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TVR 2002 Nr. 21

Aufgabe des steuerrechtlichen Wohnsitzes


§ 7 StG


Die Wohnsitzaufgabe im Kanton Thurgau eines für ein hiesiges Unternehmen im Ausland tätigen Mitarbeiters ist nachzuweisen. Es ist nicht massgebend, ob ein Mitarbeiter sich im Ausland nicht anmeldet und dort auch keine Steuern zahlt.


T deklarierte in der Steuererklärung 1999 B ein Einkommen von Fr. 24 379.–, das er in der Zeit vom 1. September 1999 bis 31. Dezember 1999 bei der A AG verdiente. Das bei der W AG erzielte Einkommen von Fr. 58 500.– vom 1. Januar 1999 bis 31. Juli 1999 für seinen Arbeitseinsatz in der Türkei und in Italien gab er nicht an.
Die Steuerverwaltung veranlagte ihn mit Einkünften aus unselbständiger Tätigkeit mit Fr. 82 879.– (Fr. 24 379.– + Fr. 58 500.–) und bemerkte dazu, dass am alten thurgauischen Wohnsitz steuerpflichtig bleibe, wer bei Wegzug keinen neuen steuerrechtlichen Wohnsitz begründe. In der Türkei habe er keinen neuen Wohnsitz begründet und auch keine Steuern entrichten müssen. T erhob dagegen erfolglos Einsprache und gelangte an die Steuerrekurskommission. Diese kam zum Ergebnis, dass der Lebensmittelpunkt Ts auch während des beruflich bedingten Auslandaufenthalts im Kanton Thurgau bestehen geblieben sei, da kein neuer Lebensmittelpunkt begründet worden sei. T gelangt ans Verwaltungsgericht, das die Beschwerde gutheisst.

Aus den Erwägungen:

2. a) Auszugehen ist von § 7 Abs. 1 und 2 StG. Die Steuerverwaltung hat hierzu im Jahre 2001 folgenden Leitsatz formuliert: «Für eine Wohnsitzverlegung genügt es nicht, dass die Verbindungen zum bisherigen Wohnsitz gelöst werden; entscheidend ist vielmehr, dass nach den gesamten Umständen ein neuer Wohnsitz begründet worden ist. Obschon das Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer – anders als noch der Bundesratsbeschluss (BdBSt) – zur Umschreibung des steuerlichen Wohnsitzes nicht mehr (ausdrücklich) auf das Zivilgesetzbuch (Art. 23-26 ZGB) verweist, hat sich der rechtliche Gehalt dieses Begriffs nicht verändert: Nach wie vor gilt, dass niemand an mehreren Orten zugleich Wohnsitz haben kann. Gleichermassen bleibt – wie nach altem Recht – der einmal begründete Wohnsitz grundsätzlich bis zum Erwerb eines neuen bestehen. Nicht entscheidend ist deshalb, wann der Steuerpflichtige sich am bisherigen Wohnort abgemeldet oder diesen verlassen hat. Begibt er sich ins Ausland, so hat er die direkte Bundessteuer zu entrichten, bis er nachweisbar im Ausland einen neuen Wohnsitz begründet. Diese Rechtsauslegung ist auch für das kantonale Verfahren anzuwenden.»
Dieser Leitsatz basiert auf einem Bundesgerichtsentscheid vom 6. Februar 2001 i.S. X/Steuerrekurskommission des Kantons Thurgau und liegt offensichtlich der vorinstanzlichen Begründung zu Grunde. Jener Fall präsentierte sich jedoch anders als der vorliegende.

