TVR 2001 Nr. 22
Erschliessungsbeiträge für bereits teilweise erschlossene Grundstücke
Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts zur «Winkelhalbierenden» kann auch bei Grundstücken herangezogen werden, bei denen nicht eine zweite Erschliessung erfolgt, sondern die bestehende Erschliessung verlängert wird.
Die Beschwerdeführerin 1 ist Eigentümerin der unüberbauten Parzelle Nr. 63. Gegenüber der sich dazwischen befindlichen Strasse liegt die teilweise überbaute Parzelle Nr. 15 der Beschwerdeführerin 2. Auf Grund eines Gesuches zur Überbauung der südlich an die Parzelle Nr. 15 angrenzenden Parzelle Nr. 16 wurde eine Umwandlung eines Teils dieser Parzelle von der Reservebauzone in die definitive Bauzone und die Erschliessung des Areals nötig. Die Pläne für die Weiterführung der Strasse lagen vom 15. Mai bis 13. Juni 2000 öffentlich auf. Gleichzeitig lagen auch die Kostenverteiler für die verschiedenen Erschliessungsanlagen (Strasse, Kanalisation, Wasser und Elektrizität) auf. Während der Auflage erhoben die Eigentümer der Parzellen Nrn. 15 und 63 Einsprache bei der Gemeindebehörde. Diese wies ab, ebenso das DBU auf Rekurs hin. Das Verwaltungsgericht weist grösstenteils ab.
Aus den Erwägungen:
2. a) Gemäss § 47 Abs. 1 PBG haben die Gemeinden Beiträge gemäss § 52 und Gebühren gemäss § 59 zu erheben. Dabei sind die Bemessungsfaktoren für die Beiträge in einem Reglement zu ordnen (§ 47 Abs. 2 PBG). (...)
Art. 13 Abs. 1 des Reglements über Erschliessungsbeiträge, Gebühren und Tarife der Gemeinde C legt fest, dass die Beiträge nach festen Ansätzen pro Quadratmeter erschlossene Grundstücksfläche auf die Grundeigentümer verteilt werden, abgestuft je nach Erschliessungsgrad (zum Beispiel direkte oder indirekte Erschliessung) und Erschliessungsbedürftigkeit (zum Beispiel bereits vorhandene einseitige Erschliessung). Dementsprechend ist auch verfahren worden, was nicht bestritten wird.
Gemäss § 55 PBG kann Einsprache erhoben werden gegen den Ausschluss oder den Einbezug von Grundstücken in den Kostenverteiler, die Beitragspflicht als solche, die prozentuale Überwälzung der Gesamtkosten und die Höhe des Beitrages.
Diese Einsprachegründe können alsdann zu Rekurs- beziehungsweise Beschwerdegründen erhoben werden. Vom Antrag her richtet sich die vorliegende Beschwerde allein gegen die «Beitragspflicht als solche».
b) Umstritten ist vorab, ob die Grundstücke Nr. 15 und Nr. 63 einen «besonderen Vorteil» durch den «Bau, Ausbau oder die Korrektion der Erschliessungsanlagen» erfahren. (...)
aa) Die Beschwerdeführerinnen 1 und 2 bringen vor, die Parzellen Nrn. 15 und 63 seien seit 35 Jahren voll erschlossen. So habe die Strasse im Bereich der betreffenden Parzellen nicht den geringsten Ausbau erfahren. Die bisherigen Werkleitungen hätten seit über drei Jahrzehnten ihren Dienst voll versehen. Im Bereich ihrer Grundstücke sei kein Ausbau der Erschliessungsanlagen erfolgt. Wenn die Strasse mit einem neuen Belag versehen und die alten Werkleitungen ersetzt worden seien, sei dies reiner Unterhalt, der zulasten der Gemeinde gehe. (...)
Die Gemeinde entgegnet, die Grundstücke beziehungsweise deren Eigentümer nur soweit zu Erschliessungsbeiträgen herangezogen zu haben, als sie durch die früheren Anlagen nicht bereits erschlossen gewesen seien. Die bestehenden Erschliessungsanlagen hätten an unterschiedlichen Punkten geendet. Ab diesen Endpunkten seien dann die entsprechenden Grundstücksflächen mit Beiträgen belegt worden. Ab diesen Endpunkten handle es sich um erstmalige Erschliessungen des entsprechenden Arealteils.
bb) Die Beschwerdeführerinnen bestreiten das nicht grundsätzlich. Der Zustand präsentierte sich vor der Erschliessung wie folgt:
Strasse: Bis etwa 2/3 der Kurve war die Strasse voll ausgebaut (mit Randabschlüssen). Anschliessend war sie wenige Meter mit einem Belag versehen und alsdann als «Flurstrasse» (chaussiert) weitergeführt. Kanalisation: Das Schleuderbetonrohr (SBR), Nennwert 250, endete beim Kontrollschacht C 23 (ca. 30 m westlich des Hausanschlusses der Beschwerdeführerin 2). Wasser und Elektrizität: Diese Leitungen endeten auf der Höhe des Hauses der Beschwerdeführerin 2, das daran angeschlossen ist.
