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TVR 2002 Nr. 25

Schwimmbassin in Landwirtschaftszone; Ausnahmebewilligung; rechtsgleiche Behandlung


Art. 8 BV, Art. 24 Abs. 2 RPG


1. Wird auf einer ehemaligen landwirtschaftlich genutzten Wohnliegenschaft anstelle des bisherigen Sitzplatzes ein relativ kleines Schwimmbad erstellt, so ist von Wesensgleichheit auszugehen, weshalb eine Ausnahmebewilligung i.S. von Art. 24 Abs. 2 RPG (alte Fassung) erteilt werden kann (E. 3b).

2. Es ist mit dem Rechtsgleichheitsgebot nicht vereinbar, wenn einem aktiven Bauern in der Landwirtschaftszone ein Schwimmbad bewilligt wird, einer ehemaligen, seit dem Tod ihres Mannes aber inaktiven Bäuerin jedoch nicht (E. 3c).


H ist Eigentümerin der Parzelle Nr. 192 im Grundbuch E. Diese befindet sich nach dem rechtskräftigen Zonenplan der Gemeinde R in der Landwirtschaftszone. H betrieb auf dem auf der Parzelle stehenden Wohnhaus zusammen mit ihrem 1994 verstorbenen Ehemann einen landwirtschaftlichen Betrieb. Nach dem Tod des Ehemannes wurde der Landwirtschaftsbetrieb aufgegeben. Im Mai 2000 reichte H bei der zuständigen Gemeindeverwaltung ein Baugesuch für den Bau eines Schwimmbades auf der Westseite der bestehenden Remise ein. Das Schwimmbad ist, nachdem die Gemeinde R das Baugesuch unter Vorbehalt der Zustimmung des ARP erteilt hatte, erstellt worden und hat folgende Ausmasse: Eine Länge von 7 m, eine Breite von 3.5 m und eine Tiefe von 1.6 m.
In der Folge verweigerte jedoch das ARP die Ausnahmebewilligung. Auch das mit Rekurs angerufene DBU entschied abschlägig. Das Verwaltungsgericht heisst die darauf erhobene Beschwerde gut.

Aus den Erwägungen:

3. a) Es stellt sich zunächst die Frage, ob vorliegend die Bestimmungen des RPG in der alten oder in der heute geltenden Fassung zur Anwendung gelangen. Wie die Vorinstanz richtig darauf hinweist, ist grundsätzlich das Beschwerdeverfahren nach bisherigem Recht zu Ende zu führen, es sei denn, das neuere Recht stelle für den Gesuchsteller das mildere dar (Art. 52 Abs. 2 RPV).
Ebenfalls zutreffend hat die Vorinstanz ausgeführt, dass das erstellte Schwimmbecken sicher nicht zonenkonform ist, weshalb eine ordentliche Baubewilligung nicht in Frage kommt. Auch ist das Schwimmbecken entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin zweifelsfrei nicht standortgebunden, weshalb eine Ausnahmebewilligung nach Art. 24 Abs. 1 RPG a.F. ebenfalls nicht in Betracht gezogen werden kann.

b) Nach Art. 24 Abs. 2 RPG a.F. konnte das kantonale Recht gestatten, Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzone zu erneuern, teilweise zu ändern oder wieder aufzubauen, wenn dies mit den wichtigen Anliegen der Raumplanung vereinbar war. Diese Regelung entspringt den Anliegen des Bestandesschutzes einmal erworbener Eigentumsdispositionen und konkretisiert die aus Art. 4 und aus Art 22ter BV (heute Art. 8 und 26 BV) abgeleitete Bestandesgarantie (BGE 113 Ia 122; BVR 1996, S. 60). Der Kanton Thurgau hat den Inhalt von Art. 24 Abs. 2 RPG in § 82 PBG näher geregelt. Abs. 1 dieser Bestimmung lautet: «Ausserhalb der Bauzone dürfen bestehende Bauten und Anlagen, die weder zonenkonform noch standortgebunden sind, erneuert, teilweise geändert oder wieder aufgebaut werden, soweit dies mit den wichtigen Anliegen der Raumplanung vereinbar ist». Es ist allerdings zu beachten, dass Erneuerung, teilweise Änderung und Wiederaufbau bundesrechtliche Begriffe sind (TVR 1999, Nr. 21). Es geht mit anderen Worten um den Bestandesschutz für Bauten und Anlagen, welche unter altem Recht rechtmässig erstellt wurden (vgl. Bandli, Bauen ausserhalb der Bauzone, Grüsch 1989, N. 240). Von Erneuerung, Wiederaufbau und teilweiser Änderung im Sinne von Art. 24 Abs. 2 RPG darf nur dann gesprochen werden, wenn damit keine wesentlichen neuen Auswirkungen auf die Nutzungsordnung, Erschliessung und Umwelt geschaffen werden (Heer, Die raumplanungsrechtliche Erfassung von Bauten und Anlagen im Nichtbaugebiet, Zürich 1996, S. 41). Das Bundesgericht spricht in diesem Zusammenhang vom Kriterium der «Wesensgleichheit». Ob eine geplante Baute im Sinne von Art. 24 Abs. 2 RPG bewilligungsfähig ist, hängt somit davon ab, ob sie dieses Kriterium erfüllt.
Die Vorinstanz führt aus, für Schwimmbecken als Nebenbauten zu standortwidrigen Wohnbauten seien nach konstanter Praxis keine Ausnahmebewilligungen erteilt worden, weil sie nicht zum heute allgemein üblichen modernen Wohnstandard gehörten und die Errichtung solcher Anlagen den Rahmen einer zeitgemässen Erneuerung beziehungsweise teilweisen Änderung im Sinne von § 82 Abs. 1 PBG beziehungsweise Art. 24 Abs. 2 RPG a.F. sprengten. Für die Beurteilung des vorliegenden Falles ist jedoch zu beachten, dass der Platz, an dem das Schwimmbad heute steht, bereits bis anhin zu landwirtschaftsfremden Zwecken, nämlich zu Wohnzwecken (Sitzplatz) genutzt worden war. Zudem entstand diese Wohnnutzung aus einer ursprünglich zonenkonformen Nutzung heraus, da die Liegenschaft bis 1994 zu einem Landwirtschaftsbetrieb gehörte. Daher kann sich die Beschwerdeführerin auf jeden Fall mit Bezug auf die Nutzung des Platzes auf die Bestandesgarantie berufen, dies umso mehr, als der bisherige Sitzplatz flächenmässig praktisch die gleiche Ausdehnung hatte wie das zwischenzeitlich erstellte Schwimmbad. Die Nutzung dieses Platzes bleibt aber auch mit dem erstellten Schwimmbassin nach Auffassung des Gerichtes wesensgleich (in Zusammenhang mit der Wohnnutzung stehend). Demnach kann das Schwimmbad bereits unter Anwendung von Art. 24 Abs. 2 RPG a.F. bewilligt werden.

