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TVR 2002 Nr. 31

Submission: Ermittlung des Zuschlags durch Architekturwettbewerb.


§ 16 Abs. 1 Ziff. 11 aVöB, § 4 GöB, Art. 15 Abs. 1 IVöB


1. Dem Jurybericht eines Architekturwettbewerbs kommt im Hinblick auf die Vergabe indirekt bindende Wirkung zu, weshalb der Bericht wie ein Zuschlag mit Beschwerde angefochten werden kann (E. 1 b).

2. Massgebend für die Beurteilung ist das eingereichte Projekt. Mögliches Verbesserungspotential ist nicht zu berücksichtigen (E. 2a).


Die Politische Gemeinde B (PG B) plant den Neubau des Feuerwehrdepots mit Entsorgungsplatz. Aus diesem Grunde beschloss sie, im Rahmen eines Einladungsverfahrens einen Projektwettbewerb durchzuführen. Für die Durchführung wurde nebst den Bestimmungen des Submissionsrechts auch die SIA-Ordnung 142 (Ordnung für Architektur- und Ingenieurwettbewerbe) für anwendbar erklärt. In der Folge bat die PG B das kantonale Hochbauamt um dessen Mitwirkung. Es wurden sechs Architekten zur Wettbewerbsteilnahme eingeladen, welche sich alle am Verfahren beteiligten. Darunter befand sich auch das Architekturbüro N AG. Einer der Teilhaber, N, hat Einsitz im Gemeinderat B. Die Jury, bestehend aus drei Mitgliedern des Gemeinderats, drei unabhängigen Architekten sowie dem Kantonsbaumeister, bewertete die anonym eingegangenen Arbeiten. Dabei wurde in einer ersten Vorrunde das Projekt «TRIO» ausgeschieden. Nach der abschliessenden Beurteilung und der Unterzeichnung des Juryberichtes wurde die Anonymität aufgehoben und es stellte sich heraus, dass das zuerst ausgeschiedene Projekt «TRIO» vom Architekturbüro des Gemeinderates N verfasst worden war. In Anwendung von Art. 25 Abs. 1.1 der SIA-Ordnung 142 wurde das Wettbewerbsergebnis veröffentlicht und die Beiträge zehn Tage öffentlich ausgestellt. Ebenfalls in Anwendung der genannten Bestimmung wurde der Jurybericht den Teilnehmern zugestellt. Eine Rechtsmittelbelehrung enthielt der Bericht nicht. Dagegen reichte das Architekturbüro N AG Beschwerde ein. Das Verwaltungsgericht weist ab.

Aus den Erwägungen:

1. Es stellt sich zunächst einmal die Frage, ob die vorliegende Beschwerde überhaupt als Submissionsbeschwerde entgegen zu nehmen ist. In der Replik werden Ausführungen zur bereits in der Beschwerdeschrift aufgeworfenen «mangelhaften Objektivität und Fairness des Kantonsbaumeisters und der von ihm vorgeschlagenen Fachrichter sowie des vorprüfenden Hochbauamtes» dargelegt. Dazu wird ausgeführt, dass der Kantonsbaumeister nicht nur Einfluss auf die teilnehmenden Architekten gehabt, sondern auch Einsitz im Preisgericht genommen und die drei Fachrichter selbst vorgeschlagen habe. Damit wird impliziert, dass letztlich Verfahrensmängel, welcher Art auch immer, aufgetreten seien und dass bei richtiger Durchführung des (Submissions-)Verfahrens möglicherweise ein anderes Ergebnis zustande gekommen wäre. Demnach ist die Beschwerde als Submissionsbeschwerde entgegen zu nehmen.

a) (...)

b) Angefochten wird der Jurybericht vom 18. Oktober 2001 beziehungsweise der darin getroffene Entscheid, das Projekt der Beschwerdeführerin bereits nach der ersten Vorprüfung ausscheiden zu lassen.

aa) § 4 GöB bestimmt:

Als anfechtbare Entscheide gelten:
1. der Abbruch des Vergabeverfahrens;
2. die Ausschreibung des Auftrags;
3. die Auswahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer im selektiven Verfahren;
4. der Ausschluss vom Vergabeverfahren;
5. die Aufnahme von Anbietern in ständige Listen oder die Streichung aus solchen Listen;
6. der Entscheid über den Zuschlag oder Widerruf des Zuschlags.

