Verkauf offenhalten. Insoweit ist es sehr wohl gerechtfertigt, dass hier eine steuerliche Unterscheidung getroffen wird, je nach dem, wie das entsprechende Grundstück, insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt des BGBB, zu bewerten ist. Es kann somit nicht gesagt werden, § 44 Abs. 2 StG treffe eine undifferenzierte Unterscheidung.
c) Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, die Bestimmung von § 44 Abs. 2 StG verstosse gegen die Regelung in Art. 14 Abs. 2 StHG, ist auszuführen, was folgt: Laut Art. 14 Abs. 1 StHG wird das Vermögen zum Verkehrswert bewertet, doch kann der Ertragswert angemessen berücksichtigt werden. Nur die land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücke werden zum Ertragswert bewertet (Art. 14 Abs. 2 StHG). Laut § 43 Abs. 1 StG werden die Aktiven grundsätzlich «zum Verkehrswert bewertet, soweit die nachfolgenden Vorschriften nichts Abweichendes festsetzen». Das Thurgauer Steuergesetz trifft somit – wie auch das StHG – grundsätzlich die Unterscheidung zwischen nicht landwirtschaftlich genutzten und landwirtschaftlich genutzten Grundstücken (§ 44 StG). Zur Frage, wann die Bewertung zum Ertragswert für ein Grundstück gemäss Art. 14 Abs. 2 StHG vorzunehmen ist, führen Zigerlig/Jud im Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht I/1, Basel 1997, Art. 14 StHG, N. 9 folgendes aus: «Im Hinblick auf eine optimale Umsetzung der harmonisierungsrechtlichen Vorgaben erscheint es somit zusammenfassend als sachgerecht, nur jene Grundstücke als landwirtschaftlich genutzt zu qualifizieren, die dem Geltungsbereich des BGBB unterliegen und auch tatsächlich überwiegend landwirtschaftlich genutzt werden.» Wie bereits ausgeführt, fällt das Grundstück der Beschwerdeführerin nicht in den Geltungsbereich des BGBB. Dementsprechend ist auch nach StHG die Parzelle Nr. 1126 grundsätzlich zum Verkehrswert zu bewerten. Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin wäre es sogar gerade StHG-widrig, wenn eine Bewertung zum Ertragswert vorgenommen würde. Es ist zwar zutreffend, dass in § 43 Abs. 1 StG die Bewertung zum Verkehrswert vorgeschrieben wird, doch ist in diesem Zusammenhang auf § 12 der Verordnung des Regierungsrates über die Steuerschätzung der Grundstücke vom 24. November 1992 hinzuweisen, wonach sich der Verkehrswert eines Grundstückes aus der Gesamtheit aller wertbildenden Faktoren, wie Land- und Bauwert, rechtliche Gegebenheiten, Nutzungsmöglichkeiten, tatsächliche Eigenschaften, besondere Lage und Beschaffenheit bestimmt. Zudem wird gemäss Abs. 2 dieser Bestimmung der Verkehrswert in der Regel durch den Ertrags- und den Realwert bestimmt. Die grundsätzliche Bewertung zum Verkehrswert nach § 43 Abs. 1 StG beinhaltet daher – zumindest soweit es sich um Grundstücke handelt – immer auch eine Ertragswertkomponente, wie dies auch Art. 14 Abs. 1 StHG als Möglichkeit vorsieht.
d) Die Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) verpflichtet den Steuergesetzgeber, die bestehenden Vermögen der Steuerpflichtigen in ihrer Substanz zu bewahren und die Möglichkeit der Neubildung von Vermögen zu erhalten. Der Steuergesetzgeber darf Steuern nicht so ausgestalten, dass das Eigentum als ein jedermann zugängliches Rechtsinstitut in Frage gestellt oder dass das Vermögen fortlaufend ausgehöhlt wird. Wo die Grenzen zwischen einer zulässigen steuerlichen Belastung und einem verfassungswidrigen konfiskatorischen Eingriff in das Eigentum zu ziehen sind, lässt sich nicht in allgemein gültiger Weise bestimmen, sondern hängt von Steuersatz, Bemessungsgrundlage, Dauer der Massnahme, relativer Tiefe der fiskalischen Eingriffe, Kumulation mit anderen Abgaben sowie der Möglichkeit der Überwälzung der Steuer ab (Häfelin/Müller, a.a.O., N. 2082). Das Bundesgericht übt in seiner Rechtsprechung betreffend die Bejahung einer konfiskatorischen Besteuerung äusserste Zurückhaltung. Die Frage der konfiskatorischen Besteuerung stellt sich bei der Besteuerung von Vermögen vor allem dann, wenn dieses dauernd oder langfristig ertraglos bleibt oder einen sehr geringen Ertrag abwirft, der weit unter dem kantonalen Durchschnitt und daher möglicherweise tiefer liegt als die gesamte Steuerbelastung. Eine konfiskatorische Steuerbelastung liegt in diesen Fällen aber von vorneherein dann nicht vor, wenn der Eigentümer freiwillig auf einen genügenden Ertrag verzichtet. Dies ist etwa der Fall, wenn bei der Spekulation mit Bauerwartungsland dieses teuer bezahlt wird, aber, weil vorderhand landwirtschaftlich genutzt, nur einen geringen Ertrag einbringt (BGE 106 Ia 342 ff.).