c) aa) Die Beschwerdeführerin beruft sich weiter auf das Rechtsgleichheitsgebot von Art. 8 BV. Insbesondere kann sie nicht verstehen, dass vor einigen Jahren einem anderen Landwirt ebenfalls in der Landwirtschaftszone ein Schwimmbassin bewilligt worden war, ihr dies hingegen verwehrt werden solle. Die Vorinstanz gelangt zur Auffassung, die Beschwerdeführerin könne sich nicht auf Art. 8 Abs. 1 BV berufen, da die Fälle nicht vergleichbar seien. Im von der Beschwerdeführerin als vergleichbar bezeichneten Fall sei es um einen aktiven Landwirt gegangen, welcher die Voraussetzungen für eine Wohnnutzung in der Landwirtschaftszone erfüllt habe. Das habe dazu geführt, dass das dauerhaft installierte Schwimmbecken nicht zu einer standortwidrigen Baute geworden sei. Demgegenüber sei die Beschwerdeführerin nicht als aktive Bäuerin zu bezeichnen, weshalb ihre Wohnnutzung standortwidrig sei, was dazu geführt habe, dass ihr Schwimmbecken nicht habe bewilligt werden können.

bb) Die Legalität im Verwaltungsrecht, beziehungsweise das Gleichheitsgebot verpflichtet die Verwaltung zur ausnahmslosen und richtigen Anwendung des Rechts. Dieser Grundsatz wird, abstellend auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts, allerdings dahin beschränkt, dass willkürliche Rechtsanwendung die Bestimmung gemäss Art. 4 BV (heute Art. 8 BV) verletzt. Das Bundesgericht will damit den kantonalen Behörden einen gewissen Spielraum beim Gesetzesvollzug einräumen.
Willkürlich ist ein Verwaltungsakt dann, wenn er eine Rechtsnorm oder einen klaren und unumstrittenen Rechtsgrundsatz offensichtlich verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwider läuft (BGE 102 Ia 3 f.; Dilger, Raumplanungsrecht der Schweiz, Zürich 1982, § 17, N. 30 f.).

cc) Der Beschwerdeführerin dient die Liegenschaft heute als Alterswohnsitz. Im Hinblick auf die Erteilung einer Ausnahmebewilligung zur Erstellung ihres Schwimmbades kann es aber nach Auffassung des Gerichtes nicht darauf ankommen, ob sie noch aktive Bäuerin ist oder nicht. Dies muss umso mehr gelten, als sie letztlich nicht dafür verantwortlich ist, dass ihr der «Status» der aktiven Bäuerin abhanden gekommen ist. Unter den gegebenen Umständen wäre es geradezu stossend, wenn einem aktiven Landwirt der Bau eines Schwimmbassins bewilligt wird, währenddem der Beschwerdeführerin dies gerade nicht erlaubt werden soll. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn der Platz, der für das Schwimmbassin benutzt wird, bereits bis anhin zu Wohnzwecken diente (Sitzplatz). Die Situation ist auch nicht mit einem Fall vergleichbar, wo jemand ein altes Bauernhaus, welches nicht mehr einem landwirtschaftlichen Gewerbe dient, erwirbt und nachträglich ein Schwimmbad einbauen will. Der Beschwerdeführerin unter den gegebenen Umständen (wohnhaft im Haus seit 40 Jahren, bis vor acht Jahren aktive Bäuerin, keine Zweckentfremdung des beanspruchten Bodens) die Bewilligung unter dem Hinweis darauf zu verweigern, sie sei keine aktive Bäuerin mehr, ist willkürlich. Zu Recht beruft sie sich daher darauf, ihr sei eine rechtsungleiche Behandlung widerfahren. Die Beschwerde ist somit auch unter dem Gesichtspunkt von Art. 8 Abs. 1 BV gutzuheissen.

Entscheid vom 8. Mai 2002

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