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TVR 2000 Nr. 8

Beschwerdeberechtigung gegen Mobilfunkantennen-Baubewilligung


§ 44 Ziff. 1 VRG


Ein Beschwerdeführer ist nicht zur Rechtsmittelerhebung gegen die Baubewilligung für eine Mobilfunkantenne berechtigt, wenn die am für ihn massgeblichen Standort gemessene Feldstärke erheblich unter den Grenzwerten der NISV liegt.


Die X AG plant, auf der Autobahnraststätte Niederholz eine Mobilfunkantenne aufzustellen. Dagegen wurden verschiedene Einsprachen erhoben. Zu den Einsprechern gehörten auch A und B. Das DBU wies sämtliche Einsprachen ab und erteilte gleichzeitig die Baubewilligung. Auf die dagegen von A und B erhobene Beschwerde tritt das Verwaltungsgericht nicht ein.

Aus den Erwägungen:

2. a) Gemäss § 44 Ziff. 1 i.V. mit § 62 VRG ist zur Beschwerde berechtigt, wer durch einen Entscheid berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat. Dabei gibt § 44 Ziff. 1 VRG beinahe wörtlich Art. 103 lit. a OG und Art. 48 lit. a VwVG wieder, die ihrerseits identisch sind. Auslegung und Praxis zu § 44 VRG können daher jenen zum Bundesrecht folgen (Haubensak/Litschgi/Stähelin, Kommentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege des Kantons Thurgau, Frauenfeld 1984, § 44 N. 1).

b) Mit dem Erfordernis des «Berührt-Seins» verlangt das Gesetz, dass ein Beschwerdeführer in einer besonderen, das heisst besonders nahen Beziehung zum angefochtenen Entscheid steht (Saladin, Das Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes, Bern 1979, S. 174 f.). In Bausachen wird daher die Einsprachelegitimation üblicherweise dann bejaht, wenn eine räumlich enge Beziehung des Ansprechers zum Planungsgegenstand besteht (quantitatives Kriterium) und der Ansprecher damit durch die Planung beziehungsweise den hierauf ergangenen Rechtsmittelentscheid unmittelbar und in höherem Masse als irgendjemand oder die Allgemeinheit in eigenen Interessen beeinträchtigt ist (TVR 1986 Nr. 1; TVR 1988 Nr. 10).

c) Verlangt wird sodann ein schutzwürdiges Interesse, d.h. ein Interesse, das in der positiven Rechtsordnung ausdrücklich oder implizite Anerkennung gefunden hat; das Interesse muss sich in das Gerüst der Grundprinzipien unserer positiven Rechtsordnung einfügen, so dass es vom Richter anerkannt zu werden verdient, selbst wenn es noch nicht durch Gesetz oder Verordnung ausdrücklich und differenziert anerkannt sein sollte (Saladin, a.a.O., S. 183). Dem schutzwürdigen Interesse kommt eine ganz besondere Bedeutung zu, wenn ein Dritter (z.B. ein Einsprecher im Bauverfahren) den Entscheid anficht. Ist auch in einem solchen Fall ein unmittelbares «Berührt-Sein», eine spezifische Beziehungsnähe gegeben, so ergibt dies zugleich ein ausreichendes schutzwürdiges Interesse daran, dass der angefochtene Entscheid aufgehoben oder geändert wird. Dieses Interesse besteht im praktischen Nutzen, den die erfolgreiche Beschwerde dem Beschwerdeführer eintragen würde, das heisst in der Abwendung eines materiellen oder ideellen Nachteils, den der angefochtene Entscheid für ihn zur Folge hätte (BGE 116 Ib 324).

3. In Bausachen wird in aller Regel mit Bezug auf das Element des «Berührt-Seins» auf die räumliche Distanz des Einsprechers zum geplanten Bauwerk abgestellt. Diese beträgt vorliegend für die Beschwerdeführer 420 beziehungsweise 430 m zur geplanten Antennenanlage. Bei einer solchen räumlichen Distanz wird üblicherweise das Kriterium des besonderen «Berührt-Seins» verneint. Vorliegend geht es jedoch ausschliesslich um befürchtete gesundheitliche Auswirkungen von nichtionisierenden Strahlen, welche von der geplanten Antennenanlage ausgehen, weshalb für die Frage des «Berührt-Seins» auf die allfällig anfallende zusätzliche Strahlenbelastung abzustellen ist.