Das Verwaltungsgericht hat darüber hinaus im Entscheid TVR 2001, Nr. 25 ausgeführt, eine Submissionsbeschwerde könne immer dann erhoben werden, wenn ein Auftrag ohne das vom Submissionsrecht vorgeschriebene Verfahren vergeben werde. Eine Vergabe ohne Zuschlag liegt hier aber ebenso wenig vor wie ein Entscheid nach § 4 GöB. Es stellt sich daher die Frage, ob ein Jurybericht überhaupt Anfechtungsgegegenstand einer Beschwerde sein kann.

bb) § 16 Abs. 1 Ziff. 11 VöB hält mit Bezug auf den Architekturwettbewerb folgendes fest: Ein Auftrag kann unabhängig vom Auftragswert direkt und ohne Ausschreibung vergeben werden, wenn aufgrund eines Planungs- oder Gesamtleistungswettbewerbs der Vertrag mit der Gewinnerin oder dem Gewinner geschlossen werden soll, vorausgesetzt, dass die Organisation des Wettbewerbs den Grundsätzen des GöB und dieser Verordnung entspricht. Dies gilt insbesondere mit Bezug auf die Veröffentlichung einer Einladung an angemessen qualifizierte Anbieter zur Teilnahme. Zur Beurteilung ist eine unabhängige Jury einzusetzen.
Diese Bestimmung hat zur Folge, dass anstelle der ordentlichen Bewertung eingegangener Offerten mittels vorher bestimmter Zuschlagskriterien (§ 38 VöB) ein Planungs- oder Gesamtleistungswettbewerb treten kann, wenn die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Die PG B hat sich hierzu entschlossen. Dabei versteht sich aber von selbst, dass der durchgeführte Projektwettbewerb mit Bezug auf das Verfahren nicht völlig losgelöst vom Submissionsrecht beurteilt werden kann und darf. Vielmehr muss auch hier ein Entscheid nach wie vor bezüglich der im Submissionsrecht geltenden Grundsätze (zum Beispiel Grundsätze der Transparenz des Wettbewerbs und der chancengleichen und nicht diskriminierenden Behandlung der Teilnehmer) überprüfbar bleiben (AGVE 1999, Nr. 66, S. 271). Der Grundsatz, dass auch ein Verfahren, in dem ein Projektwettbewerb durchgeführt wurde, mittels Beschwerde überprüft werden können muss, wird denn auch von keiner Seite bestritten.
Der Grund, weshalb § 16 Abs. 1 Ziff. 11 VöB einem Auftraggeber erlaubt, nach durchgeführtem Wettbewerbsverfahren den Auftrag ohne weiteres zu vergeben, liegt zweifelsfrei in der besonderen Art des zu vergebenden Auftrages. Wie bereits erwähnt, ist im Submissionsrecht vorgesehen, dass der obsiegende Bewerber grundsätzlich anhand objektiv überprüfbarer Zuschlagskriterien ermittelt wird. Gerade im Bereich der Architektur aber treten neben die üblichen, in § 38 Abs. 1 VöB beispielhaft genannten Zuschlagskriterien weitere, in aller Regel objektiv nicht messbare Kriterien (Gestaltung, Lösungsidee, Gesamteindruck etc.). Die Idee, zur Realisierung eines Projekts einen Architekturwettbewerb durchzuführen, ist allerdings seit langer Zeit bekannt. Um ein einheitliches, insbesondere aber auch mit den gesetzlichen Vorgaben übereinstimmendes Verfahren zur Verfügung zu stellen, hat der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein (SIA) die Ordnung 142 erstellt (Ulrich, Die neue SIA-Ordnung 142 für Architektur- und Ingenieurwettbewerbe in AJP 3/99, S. 243 ff.). Die SIA-Ordnung 142 hat aber keinen Gesetzescharakter, sondern bleibt selbstverständlich auf ihre Übereinstimmung mit dem Submissionsrecht überprüfbar. Es wird von Seiten der Beschwerdeführerin allerdings nicht geltend gemacht, die SIA-Ordnung 142 verletze, soweit sie hier zur Anwendung gelangt, höherrangiges Recht. Solches ist auch nicht ersichtlich.

cc) Im Rahmen der Durchführung des Wettbewerbs hat die PG B nebst den submissionsrechtlichen Vorschriften auch die Anwendung der SIA-Ordnung 142, Ausgabe 1998, für verbindlich erklärt. Dies hat zur Folge, dass sich nicht nur die Teilnehmer der Wettbewerbsordnung unterwerfen müssen, sondern dass auch die Gemeinde im Rahmen dieser Ordnung verpflichtet wird. Art. 27 Abs. 1 SIA-Ordnung 142 bestimmt, dass der Gewinner eines Projektwettbewerbs Anspruch auf den Auftrag, wie er im Wettbewerbsprogramm formuliert ist, hat. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von indirekt bindender Wirkung der Empfehlung des Preisgerichtes (Ulrich, a.a.O., S. 254). Auch das Bundesrecht sieht die grundsätzlich bindende Wirkung der Juryempfehlung für den Auftraggeber vor (Art. 53 VöB). Letztlich tritt somit die Empfehlung der Jury an die Stelle des Zuschlags im ordentlichen Verfahren. Da aber dieser Entscheid überprüfbar sein muss und sich die Gemeinde durch die Anwendbarerklärung der SIA-Norm 142 an die Empfehlung der Jury bindet, muss demnach der Juryentscheid als Anfechtungsobjekt angesehen werden.