b) Aus § 7 StG geht hervor, dass es grundsätzlich nur um zwei Voraussetzungen geht, nämlich die Absicht des dauernden Verbleibens und des Aufenthalts (im Kanton Thurgau).
Der Beschwerdeführer hatte unbestrittenermassen bis Ende März 1998 Wohnsitz im Kanton Thurgau. Ihm obliegt demnach der Nachweis, dass er hier seinen steuerrechtlichen Wohnsitz aufgegeben hat. Er ist dieser Pflicht ohne weiteres nachgekommen.
Von zentraler Bedeutung ist die Bestätigung der W AG. Darin wird ausgeführt: «Hiermit bestätigen wir, dass sich Herr T vom 1. April 1998 bis 30. März 1999 im Auftrag unserer Firma in Istanbul aufgehalten hat. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz im April 1999 übernahm Herr T bei uns den Service in Italien bis zu seinem Austritt aus unserer Gesellschaft per 31. Juli 1999. Die Tätigkeit von Herrn T in Istanbul beinhaltete den Aufbau und die technische Führung unseres Service-Centers, das wir in Zusammenarbeit mit unserem dort ansässigen Vertreter gegründet und aufgebaut haben. Herr T verliess seine vorherige Position als Leiter Elektronischer Service weltweit, in geregelten Verhältnissen. Das heisst, ein Nachfolger für ihn war bereits gefunden und der Personalbestand am Sitz der W AG war so weit aufgestockt, dass der Service übergangslos weitergeführt werden konnte. Bei unserer Vereinbarung, die wir anfangs 1998 mit Herrn T festlegten, war klar geregelt, dass Herr T für uns voll in der Türkei tätig sein wird und dort Wohnsitz nimmt, um diese neue berufliche Aufgabe und den Aufbau seiner Existenz in der Türkei für unbestimmte Zeit in Angriff zu nehmen. Vor Ort in Istanbul entsprach Herr T voll unseren Erwartungen. Er baute in Zusammenarbeit mit der türkischen Vertretung auftragsgemäss eine funktionstüchtige Servicestelle mit insgesamt 10 Mitarbeitern auf. In der Folge entsprach die wirtschaftliche Situation der Türkei leider nicht unseren Erwartungen. Unser Sektor brach komplett ein und die Aussichten auf eine Erholung des Marktes schien in weite Ferne gerückt. Dies veranlasste uns, unsere Businesspläne ab Anfang 1999 zu überdenken und die neu aufgebaute Servicestelle Türkei in einem wesentlich kleineren Rahmen weiterzuführen. Aufgrund dieser Entwicklung sahen wir uns gezwungen, Herrn T andere Aufgaben im weiteren Ausland anzubieten.»
Daraus ergibt sich mit aller Deutlichkeit, dass eine Wohnsitzaufgabe stattgefunden hat und dass die gegenteilige Position der Vorinstanzen reine Spekulation ist. Der Beschwerdeführer war nicht Auslandmonteur, der regelmässig in verschiedenen Ländern für einige Monate Montagearbeiten zu verrichten gehabt hätte. In solchen Fällen ist klar, dass damit keine Wohnsitzaufgabe begründet würde. Der Beschwerdeführer hat sich vielmehr aus geschäftsführender Stellung in der Schweiz in ebensolche ins Ausland begeben. Zudem sprechen – und zwar alles zusammen – auch der unbestrittene Corvetteverkauf, die hiesige Wohnungskündigung, die Rückgabe der Militärausrüstung, das Abschiedsfest und die relativ lange Wohnungssuche in Istanbul sowie der Mietvertrag für eine Wohnsitzaufgabe. Diese hat immerhin 16 Monate gedauert. Selbst wenn die Absicht bestanden hätte, nur für diese Zeit ins Ausland zu gehen, müsste man sich fragen, ob nicht gleichwohl von einer Wohnsitzaufgabe im Sinne von § 7 StG auszugehen wäre.
Wenn die Vorinstanz mit der fehlenden fremdenpolizeilichen Aufenthaltsbewilligung in der Türkei sowie der Nichtbesteuerung der Einkünfte durch die Türkei argumentiert, so verkennt sie ihre Aufgabe. Das zu prüfen obliegt nämlich allein den türkischen und nicht den thurgauischen Behörden.
Im Gegensatz zu dem dem Leitsatz (vgl. E. 2a) zugrunde liegenden BGE vom 6. Februar 2001 sind hier keinerlei Anhaltspunkte für weitere Beziehungen zum Kanton Thurgau auszumachen, abgesehen von den für den vorliegenden Fall völlig unmassgeblichen Rückflügen zur Familie für Feiertage. In jenem Fall ging es vielmehr um die Frage, wann angesichts eines länger dauernden «Ablösungsprozesses» eines pensionierten Ehepaares von der Schweiz der hiesige Wohnsitz als aufgegeben zu betrachten war. Hier aber ist der Wegzug genau definiert. Dies zeigt klar, dass der zitierte Leitsatz nicht alleiniger Massstab aller Fälle sein kann.

Entscheid vom 28. Mai 2002

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