a) Immissionen aus elektronischer Strahlung gibt es heute auf fast jedem Grundstück in der Schweiz, was weder vermeidbar noch verboten ist. Unzulässig sind aber übermässige Immissionen, welche zu schädlichen oder lästigen Einwirkungen führen können. Art. 13 Abs. 1 USG hat daher den Bundesrat beauftragt, unter anderem auch für Immissionen durch elektronische Strahlungen in einer Verordnung Immissionsgrenzwerte festzulegen. Der Bundesrat ist diesem Gesetzesauftrag nachgekommen, indem er die Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung erlassen hat, welche auf den 1. Februar 2000 in Kraft gesetzt worden ist. Namentlich im Bereich des Umweltschutzes gilt das Prinzip, dass im Bewilligungsverfahren auf dasjenige Recht abzustellen ist, welches im Zeitpunkt der Erteilung der Bewilligung beziehungsweise der Beurteilung durch eine Rechtsmittelinstanz Gültigkeit besitzt (vgl. Rhinow/Krähenmann, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Basel und Frankfurt a.M. 1990, Nr. 15 B II. a). Somit ist grundsätzlich die Anwendbarkeit dieser Verordnung zu bejahen; die Beschwerdeführer machen allerdings geltend, die NISV sei gesetzes-, verfassungs- und menschenrechtswidrig. Aus der Eingabe von A lässt sich entnehmen, dass die Beschwerdeführer offensichtlich die vom Bundesrat angesetzten Grenzwerte für viel zu hoch halten und der Auffassung sind, ein ausreichender Schutz sei durch das Ansetzen dieser Grenzwerte nicht verwirklicht worden.
Der Anlagegrenzwert für die Antenne, welche die X AG aufstellen will, beträgt gemäss Anhang I Ziff. 6.4 NISV 6,0 Volt pro Meter (V/m). Auf dem Grundstück der Beschwerdeführer wird ein Wert von I=0,009 erreicht, was letztlich einer Feldstärke von 0,525 V/m entspricht. Diese Feldstärke beträgt 9% des für die geplante Anlage zulässigen Höchstwertes und 9 Promille des in der Schweiz geltenden absoluten Höchstwertes von 60 V/m. Die Feldstärke liegt auch noch tiefer als der Vorsorgewert für das Land Salzburg, den die Beschwerdeführer als tiefsten, ihnen überhaupt bekannten Vorsorgewert bezeichnen. Somit liegt die Belastung bei den Liegenschaften der Beschwerdeführer weit unter dem in der Schweiz zulässigen Höchstgrenzwert. Unter diesen Umständen kann von einer besonderen Betroffenheit der Beschwerdeführer nicht mehr gesprochen werden (vgl. zum Ganzen: Walter, «Baubewilligung für Mobilfunkantennen; bundesrechtliche Grundlagen und ausgewählte Fragen»in Baurecht, 1/2000, S. 3 ff.). Dementsprechend mangelt es den Beschwerdeführern an der Legitimation, weshalb auf die Beschwerde nicht eingetreten werden kann.

Entscheid vom 24. Mai 2000

Präzisierung der Rechtsprechung zur Berechtigung für ein Rechtsmittel gegen Mobilfunkantennen: Bei einer Feldstärke von 20% des zulässigen Anlagegrenzwertes kann gerade noch von einem schutzwürdigen Interesse gesprochen werden.

Aus den Erwägungen:

Der Anlagegrenzwert der Antenne, welche die C aufstellen will, beträgt gemäss Anhang 1 Ziff. 64 NISV 5.0 V/m. Auf den Grundstücken der Beschwerdeführer R und G wird unbestrittenermassen ein Immissionswert (Berechnungswert) von 1.0 V/m (Haus R) beziehungsweise 1.3 V/m (Haus G) erreicht. Diese Feldstärke beträgt 20% beziehungsweise 26% des für die Anlage zulässigen Anlagegrenzwertes. Die Berechtigung zur Rechtsmittelerhebung ist zweifellos dann gegeben, wenn die Belastung nach den Gesuchsangaben den Anlagegrenzwert erreicht oder überschreitet. Liegt die Belastung krass unterhalb der Anlagegrenzwerte, so fehlt die Legitimation. Im Zwischenbereich hingegen kann die Rechtsmittelberechtigung zuerkannt werden. Hier kann ein schutzwürdiges Interesse daran bestehen, die technischen Daten des Betriebes der Anlage zu hinterfragen und hier könnte die Belastung bei einer allfälligen späteren Erweiterung der Anlage signifikant zunehmen (vgl. Baurecht 2000, S. 9). Wo dieser Zwischenbereich genau anfängt, kann nicht allgemein gesagt werden. In einem Fall, bei dem eine Belastung von 9% des Anlagegrenzwertes errechnet worden war, hat das Verwaltungsgericht aufgrund eines Vergleiches mit Feldstärken von PC-Bildschirmen, Glühlampen usw. den Beschwerdeführern die Rechtsmittelberechtigung abgesprochen (vgl. vorstehende Ausführungen). Im vorliegenden Fall mit Feldstärken von 20/26% des Anlagegrenzwertes kann gerade noch von einem schutzwürdigen Interesse im Sinne von § 44 Ziff. 1 VRG gesprochen werden.

Entscheid vom 13. September 2000

Gegen den materiellen Inhalt dieses Entscheides haben R und G Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht erhoben.

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