Skip to main content

TVR 2002 Nr. 2

Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung


Art. 4 ANAG


Die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung ist zulässig, wenn der Ausländer trotz hoher Schulden beträchtliche EL-Nachzahlungen für sich und seine Familie verwendet. Durch dieses Verhalten beweist der Ausländer, dass er nicht gewillt oder fähig ist, sich in die hier geltende Ordnung einzufügen.


Z arbeitete seit 1982 in der Schweiz und war seit 1985 im Besitze einer Jahresaufenthaltsbewilligung. 1988 kam seine Frau im Rahmen des Familiennachzugs in die Schweiz. 1990 kam eine Tochter und 1993 ein Sohn zur Welt. Per 31. Dezember 1992 kündigte Z seine damalige Arbeitsstelle und ging seither keiner Erwerbstätigkeit mehr nach. Ein erstes Gesuch um IV-Leistungen wurde mit Verfügung vom 6. Juni 1993 abgelehnt. 1995 erfolgte eine erneute IV-Anmeldung. Dieses Mal anerkannte die IV die Invalidität rückwirkend ab Juni 1993 zu 100%. Seit 1. Januar 1996 war Z beim Betreibungsamt R mit fünf Betreibungen über Fr. 39 715.45 und drei Verlustscheinen über Fr. 42 376.– verzeichnet. Am 16. Juni 1999 lehnte das Ausländeramt des Kantons Thurgau die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung von Z und seiner Familie ab. Es bestehe die konkrete Gefahr einer Fürsorgeabhängigkeit. Den dagegen erhobenen Rekurs wies das DJS ab. Z reichte daher beim Verwaltungsgericht Beschwerde ein, in welcher er geltend machte, die Begleichung der Schulden sei möglich, wenn ihm die beantragten Ergänzungsleistungen (EL) zugesprochen würden.
Am 21. Dezember 2001 entschied das Amt für AHV/IV, Z stünden EL-Nachzahlungen in der Höhe von Fr. 70 562.20 und monatliche Ergänzungsleistungen in der Höhe von Fr. 1729.– zu. In der Folge verlangte das Verwaltungsgericht von Z Aufschluss darüber, wie er die nachbezahlten Ergänzungsleistungen verwendet habe. Nach Eintreffen der Antwort weist das Verwaltungsgericht die Beschwerde ab.

Aus den Erwägungen:

2. a) Die Beschwerdeführer sind Inhaber einer Aufenthaltsbewilligung nach Art. 5 Abs. 1 ANAG. Einen rechtlichen Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung der Bewilligung durch gesetzliche Vorschrift oder Staatsvertrag haben sie nicht. Demnach haben die kantonalen Behörden über die Erneuerung der Aufenthaltsbewilligung nach «freiem Ermessen» zu befinden (Art. 4 ANAG; BGE 122 I 272). Die Rechtsstellung des Ausländers bei der Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung unterscheidet sich nicht wesentlich von derjenigen bei erstmaliger Erteilung. Aus einer früheren Bewilligung leitet sich insbesondere kein Recht auf Verlängerung ab. Die bisherige Anwesenheit mag zwar allenfalls unter materiellen Gesichtspunkten massgeblich sein, wobei im Hinblick auf die Ordnungsmässigkeit des Aufenthalts auch eine bisherige Bewilligung bedeutsam werden kann; Auswirkungen auf den Bestand eines Anspruchs auf Bewilligungserteilung ergeben sich dadurch aber nicht (BGE 120 Ib 20). Das freie Ermessen im Sinne von Art. 4 ANAG ist, wie jede staatliche Handlung, nicht nach Belieben wahrzunehmen, sondern pflichtgemäss, insbesondere unter Beachtung des Willkürverbots und des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit, auszuüben (BGE 122 I 272). Das geltende Ausländerrecht erwähnt den Grundsatz der Verhältnismässigkeit allein im Zusammenhang mit der Ausweisung gemäss Art. 10 ANAG, die nur verfügt werden soll, wenn sie nach den gesamten Umständen angemessen erscheint (Art. 11 Abs. 3 ANAG). Schon 1967 hat das Bundesgericht entschieden, die in diesem Artikel aufgestellten Richtlinien würden als Ausfluss eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes auch für den Widerruf der Aufenthaltsbewilligung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 lit. a und b ANAG gelten (BGE 93 I 10). Er ist auch bei der Nichterneuerung einer Aufenthaltsbewilligung gemäss Art. 4 ANAG zu beachten, wenn dieser die Wegweisung des Ausländers zur Folge hat (Kottusch, Das Ermessen der kantonalen Fremdenpolizei und seine Schranken, in: ZBl 91/1990 S. 168 ff.).