c) Zu prüfen ist weiter, ob die Beschwerde rechtzeitig erhoben wurde. Der Jurybericht vom 18. Oktober 2001 enthält keinen Rechtsmittelhinweis. Grundsätzlich gilt, dass den Parteien aus mangelhafter Eröffnung kein Rechtsnachteil erwachsen darf (TVR 1994, Nr. 21). Dies hat zur Folge, dass eine Rechtsmittelfrist, wenn kein Rechtsmittelhinweis angegeben ist, nicht zu laufen beginnt. Demnach war letztlich die Beschwerde auch an keine Frist gebunden. Da auch alle übrigen Prozessvoraussetzungen erfüllt sind, ist darauf einzutreten.

d) (...)

2. a) Gemäss Art. 9.2 SIA-Ordnung 142 ist die Auftraggeberin verpflichtet, Fachleute zur Beratung hinzuzuziehen. Diese müssen mit dem Wettbewerbswesen vertraut und so qualifiziert sein, dass sie die Auftraggeberin kompetent beraten können. Die Mehrheit der Preisrichter müssen Fachpreisrichter und mindestens die Hälfte davon muss von der Auftraggeberin unabhängig sein (Art. 10.4 SIA-Ordnung 142). Nach Abgabe des Wettbewerbsprogramms haben die Teilnehmer die Möglichkeit, innert angemessener Frist und anonym Fragen zum Wettbewerbsprogramm zu stellen. Diese werden durch das Preisgericht schriftlich beantwortet und allen Teilnehmern zugestellt (Art. 14 SIA-Ordnung 142). Sodann ist eine wertungsfreie Vorprüfung durchzuführen, wobei die Vorprüfung während der Beurteilung stufenweise vertieft werden kann (Art. 15 SIA-Ordnung 142). Das Preisgericht hat sich bei der Beurteilung der Wettbewerbsbeiträge an das Wettbewerbsprogramm und die Fragenbeantwortung zu halten. Die Wettbewerbsbeiträge sind so zu beurteilen, wie sie vorliegen und nicht, wie sie zu verbessern wären (Art. 20.1 und 20.2 SIA-Ordnung 142).

aa) Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, würde ihre Rampe statt einer Steigung von 10% eine solche von 12% aufweisen, so wäre die verlangte Durchfahrtshöhe von 3 m ohne weiteres erreichbar. Die Nachprüfungen durch das beigezogene Ingenieurbüro bestätigen jedoch die Feststellung der Jury, die am linken Fahrbahnrand eine Durchfahrtshöhe von nur 2.5 m, in der Mitte 2.93 und am rechten Fahrbahnrad 3.18 m ermittelt hatte. Somit könnten die vorgesehenen Fahrzeuge auf der von der Beschwerdeführerin projektierten Rampe nicht verkehren. Gemäss dem Bericht des Ingenieurbüros soll die geforderte Durchfahrtshöhe von 3 m auch bei einer Neigung von 12% auf der längeren Rampenseite nicht eingehalten werden können. Die Beschwerdeführerin bestreitet dies zwar, doch ist laut Art. 20.2 SIA-Ordnung 142 eine Beurteilung möglicher Verbesserungspotentiale gar nicht zulässig und damit grundsätzlich nicht zu berücksichtigen.

bb) Weiter wird von Seiten der Beschwerdeführerin geltend gemacht, anlässlich der Begehung sei ausgeführt worden, die Grenzabstände könnten unterschritten werden. Grundsätzlich ist darauf hinzuweisen, dass für die Beurteilung durch die Jury allein der Wettbewerbsbeitrag sowie die Fragenbeantwortung nach Art. 14 SIA-Ordnung 142 massgebend ist. Schon von daher stellt sich die Frage, inwiefern eine Auskunft im Rahmen einer gemäss Wettbewerbsordnung nicht offiziellen Begehung verbindlich sein kann. Es ist nun aber nicht so, dass das Projekt der Beschwerdeführerin den Grenzabstand nur in einem Punkt nicht berücksichtigt, sondern es basiert auf einer vierfachen Verletzung der Bauvorschriften. Zudem wurde die Rampe teilweise auf Grund und Boden der Eigentümer der angrenzenden Parzelle geplant. So oder so wurde damit das Projekt «TRIO» unter massiven Verletzungen der geltenden Bauvorschriften konzipiert. Alle anderen eingereichten Projekte beachten diese Grenzabstandsvorschriften vollumfänglich oder jedenfalls weit mehr.