Ab diesen Endpunkten wurden die Erschliessungsanlagen gewissermassen verlängert: Strasse: 5 m breiter Vollausbau mit Doppelbund/Einfachstein Granit, 35 cm Kiesschicht, 7 cm Heissmischtragschicht und Abriebschicht. Kanalisation: Verlängerung mit SBR 250 bis in die neue Stichstrasse. Wasser und Elektrizität: Verlängerung Wasser mit Nennwert 125 bis und mit neue Stichstrasse; Neueinzug stärkerer Elektrizitätsleitungen ab Haldenstrasse und Verlängerung bis und mit neue Stichstrasse.
cc) Daraus ergibt sich ohne weiteres, dass ab den genannten Endpunkten von einer Neuerschliessung dieses Arealbereichs gesprochen werden kann, mithin von einem «Bau» einer Erschliessungsanlage im Sinne von § 52 Abs. 1 PGB. Es fragt sich deshalb vorab, ob diese Endpunkte als Ausgang für die verschiedenen Perimeter dienen können. Das ist vom Grundsatz her durchaus richtig. Allerdings befinden sich diese Endpunkte nicht am Ende der hier zur Diskussion stehenden Grundstücke, was zu Recht die Frage aufwirft, ob nicht von bereits erschlossenen Grundstücken auszugehen ist.
c) Die hier zur Diskussion stehende Situation ist vergleichbar mit «Eckgrundstücken», die schon bisher einseitig erschlossen waren und neu eine weitere Erschliessung erfahren. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts geht dahin, dass ein bereits einseitig erschlossenes Grundstück durch den Bau einer zweiten Erschliessungsstrasse nicht unbedingt einen weiteren Sondervorteil erfährt. Ob eine erneute Belastung zulässig ist, hängt einerseits von der bestehenden internen Erschliessung ab und andererseits davon, ob der Grundeigentümer mit einer weiteren Belastung rechnen musste (vgl. TVR 1991 Nr. 24). Diese Rechtsprechung zur «Winkelhalbierenden» kann auch auf den vorliegenden Fall angewandt werden.
aa) Das Grundstück Nr. 63 der Beschwerdeführerin 1 ist unüberbaut. Deshalb bestehen weder interne Erschliessungen (für Hauszufahrt, Kanalisation, Wasser und Elektrizität), noch hatte die Grundeigentümerin je begründeten Anlass, nicht mit Beiträgen für die genannten Erschliessungen zu rechnen. Dennoch kann bezüglich der Kanalisation kein weiterer Sondervorteil ausgemacht werden, liegt doch der Kontrollschacht C 23 nur rund 4 m vor dem Ende des ca. 60 m langen Anstosses dieser Parzelle an die Strasse. Die Verlängerung der Kanalisation bewirkt mithin keine Anschlussverbesserung (vgl. Art. 19 Abs. 1 RPG, [«Land ist erschlossen, wenn ... die ... Leitungen so nahe heranführen, dass ein Anschluss ohne erheblichen Aufwand möglich ist.»]. Damit ist die Beschwerde diesbezüglich gutzuheissen. Der Beitrag von Fr. 981.– kann demnach nicht erhoben werden. Damit kann die Frage offen gelassen werden, ob die Entwässerung nur mit Pumpe möglich sein soll. Beim Wasser und bei der Elektrizität ist allerdings in dem Sinne eine wesentliche Verbesserung der Erschliessung eingetreten, als nun auf der ganzen Länge angeschlossen werden kann und nun auch die nötige Kapazität eingelegt worden ist. Dieser Vorteil ist auch jederzeit realisierbar. Die Belastung mit Beiträgen für Wasser und Elektrizität ist demnach nicht zu beanstanden.
bb) Beim Grundstück Nr. 15 der Beschwerdeführerin 2, das teilweise überbaut ist, kann bei allen zur Diskussion stehenden Erschliessungsanlagen von einer wesentlichen Verbesserung der Situation für den westlichen Parzellenteil ausgegangen werden, die einen Sondervorteil bewirkt. Auf der westlichen Parzellenhälfte kann nämlich ohne weiteres (...) eine zweite Baute realisiert werden, für die die Verlängerungen der Erschliessungsanlagen bei allein massgebender objektiver Betrachtung einen Vorteil bewirken. Die gegenwärtige Grundeigentümerin mag zwar im Moment nicht daran denken, diesen Parzellenteil je baulich zu nutzen; dessen Überbauung mit Anschluss an die Verlängerungen der Erschliessungsanlagen liegt aber durchaus im Rahmen des Möglichen (was auch die Beschwerdeführerin 2 nicht bestreitet), weshalb die Beitragspflicht grundsätzlich zu Recht auferlegt worden ist. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin 2 handelt es sich beim Strassenausbau nicht einfach um eine «Befestigung einer Naturstrasse», sondern um einen eigentlichen Neubau. Der Beitragspflicht bezüglich Kanalisation steht auch nicht die Behauptung entgegen, ein Anschluss sei dort wegen des höheren Niveaus ohnehin nicht möglich. Aus den Bauplänen Ausbau Strasse, Neubau Kanalisation, Querprofil und Längenprofil geht hervor, dass der Kanal im Kurvenbereich auf rund 2.5 m Tiefe liegt, so dass ein Anschluss selbst eines Kellergeschosses ohne Pumpe möglich sein sollte. (...)
Entscheid vom 12. September 2001
Die hiegegen erhobene staatsrechtliche Beschwerde wurde vom Bundesgericht mit Urteil vom 7. Februar 2002 abgewiesen.