b) Das DJS fällte seinen Entscheid im Wesentlichen unter Hinweis auf Art. 10 Abs. 1 lit. b und d ANAG. Gemäss lit. b kann der Ausländer aus der Schweiz ausgewiesen werden, wenn sein Verhalten im Allgemeinen und seine Handlungen darauf schliessen lassen, dass er nicht gewillt oder nicht fähig ist, sich in die im Gaststaat geltende Ordnung einzufügen. Gemäss lit. d kann der Ausländer ausgewiesen werden, wenn er oder eine Person, für die er zu sorgen hat, der öffentlichen Wohltätigkeit fortgesetzt und in erheblichem Masse zur Last fällt. Gemäss Abs. 2 darf indessen letzterer Grund nur dann zur Ausweisung führen, wenn dem Ausgewiesenen die Heimkehr in seinen Heimatstaat möglich und zumutbar ist. Zudem soll nach Art. 11 Abs. 3 ANAG unnötige Härte vermieden werden. Die Ausweisung muss nach den gesamten Umständen als angemessen erscheinen.
Gemäss Art. 16 Abs. 2 ANAV erscheint die Ausweisung nach Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG insbesondere als begründet bei fortgesetzter böswilliger oder liederlicher Nichterfüllung der öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Verpflichtungen und bei sonstiger fortgesetzter Liederlichkeit oder Arbeitsscheu. Bei der Beurteilung der Angemessenheit (Art. 16 Abs. 3 ANAV) nach den gesamten Umständen sind namentlich die Schwere des Verschuldens, die Dauer der Anwesenheit in der Schweiz und die dem Ausgewiesenen und seiner Familie drohenden Nachteile wesentlich. Erscheint die Ausweisung nach Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG rechtlich begründet, aber nach den Umständen nicht angemessen, soll die Ausweisung lediglich angedroht werden.
Bei der Beurteilung der Nichterneuerung von Aufenthaltsbewilligungen ist nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung in Analogie zu Art. 11 Abs. 3 ANAG sowie Art. 16 Abs. 1 ANAV eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen beziehungsweise das Verhältnismässigkeitsprinzip zu berücksichtigen.

c) Auszugehen ist von den aktuellen Verhältnissen, wie sie sich nun nach Auszahlung der Nachzahlung für die Ergänzungsleistungen sowie die monatlichen Einkünfte darstellen.

aa) Das monatliche Budget für die Familie Z sieht wie folgt aus:

Grundbedarf I

Fr.

2160.00

Grundbedarf II

Fr.

100.00

Miete

Fr.

1045.00

Krankenkasse

Fr.

227.00

Krankenkasse Ehefrau

Fr.

195.50

Krankenkasse Kinder

Fr.

97.80

Total Ausgaben

Fr.

3825.30

IV-Rente

Fr.

3198.00

Ergänzungsleistungen

Fr.

1729.00

Total Einkünfte

Fr.

4927.00

Einnahmenüberschuss

Fr.

