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TVR 2001 Nr. 28

Ungleichbehandlung der Anbieter


§ 38 Abs. 1 aVöB


Es verstösst gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, wenn in einem Submissionsverfahren Zuschlagskriterien zur Anwendung gelangen, bei denen von vornherein feststeht, dass nur ein Anbieter sie optimal erfüllen kann.


Die Politische Gemeinde C (nachfolgend: PG C) hat sich dazu entschlossen, ihre Katastervermessung auf den Standard der «Amtlichen Vermessung 93» zu bringen. Dazu wurden in enger Zusammenarbeit mit dem Vermessungsamt die Offertunterlagen erstellt und hernach sechs Geometer-/Vermessungsbüros, darunter die P AG, sowie der langjährige Nachführungsgeometer, die I AG, im Einladungsverfahren ersucht, eine Offerte einzureichen. Die Erstgenannte offerierte zum Preis von Fr. 190 000.–, die Zweitgenannte zum Preis von 204 712.– Die PG C teilte der P AG mit, auf Grund des durchgeführten offenen Einladungsverfahrens seien Offerten von Fr. 190 000.– bis Fr. 310 000.– eingegangen. Der Gemeinderat habe beschlossen, dem wirtschaftlich günstigsten Angebot den Zuschlag zu geben. Auf Grund der Gewichtung des Kriterienkataloges durch das Vermessungsamt sei der Zuschlag an die I AG erteilt worden, welche die höchste Punktzahl erreicht habe. Gegen diesen Entscheid erhob die P AG Beschwerde. In seiner Stellungnahme erklärte der Gemeinderat, er sei vollumfänglich den Ausführungen des Vermessungsamtes gefolgt, welches das wirtschaftlich günstigste Angebot ermittelt habe. Dementsprechend wurde das kantonale Vermessungsamt aufgefordert, zur Beschwerde Stellung zu nehmen. Das Verwaltungsgericht heisst die Beschwerde im Wesentlichen gut.

Aus den Erwägungen:

2. a) Laut § 38 Abs. 1 VöB hat das wirtschaftlich günstigste Angebot den Zuschlag zu erhalten. Dieses wird ermittelt, indem verschiedene Kriterien berücksichtigt werden, insbesondere Termin, Qualität, Preis, Wirtschaftlichkeit, Betriebskosten, Kundendienst, Zweckmässigkeit der Leistung, Ästhetik, Umweltverträglichkeit, technischer Wert. Mit Bezug auf die Auswahl der Zuschlagskriterien sind die Gemeinden grundsätzlich in ihrem Ermessen frei (TVR 1999 Nr. 25 E. 2b). Bei der Auswahl dieser Kriterien ist lediglich darauf zu achten, dass das Gleichbehandlungsprinzip und das Diskriminierungsverbot eingehalten werden. Auch darf die Auswahl der Kriterien nicht zu einem versteckten Protektionismus führen (Lang in Michel/Zäch, Submissionswesen im Binnenmarkt der Schweiz, Zürich 1998, S. 37). Im Submissionsverfahren, das vom Prinzip der Chancengleichheit beherrscht wird, kommt dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Bewerber eine zentrale Bedeutung zu (BR 2/99, S. 56 Nr. S 10). Der Grundsatz der Gleichbehandlung bedeutet im Beschaffungsrecht, dass keinem Anbieter Nachteile auferlegt werden dürfen, die für andere Anbieter nicht gelten, und dass keinem Anbieter Vorteile gewährt werden dürfen, die anderen Anbietern verwehrt sind (Galli/Lehmann/Rechsteiner, Das öffentliche Beschaffungswesen in der Schweiz, Zürich 1996, S. 61 N. 194).

b) Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Bewertung der von ihr eingereichten Offerte habe von vornherein keine Chance gehabt, da von Anfang an festgestanden habe, dass nur der Nachführungsgeometer die Kriterien «Qualitätssicherung/Investitionsschutz» und «Arbeitsabläufe mit Einfluss auf Dritte» habe vollumfänglich erfüllen können. Der vom Vermessungsamt eingereichten Beurteilungsmatrix kann entnommen werden, dass die Beschwerdeführerin in der Bewertung eine Punktzahl von 176 erreichte, währenddem die obsiegende I AG mit 188 Punkten bewertet wurde. Die Differenz ergibt sich daraus, dass die Beschwerdeführerin zwar für den niedrigsten Preis mit 56 Punkten und damit mit 8 Punkten mehr als die I AG bewertet wurde, für die Kriterien «Qualitätssicherung/Investitionsschutz» erhielt die I AG jedoch 15 Punkte und für das Kriterium «Arbeitsabläufe mit Einfluss auf Dritte» 5 Punkte mehr. Im Übrigen wurden die beiden Bewerber durchwegs gleich beurteilt.
Das Vermessungsamt bestreitet in seinen beiden Eingaben den Vorwurf der Beschwerdeführerin, nur der Nachführungsgeometer habe hier die optimale Punktzahl erreichen können, nicht. Es führt aber zur Begründung aus, dass bei der Qualitätssicherung erfahrungsgemäss der Nachführungsgeometer erheblich grössere Gewähr für eine gute Ausführung biete. Die Beschwerdeführerin bestreitet dies und bringt vor, gerade die Kriterien zur Qualität müssten eben Aufschluss über diese Fragestellung geben.
Es geht zweifelsfrei nicht an, dass einem Bewerber durch Auswahl von Zuschlagskriterien, die grundsätzlich nur von ihm vollumfänglich erfüllt werden können, bei der Bewertung der Offerte ein Vorteil entsteht. Will ein Auftraggeber die Qualität eines Werkes sicherstellen, so kann er dies tun, indem im Werksbeschrieb entsprechende Anforderungen gestellt werden. Der Auftraggeber hat zudem das Recht, das Werk erst abzunehmen, wenn entsprechende Qualitätsprüfungen stattgefunden haben. Zur Prüfung der Werke kann er auch Fachpersonen beiziehen. Er kann sich zudem vorbehalten, dass die Vergütung des Werkes erst mit der Abnahme geschuldet ist. Es geht aber nicht an, von vornherein anzunehmen, nur der Nachführungsgeometer leiste optimale Gewähr für eine qualitativ hochstehende Arbeit.
Das Vermessungsamt macht weiter geltend, dass verschiedene Gegebenheiten, die vom Nachführungsgeometer in Bezug auf den Investitionsschutz am sichersten beurteilt werden könnten, eine besondere Rolle spielten. So sei etwa darauf hinzuweisen, dass die ursprünglichen Feldmessungen handschriftlich in entsprechende Vordrucke und Pläne eingetragen seien. Die ursprünglichen Berechnungen seien in Büchern zusammengeheftet und es seien Spezialpläne wie zum Beispiel der Polygonnetzplan und die für die Anlage des Grundbuches notwendigen Register wie Flächen- und Eigentümerverzeichnisse erstellt worden. Diese Vielzahl von Akten seien ausserdem über Jahrzehnte nachgeführt worden. Dabei sei zu beachten, dass jeder Feldoperateur seine eigene Handschrift gehabt habe.
Mit diesen Ausführungen suggeriert das Vermessungsamt, die alten, vorwiegend noch handschriftlich aufgenommenen, mit zahlreichen Details angereicherten Vermessungsdaten könnten am ehesten noch vom Nachführungsgeometer gehandhabt werden. Einem damit nicht vertrauten Konkurrenten wird diese Fähigkeit weitgehend abgesprochen. Damit drohe die Gefahr, so das Vermessungsamt, dass bereits Bekanntes bei einer «ausstehenden» Neuvermessung zum Teil verloren gehe und nacherhoben werden müsse. Grundsätzlich dürfte zutreffen, dass der bisherige Nachführungsgeometer die von ihm erhobenen und dann verwalteten Daten gut kennt und mit allenfalls vorhandenen Lücken umgehen kann. Letztlich ist es aber seine Sache, dafür zu sorgen, dass diese Lücken geschlossen werden und seine Daten und Unterlagen so aufzuarbeiten, dass sie von Dritten ohne weiteres verarbeitet werden können. Vom Nachführungsgeometer, bei dem es sich selbst bei Auftragserteilung an ein Ingenieurbüro immer um die gleiche Person handeln dürfte, darf erwartet werden, dass er seine Daten effizient zugänglich macht, und sein «Handlings-Know-how» für Dritte zugänglich aufarbeitet. Das gebietet allein schon die Möglichkeit, dass es auch in einem Ingenieurbüro unter Umständen schnell zu einem personellen Wechsel kommen kann. Gerade der Investitionsschutz wäre schlecht gewährleistet, wenn die Daten im Bereich Vermessung/Nachführung so aufgearbeitet sind, dass sie für Dritte unzugänglich sind. Im Übrigen wäre zu erwarten gewesen, dass sich der «Know-how»-Vorsprung des Nachführungsgeometers zu Gunsten der Gemeinde auf einen tieferen Preis ausschlägt, was bei der Offerte der I AG gegenüber derjenigen der Beschwerdeführerin gerade nicht der Fall war.
Ähnliches ist auch zur erfolgten Bewertung des Kriteriums «Arbeitsablauf mit Einfluss auf Dritte» zu bemerken. Allein die Tatsache, dass sich für eine beschränkte Zeit neben dem Nachführungsgeometer ein Ingenieur mit der Katastererneuerung befassen würde, wirkt sich auf den Benützer, das heisst im Wesentlichen auf die Kunden der Vermessung (Grundeigentümer und Gemeinde), kaum nachteilig aus. Auch hier wäre im Übrigen zu erwarten gewesen, dass sich die Vorteile des Nachführungsgeometers auf Grund der Synergien, die sich mit Bezug auf die Katastererneuerung ergeben, auf den Preis niederschlagen.

c) Zusammengefasst bleibt somit festzustellen, dass für die von Seiten des Vermessungsamtes zugegebene Bevorteilung des bisherigen Nachführungsgeometers im Rahmen des Submissionswesens kein Raum bleibt. Die beabsichtigte Katastererneuerung ist nach den Regeln des öffentlichen Beschaffungsrechts durchzuführen. Es ist Sache des ausschreibenden Auftraggebers, für die Einhaltung dieser Regeln zu sorgen. Dies bedeutet, dass insbesondere im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem Nachführungsgeometer ein allfälliger Daten- und «Know-how»-Transfer für die Katastererneuerung sicherzustellen ist. Vorliegend erhielt jedoch der Nachführungsgeometer im Rahmen der Bewertung seiner Offerte eine ungerechtfertigte Bevorzugung, welche sich mit dem im Submissionswesen geltenden Grundsatz der Gleichbehandlung nicht verträgt. Dementsprechend ist der Entscheid des Gemeinderates aufzuheben und die Sache ist an ihn zur Neubeurteilung der Offerten im Sinne der Erwägungen zurückzuweisen. Dabei wird er insbesondere keinerlei Umstände berücksichtigen dürfen, die dem bisherigen Nachführungsgeometer auf Grund seines Amtes zum Vorteil gereichen.

Entscheid vom 4. Juli 2001

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