Skip to main content

TVR 2001 Nr. 14

Ergänzende Vermögenssteuer


§ 50 Abs. 1 StG


1. Die ordentliche Neuschätzung einer Liegenschaft vermag eine ergänzende Vermögenssteuer nicht auszulösen (E. 2b).

2. Wird eine Liegenschaft in der Bauzone statt wie bisher zum Ertragswert rechtskräftig neu zum Verkehrswert besteuert und dauert die landwirtschaftliche Nutzung weiter an, so kann im Nachhinein eine ergänzende Vermögenssteuer nicht mehr erhoben werden (E. 2c).


A ist Eigentümer der in der Bauzone liegenden Parzelle Nr. 189 in N. Bisher war die ganze Parzelle mit einem Ertragswert von Fr. 2 000.– versteuert worden, welcher sich auf Grund der letzten ordentlichen Schätzung vom 8. Oktober 1982 ergeben hatte. Im Zuge der ordentlichen Neuschätzung gemäss § 3 SchäV wurde ein Anteil von 10 000 m2 mit Fr. 200.– pro m2 veranschlagt. Am 25. September 2000 wurde die Verkehrswertschätzung eröffnet, welche unter Berücksichtigung von weiteren Faktoren einen Gesamtwert von Fr. 2 009 000.– ergab. Diese Steuerschätzung erwuchs in Rechtskraft. In der Folge erhob die Steuerverwaltung beim Parzelleneigentümer mit Verfügung vom 24. November 2000 eine ergänzende Vermögenssteuer von Fr. 16 796.25. Dagegen erhob A Einsprache, welche abgewiesen wurde. Begründet wurde der Einspracheentscheid im Wesentlichen damit, im Zusammenhang mit der Neuschätzung sei eine Bewertung zum Verkehrswert erfolgt. Damit habe eine Umnutzung betreffend Zonenart stattgefunden. Die Umnutzung bestätige, dass das Land der bisherigen landwirtschaftlichen Bewirtschaftung (betreffend Zonenart) entfremdet worden und somit gemäss § 50 Abs. 1 StG eine ergänzende Vermögenssteuer zu erheben sei.
Gegen diesen Entscheid erhob A Rekurs bei der Steuerrekurskommission, welche abwies. Ausgeführt wurde im Entscheid unter anderem, in konstanter Praxis habe die Steuerverwaltung zu Recht entschieden, dass mit der Neuschätzung zum Verkehrswert eine Zweckentfremdung beziehungsweise Umnutzung des fraglichen Grundstücks im Sinne von § 50 Abs. 1 StG eingetreten sei. A erhebt Beschwerde beim Verwaltungsgericht, das gutheisst.

Aus den Erwägungen:

2. a) § 50 StG lautet wie folgt: «Wird eine Liegenschaft, die zum Ertragswert bewertet worden ist, ganz oder zum Teil veräussert oder der bisherigen land- und forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung entfremdet, wird auf diesen Zeitpunkt vom bisherigen Eigentümer eine ergänzende Vermögenssteuer erhoben. Die ergänzende Vermögenssteuer wird in einem besonderen, vom ordentlichen Einschätzungsverfahren unabhängigen Verfahren festgesetzt. Der Betrag der ergänzenden Vermögenssteuer wird in den Fällen von § 44 Abs. 2 veranlagt. Die Fälligkeit tritt erst bei der Veräusserung des Grundstücks ein. Mit der Veräusserung beginnt die Bezugsverjährung.»