1101.70

bb) Per 31. Dezember 2001 wies die Gemeindefürsorge einen Negativsaldo von Fr. 4’081.30 aus. Dieser ist am 8. Januar 2002 der Gemeinde zurückerstattet worden, so dass das Konto ausgeglichen ist.

cc) Beim Beschwerdeführer bestehen, soweit dies aus den eingereichten Unterlagen überhaupt entnommen werden kann, folgende (belegte) Forderungen:

X Bank

Fr.

33'477.00

Steueramt

Fr.

858.70

S Treuhand

Fr.

599.90

D G

Fr.

4 612.80

C Krankenkasse

Fr.

1 022.90

Total

Fr.

40 571.30

Zu den einzelnen Forderungen sind folgende Bemerkungen zu machen: Die Schuld bei der C Krankenkasse ergibt sich aus dem Einspracheentscheid vom 18. April 2002.
Unerfindlich ist, wie der Beschwerdeführer im Schreiben vom 24. April 2002 dazu kommt, zu behaupten, die Forderungen der X Bank, der S Treuhand sowie von D G seien bestritten. Hierfür bestehen Verlustscheine. Auch die Forderung des Steueramtes ist zu berücksichtigen, besteht doch hierfür ebenfalls ein Verlustschein. Selbst wenn infolge der EL-Nachzahlungen diese Steuerforderung revidiert werden sollte (was nicht anzunehmen ist, da solche Einkünfte steuerfrei sind), so dürfte sie höchstens höher ausfallen, sicher aber nicht tiefer.
Für die Beschwerdeführerin werden zurzeit laufende Betreibungen von Fr. 1447.40 und Verlustscheine in der Höhe von Fr. 5045.75 ausgewiesen. Bei der A Krankenkasse bestehen Schulden in der Höhe von Fr. 1689.90. Genau lässt sich der Stand der Schulden auch hier nicht eruieren. Das Gericht hat mit dem Beweisbeschluss vom 20. März 2002 verlangt, es sei eine vollständige Auflistung der Schulden einzureichen. Dieser Aufforderung sind die Beschwerdeführer bis heute nicht nachgekommen. Insgesamt dürften sich die Schulden der Beschwerdeführer auf ca. Fr. 45 000.– (oder mehr) belaufen.

dd) Angesprochen darauf, wofür Z die EL-Nachzahlung von Fr. 70 562.20 verwendet habe, gab er bekannt, dass der Saldo auf dem Privatkonto noch Fr. 12.70 betrage. Den beiden Kindern hat er im Januar 2002 je Fr. 15 027.75 geschenkt. Zudem liegt eine Liste vor, aus der sich zusammengefasst unter anderem folgende Zahlungen ergeben: Anwalts- und Gerichtskosten Fr. 16 719.–; Unterstützung der Mutter in der Heimat Fr. 5000.–; Familienunterhalt Fr. 4000.– und Sozialhilferückerstattung Fr. 4081.–. Insgesamt sind dies rund Fr. 60 000.–. Was mit den restlichen Fr. 10 000.– geschehen ist, bleibt unklar. Ebenso ist darauf hinzuweisen, dass von den Forderungen, die der Beschwerdeführer beglichen haben will, lediglich die Rückerstattung der Sozialhilfe ausgewiesen ist. Bezüglich der Anwalts- und Gerichtskosten sind keinerlei Belege vorhanden, weder für den Bestand der Schuld, noch für deren Rückzahlung. Unklar ist auch, ob die Beträge an Einzelpersonen überhaupt eigene Anwalts- und Gerichtskosten betreffen oder ob damit fremde Schuldverpflichtungen übernommen wurden.

ee) Das Gericht hat verlangt, dass die geleisteten Rückzahlungen belegt werden. Dieser Aufforderung ist der Beschwerdeführer nur mit Bezug auf die Rückerstattung der Sozialhilfe sowie Fr. 1000.– für den eigenen Rechtsvertreter nachgekommen. Ansonsten führt der Beschwerdeführer lediglich behauptete Schulden auf, deren Rückzahlungen er ebenfalls lediglich behauptet. Unter diesen Umständen ist aber davon auszugehen, dass die behaupteten Schulden gar nie bestanden haben.