Die Beschwerdeführerin argumentiert, sie erziele neu nur noch Pachteinnahmen von Fr. 5.–/Are, demgegenüber belaufe sich die jährliche Steuerbelastung auf Fr. 156.60/Ar. Damit übersteige die Steuerbelastung den Vermögensertrag deutlich. Die Bewertung von Grundstücken erfolge zudem für mehrere Jahre, wodurch die übermässige Steuerbelastung dauerhaft sei. Trotz einer an sich gegebenen Verkaufsbereitschaft habe man für die Parzelle oder Teile davon keine Käufer gefunden. Dies ändere sich auch in absehbarer Zeit nicht. Dementsprechend fehle die Möglichkeit, durch entsprechende Dispositionen die Situation abzuwenden. Damit seien sämtliche Voraussetzungen, wie sie das Bundesgericht in BGE 106 Ia 342 aufgezählt habe, gegeben. Es stehe daher fest, dass § 44 Abs. 2 StG durch konfiskatorische Besteuerung die Eigentumsgarantie nach Art. 26 BV verletze.
Die Argumentation, die Steuerlast übersteige den Vermögensertrag deutlich, geht schon vom Ansatz her fehl, weil dies in vielen Fällen dem System der Vermögensbesteuerung immanent ist. Auch ein wertvolles Bild oder ein anderes Kunstwerk werfen keinen Ertrag ab, werden aber grundsätzlich zum Verkehrswert besteuert. Die Beschwerdeführerin hat es zudem in der Hand, das Bauland zu verkaufen oder durch Überbauung der Nutzung zuzuführen und so einen Ertrag zu erzielen. Der Rückgang des Baulandpreises ist nunmehr gestoppt und die Nachfrage für Bauland wieder im Steigen begriffen. Zwar ist nicht zu verkennen, dass der Kanton Thurgau dieser Entwicklung noch etwas hinterher hinkt. Mit der Bemessung des m2-Preises von Fr. 200.– für vollerschlossenes Bauland ist dem jedoch genügend Rechnung getragen worden. Im Übrigen hat die Beschwerdeführerin ihre bisherigen Verkaufsbemühungen in keiner Weise durch Einreichen entsprechender Akten belegt. Zudem ist sie darauf hinzuweisen, dass sie letztlich selbst die Art und Weise ihrer Investition gewählt hat. Die Zuteilung von Bauland anstelle von Landwirtschaftsland im Rahmen einer Güterzusammenlegung geschieht nicht gegen den Willen des Eigentümers. Weiter ist zu bemerken, dass für das Bestreben, die Hortung von erschlossenem Bauland zu verringern, nicht von den beweisbaren subjektiven Absichten des einzelnen Eigentümers auszugehen ist, sondern vielmehr von den objektiven Gegebenheiten. Wie bereits erwähnt, fällt das Grundstück der Beschwerdeführerin nicht unter den Geltungsbereich des BGBB, welches für den Schutz der landwirtschaftlichen Parzellen beziehungsweise des Landwirtschaftslandes zu sorgen hat. Vielmehr liegt es im Baugebiet, was bedeutet, dass die Gemeinde davon ausgeht, dieses Land werde in den nächsten 15Jahren für eine Überbauung benötigt (vgl. hierzu Art. 15 RPG). Es kann somit zusammenfassend nicht gesagt werden, die Regelung von § 44 StG verletze die Eigentumsgarantie nach Art. 26 BV. Da die Beschwerdeführerin im übrigen die Höhe der Schätzung der Steuerverwaltung selbst nicht beanstandet hat, ist die Beschwerde vollumfänglich abzuweisen.
Entscheid vom 20. September 2000
Die gegen diesen Entscheid erhobene staatsrechtliche Beschwerde wies das Bundesgericht mit Urteil vom 15. Juni 2001 ab.