b) Die Vorinstanz gelangte zur Auffassung, durch die steuerrechtliche Neueinschätzung zum Verkehrswert anstelle des bisher geltenden Ertragswerts sei die Parzelle des Beschwerdeführers der bisherigen land- und forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung entfremdet und einer neuen Bewirtschaftung zugeführt worden. Dies erfülle den Tatbestand von § 50 Abs. 1 StG, weshalb eine ergänzende Vermögenssteuer zu erheben sei. Dieser Auffassung kann jedoch nicht gefolgt werden. Steuerbegründende Tatbestände zur Erhebung einer ergänzenden Vermögenssteuer sind entweder die ganze oder teilweise Veräusserung der Liegenschaft oder eine neue Bewirtschaftungsart anstelle der bisherigen land-oder forstwirtschaftlichen. Allein schon aus dem Gesetzeswortlaut wird ersichtlich, dass grundsätzlich ein «aktives Tun» auf Seiten des Eigentümers verlangt wird, damit der Steuertatbestand ausgelöst wird. Allenfalls könnte man durch Auslegung zum Schluss gelangen, dass der Tatbestand auch noch bei einer Einzonung gegeben wäre. Sicher aber kann eine (periodische) Steuerneuschätzung nicht als «Entfremden von der bisherigen land- und forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung und Zuführen zu einer neuen Bewirtschaftung» bezeichnet werden. Aus den Materialien zum StG wird zudem ersichtlich, dass gerade das Abstellen der Fälligkeit der ergänzenden Vermögenssteuer auf die Neuschätzung als unzulässig erachtet wurde (vgl. Kommission zur Vorberatung der Totalrevision des Gesetzes über die Staats- und Gemeindesteuern vom 9. Juli 1964 sowie der beiden SP-Volksinitiativen, Protokoll der 18. Sitzung, Votum Eberle, S. 282). Wie bereits die vorberatende Kommission, gelangt auch das Gericht zur Auffassung, dass nicht auf den Zeitpunkt der Neuschätzung abgestellt werden darf, weil dieser Zeitpunkt im Prinzip völlig willkürlich gewählt ist. Dementsprechend ist als Zwischenergebnis festzuhalten, dass eine Neuschätzung im Sinne von § 3 SchäV den Tatbestand von § 50 Abs. 1 StG nicht auslösen kann.