d) Noch in der Beschwerdeschrift vom 14. Februar 2000 liess der Beschwerdeführer sinngemäss ausführen, die Begleichung der aufgelaufenen Schulden sei ihm nicht möglich, da ihm die Ergänzungsleistungen zu Unrecht verweigert worden seien. In der Zwischenzeit sind dem Beschwerdeführer jedoch über Fr. 70 000.– an EL-Leistungen nachbezahlt worden. Dennoch hat er keinen ernsthaften Versuch unternommen, die bisher gemäss Betreibungsregisterauszug aufgelaufenen Schulden in der Höhe von über Fr. 40 000.– zu begleichen (ausgenommen das Sozialhilfekonto bei der Gemeinde). Nicht nur hat er das Geld für sich zurückbehalten, sondern er hat es sogar vorgezogen, es für sich und seine Familie zu verbrauchen (Schenkungen an seine Kinder, Unterstützung der Mutter in der Heimat, diverser Familienunterhalt). Jedenfalls ist sowohl beim Beschwerdeführer als auch bei der Beschwerdeführerin von den nachbezahlten Fr. 70 000.– praktisch nichts mehr vorhanden. Damit kann ohne weiteres gesagt werden, dass der Beschwerdeführer in liederlicher Weise seinen Schuldverpflichtungen nicht nachgekommen ist. Diesbezüglich hilft auch nicht der Verweis auf seine Krankheit. Für den Beschwerdeführer wäre es ein Leichtes gewesen, mit den EL-Nachzahlungen in der genannten Höhe endlich seine hier angehäuften Schulden zu begleichen. Entgegen dem Beweisbeschluss vom 20. März 2002 sind auch keine Abzahlungsvereinbarungen belegt, obwohl der Beschwerdeführer eine Schuldenregelung behauptet. Zu Recht ist daher die Vorinstanz davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer den Ausweisungsgrund von Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG erfüllt hat.

e) Ist ein Ausweisungsgrund erfüllt, so durfte das Ausländeramt zweifelsfrei die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung verweigern, sofern sich dies als verhältnismässig erweist. Zu Gunsten des Beschwerdeführers und seiner Familie spricht ihre lange Anwesenheitsdauer in der Schweiz. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass in aller Regel eine lange Anwesenheitsdauer auch ein Indiz für eine gewisse Integration darstellt. Dies kann vom Beschwerdeführer aber gerade nicht gesagt werden. Vielmehr lässt insbesondere das medizinische Gutachten der Murg-Stiftung, welches im Hinblick auf die Frage der auszurichtenden Ergänzungsleistungen erstellt wurde, keine Zweifel offen, dass sich weder der Beschwerdeführer noch seine Frau sozio-kulturell in der Schweiz integriert haben. Dies gilt teilweise auch für die Kinder, wie sich aus den Akten ergibt. Offensichtlich haben der Beschwerdeführer und seine Frau nach wie vor viel mehr kulturelle Bindungen nach Mazedonien als in der Schweiz. Eine Rückkehr dorthin ist ihnen daher ohne weiteres zumutbar. Einzig für die Kinder dürfte eine solche mit gewissen Schwierigkeiten verbunden sein, doch sind sie noch in einem Alter, in dem auch ihnen eine Rückkehr zumutbar ist. Auch unter finanziellen Gesichtspunkten ist die Rückkehr zumutbar, wird doch die Invalidenrente ins Ausland nachgezahlt. Der Entscheid der Vorinstanz, die Aufenthaltsbewilligung der Beschwerdeführer nicht mehr zu verlängern, erweist sich somit als verhältnis- und damit rechtmässig.

Entscheid vom 19. Juni 2002

Auf die gegen diesen Entscheid erhobene staatsrechtliche Beschwerde ist das Bundesgericht nicht eingetreten.

JavaScript errors detected

Please note, these errors can depend on your browser setup.

If this problem persists, please contact our support.