cc) Es ist zu beachten, dass die zum grösseren Teil aus Fachleuten zusammengesetzte Jury ihre Beurteilung nicht nur aufgrund der angefochtenen Punkte vornahm, sondern anhand der in Ziff. 6 des Wettbewerbprogramms festgehaltenen Beurteilungskriterien: Konzeptidee, kontextualer Umgang; architektonische Gestaltung; Nutzungsqualität, betriebliche Organisation; Wirtschaftlichkeit, energetische Aspekte; Konstruktion und Bauweise; Gesamteindruck.
Die Ausscheidung im Rahmen der ersten Vorprüfung beruht offensichtlich darauf, dass das Gesamtkonzept des Projekts «TRIO» nicht zu überzeugen vermochte. Es wurden auch architektonische Mängel festgestellt; die gewählte Architektur wurde nicht im Dialog mit dem Bestehenden entwickelt, die Dachträger verlaufen in unterschiedlicher Richtung (auch hier versucht die Beschwerdeführerin, mittels Nachbesserungsvorschlägen ihr Projekt zu relativieren), die Durchfahrt ist eingeschränkt und die Grenzabstände sind zum Teil massiv unterschritten beziehungsweise es wird sogar auf einem fremden Grundstück gebaut (Jurybericht, S. 6). Es erstaunt daher nicht, dass die Gesamtbeurteilung negativ ausfiel. Wenn im Jurybericht dennoch gewisse einzelne Punkte positiv vermerkt wurden, so entspricht dies dem üblichen Vorgehen. Es wurde bereits unter E. 1b bb) ausgeführt, dass gerade bei Architekturwettbewerben auch objektiv nicht messbare Gesichtspunkte entscheiden können. Diesbezüglich ist der Eindruck der Fachjury massgebend, der durch das Gericht praktisch nicht überprüft werden kann.

b) Von der Beschwerdeführerin wird weiter die Objektivität des Kantonsbaumeisters in Frage gestellt. Angesichts der Tatsache, dass ein Mitglied des Gemeinderates am Wettbewerb teilgenommen hat, war die PG B zweifelsfrei gut beraten, die fachkundige Hilfe des grundsätzlich als neutral anzusehenden kantonalen Hochbauamtes in Anspruch zu nehmen. Was die Beschwerdeführerin gegen die Person des Kantonsbaumeisters vorbringt, vermag nicht zu überzeugen. Die beigezogene Begleitperson hat gerade die Aufgabe, bei der Auswahl der Fachrichter und möglicherweise auch bei der Auswahl der Wettbewerbsteilnehmer behilflich zu sein. Von einer massiven Einflussnahme des Kantonsbaumeisters kann angesichts der Zusammensetzung der Jury und insbesondere der Anonymität des Verfahrens bis zum letzten Moment sicherlich nicht gesprochen werden. Abgesehen davon lag der Entscheid über die beizuziehenden Jurymitglieder und die Teilnehmer letzten Endes immer noch bei der Gemeinde. Ihr ist zu attestieren, dass das von ihr durchgeführte Verfahren in allen Punkten den gesetzlichen Vorschriften und den Bestimmungen der SIA-Ordnung 142 entsprochen hat. Die Beschwerde erweist sich damit auch in diesem Punkte und demnach insgesamt als unbegründet, weshalb sie abzuweisen ist.

3. Da die Beschwerdeführerin unterliegt, hat sie die Kosten dieses Verfahrens zu tragen (§ 77 VRG). Laut § 80 Abs. 1 VRG besteht im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Anspruch auf Ersatz der ausseramtlichen Kosten. In der Regel wird dem Gemeinwesen jedoch keine Parteientschädigung zugesprochen (§ 80 Abs. 4 VRG). Im Submissionsverfahren stehen sich aber Gemeinde und Anbieter wie zwei Private gegenüber. Gemäss konstanter Praxis des Verwaltungsgerichtes rechtfertigt es sich daher, in solchen Fällen von der Regel von § 80 Abs. 4 VRG abzuweichen, weshalb der Gemeinde eine ausserrechtliche Entschädigung zuzusprechen ist.

Entscheid vom 24. April 2002

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