c) Der Beschwerdeführer beziehungsweise sein Rechtsvorgänger ist seit über 20 Jahren Eigentümer der Parzelle Nr. 189 in N. Die Parzelle wurde letztmals im Jahre 1982 ordentlich eingeschätzt. Zum damaligen Zeitpunkt und bis zum 31. Dezember 1992 galt das Gesetz über die Staats- und Gemeindesteuern vom 9. Juli 1964 (aStG). Wenn die Parzelle des Beschwerdeführers nicht bereits damals in der Bauzone lag, so wurde sie dieser sicher vor Inkrafttreten des StG zugeteilt. Die Nutzungsart (landwirtschaftliche Nutzung) blieb aber bis heute dieselbe. § 27 aStG bestimmte, dass Liegenschaften, die vorwiegend land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen und deren Wert im Wesentlichen durch diese Nutzungsart bestimmt wird, für die Vermögenssteuer zum Ertragswert bewertet werden. Konkret bedeutete dies, dass selbst eingezontes Bauland für die Steuerbemessung nur zum Ertragswert angerechnet wurde, solange es landwirtschaftlichen Zwecken diente. Dies im Gegensatz zum heute geltenden § 44 StG. Erst bei dauernder Entfremdung von der bisherigen Bewirtschaftung konnte unter dem aStG eine ergänzende Vermögenssteuer erhoben werden (§ 27bis Abs. 1 aStG). Maute (Kommentar zum Gesetz über die Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Thurgau, Frauenfeld 1991, 2. Aufl., § 27bis, N. 1) führt hierzu aus: «Eine Zweckentfremdung entsteht beispielsweise durch Bau von nicht landwirtschaftlich genutzten Gebäuden oder Nutzung des Grundstücks als Lagerbeziehungsweise Werkplatz sowie zur Kiesausbeutung, nicht dagegen bei Verpachtung, wenn eine weitere landwirtschaftliche Nutzung erfolgt.»
Aus dem soeben Dargestellten ergibt sich, dass die Parzelle des Beschwerdeführers bis zum 31. Dezember 1992 zum Ertragswert zu bewerten war. Die zitierte Kommentarstelle offenbart, dass die Umzonung von der Landwirtschafts- in eine Bauzone unter altem Recht keinen Tatbestand darstellte, der eine ergänzende Vermögenssteuer auszulösen vermochte, solange das Land weiterhin landwirtschaftlichen Zwecken diente. Mit der Revision der Steuergesetzgebung wurden dann allerdings die Fälle, in denen in der Bauzone liegendes Land nach wie vor zum Ertragswert besteuert werden konnte, gegenüber dem bisherigen Recht wesentlich eingeschränkt. Grundstücke im Baugebiet werden nach geltendem Recht (seit 1. Januar 1993) nur noch dann zum Ertragswert bewertet, wenn sie Bestandteil eines gesamthaft existenzfähigen Betriebs sind, der vom Eigentümer oder Nutzniesser hauptberuflich selbst bewirtschaftet wird, oder wenn ein existenzfähiger Betrieb gesamthaft verpachtet und hauptberuflich als Einheit bewirtschaftet wird (§ 44 Abs. 2 StG). War nun ein Grundstück über den 31. Dezember 1992 hinaus der Landwirtschaftszone zugewiesen und wurde es erst später durch Einzonung zu Bauland, so stellt beziehungsweise stellte dies insofern kein Problem dar, als § 5 Ziff. 2 der SchäV bestimmt, dass in diesen Fällen von Amtes wegen eine Zwischenschätzung vorgenommen werden muss. Diese in die SchäV neu eingeführte Bestimmung, welche in der Schätzungsverordnung vom 4. März 1981 noch nicht enthalten war, hat zur Folge, dass die Anzahl der Fälle, in denen eine ergänzende Vermögenssteuer zu erheben ist, gegenüber früher bedeutend geringer geworden ist, weil neu ab dem Zeitpunkt der Einzonung nun die Bewertung zum Verkehrswert zu erfolgen hat. Eine ergänzende Vermögenssteuer kommt im System des neuen (heute geltenden) Rechts nur noch in den Fällen von § 44 Abs. 2 StG in Frage. Ein Problem stellen die Fälle dar, in denen ein Grundstück bereits unter der Herrschaft des aStG der Bauzone zugeteilt war, jedoch weiterhin landwirtschaftlich genutzt wurde. Sofern ein solches Grundstück bisher keine Neueinschätzung zum Verkehrswert erfuhr, jedoch einer baulichen Nutzung zugeführt wurde, kann beziehungsweise konnte auch in diesen Fällen eine ergänzende Vermögenssteuer erhoben werden. Für Fälle wie den vorliegenden aber, in denen die landwirtschaftliche Nutzung fortgesetzt wird und eine Neubewertung der Liegenschaft zum Verkehrswert erfolgt, ist die Erhebung einer ergänzenden Vermögenssteuer im Gesetz nicht vorgesehen. Steuersystematisch würde die richtige Lösung darin liegen, dass in dem Moment, in dem der Eigentümer seine Liegenschaft einer anderen Nutzung zuführt, die ergänzende Vermögenssteuer erhoben wird, jedoch nur für die Zeit der maximalen Erhebungsdauer von 15 Jahren (vgl. § 52 Abs. 1 StG), für die das Grundstück noch nicht zum Verkehrswert besteuert wurde. Dies ist aber unmöglich, weil § 50 Abs. 1 StG ausdrücklich voraussetzt, dass die Steuer nur dann veranlagt werden darf, wenn eine Liegenschaft bisher zum Ertragswert bewertet worden ist. Dies trifft jedoch auf die Liegenschaft des Beschwerdeführers seit der Rechtskraft seines Neueinschätzungsentscheides nicht mehr zu. Auch ist es nicht möglich, den Fall des Beschwerdeführers durch Auslegung unter § 44 Abs. 2 StG zu subsummieren, da diese Gesetzesbestimmung sehr eng gefasst ist (vgl. TVR 2000, Nr. 21). Zudem ist die im Steuerrecht verstärkte Geltung des Legalitätsprinzips zu beachten. Es ist offensichtlich, dass im Rahmen der Schaffung des StG vergessen wurde, den vorliegenden Sachverhalt zu regeln. Sachverhalte, die nicht in den Anwendungsbereich einer Norm fallen, dürfen aber auch dann nicht besteuert beziehungsweise steuergünstig berücksichtigt werden, wenn der Gesetzgeber aus Unachtsamkeit oder Unkenntnis keine Steuerpflicht angeordnet hat. Eine analoge Anwendung von Steuerrechtsnormen auf Sachverhalte, welche gemäss einer alle relevanten Gesichtspunkte berücksichtigenden Gesetzesauslegung vom Steuergesetz nicht als steuerbare Tatbestände erfasst werden, ist nicht zulässig (Höhn/Waldburger, Steuerrecht, Bd. I, 9. Aufl., Bern 2001, § 5, N. 14). Folge davon ist, dass vom Beschwerdeführer, dessen Liegenschaft neu zum Verkehrswert besteuert wird, eine ergänzende Vermögenssteuer nicht mehr erhoben werden kann, weil ein steuerauslösendes Tatbestandselement (Verkauf oder Umnutzung) noch nicht eingetreten ist und ein anderes (bisherige Bewertung zum Ertragswert) durch die jetzt gültige Verkehrswertschätzung nicht mehr eintreten wird.

Entscheid vom 14. November 2001

JavaScript errors detected

Please note, these errors can depend on your browser setup.

If this problem persists, please contact our support.