TVR 2002 Nr. 38
Rückgriff der Unterstützungsgemeinde auf die Heimatgemeinde
1. Das ZUG lehnt sich zur Umschreibung des Unterstützungswohnsitzes an das ZGB an, doch besteht keine vollständige Übereinstimmung. Insbesondere existiert kein dem fiktiven zivilrechtlichen Wohnsitz gemäss Art. 24 Abs. 2 ZGB nachgebildeter obligatorischer Unterstützungswohnsitz. Beim Fehlen eines Unterstützungswohnsitzes kommt die Aufenthaltsgemeinde zum Zuge.
2. Ein aufgrund von Art. 5 i.V. mit Art. 9 Abs. 3 ZUG bestehender Unterstützungswohnsitz (Heimaufenthalt) fällt mit dem Heimaustritt dahin. Nach einer erneuten Wohnsitznahme in der selben Gemeinde beginnt die Zweijahresfrist gemäss § 20 SHG von neuem.
Mit Anzeige vom 14./15. Februar 2001 des Fürsorgers der Politischen Gemeinde P an das Fürsorgeamt der Politischen Gemeinde A eröffnete dieser im Wesentlichen was folgt:
Unterstützungsanzeige | |
Datum des Einzugs in die Wohnsitzgemeinde
Unterstützungskosten zu |
1. April 2000 100% bis 31. März 2002 |
Das Fürsorgeamt A erhob dagegen am 22. Februar 2001 Einsprache. Begründet wurde diese damit, dass sich N am 17. November 1996 persönlich in A nach B abgemeldet habe und dass ein Wiederzuzug nach A nicht erfolgt sei. In A sei nachher kein Unterstützungswohnsitz begründet worden.
Die Fürsorgekommission lehnte die Einsprache ab. N habe seinen Lebensmittelpunkt vom 27. Oktober 1997 bis zum 8. Januar 2000 in einer Genossenschaft in L (SH) gehabt, wo er aber nicht habe unterstützt werden müssen. Am 10. Januar 2000 habe er sich beim Einwohneramt nach A abgemeldet und habe dann bei seiner Mutter in A gewohnt. Diese habe dann allerdings wieder ein Restaurant in P übernommen und dort auch Wohnsitz begründet. N sei mit ihr dorthin gezogen.
Dagegen erhob das Fürsorgeamt A Rekurs beim DFS. Kurz zusammengefasst begründete das Fürsorgeamt A seinen Antrag damit, dass der Unterstützungswohnsitz von N sich ununterbrochen in P befunden habe. Nach kurzem Aufenthalt in A zwischen dem Heimaustritt (8. beziehungsweise 10. Januar 2000) und erneuter Wohnsitznahme in P sei er an seinen Unterstützungswohnsitz P zurückgekehrt.
Das DFS entschied am 23. Juli 2001, dass der Rekurs teilweise gutgeheissen werde und wies die Rekurrentin an, der Gemeinde die seit dem 5. Februar 2001 für N geleistete Unterstützung zurückzuvergüten. Es kam zum Schluss, N habe spätestens mit seinem Wegzug aus L (SH) am 8. Januar 2000 seinen Unterstützungswohnsitz in P verlassen und seither keinen neuen Unterstützungswohnsitz mehr begründet. Zur Zeit habe er lediglich Aufenthalt in M, womit die Gemeinde M verpflichtet sei, die Kosten für den Aufenthalt von N zu übernehmen. Schliesslich müsse aber A als Heimatgemeinde aufkommen, und zwar gemäss Art. 12 Abs. 2 i.V. mit Art. 15 ZUG.
Die Politische Gemeinde A gelangt mit Beschwerde ans Verwaltungsgericht, das diese an sich grundsätzlich abweisen müsste, doch wegen mangelnder Befristung der Rückvergütung teilweise gutheisst.
Aus den Erwägungen:
2. a) Gemäss § 1 Abs. 2 SHG haben die Politischen Gemeinden Hilfe zur Behebung sozialer Not zu leisten. Zuständig ist die Wohnsitzgemeinde des Hilfsbedürftigen. Die Gemeinde des Aufenthaltsorts ist zuständig, solange die Wohnsitzgemeinde nicht feststeht oder wenn jemand unaufschiebbar der Hilfe bedarf (§ 4 Abs. 1 SHG). Wohnsitz und Aufenthalt bestimmen sich nach den Vorschriften des ZUG (§ 4 Abs. 2 SHG).
Auszugehen ist von der Rückerstattungspflicht für Heimatgemeinden gemäss § 20 SHG, denn allein darauf kann sich die das Verfahren auslösende «Unterstützungsanzeige» vom 14./15. Februar 2001 stützen. Zumindest zwischen den beteiligten Fürsorgeämtern ist unbestritten, dass P wenigstens ab 1. April 2000 unterstützungspflichtige Gemeinde ist, und zwar aufgrund der Wohnsitznahme von N bei seiner Mutter im Restaurant in P. So steht es auch in der Unterstützungsanzeige. Mit dem Eintritt von N in die Psychiatrische Klinik per 27. Oktober 2000 und dem Übertritt in den Zehntenhof per 5. Februar 2001 begründete N weder in der Politischen Gemeinde Münsterlingen, noch in der Politischen Gemeinde Lengwil Unterstützungswohnsitz (vgl. Art. 5 ZUG). Entgegen der Auffassung des DFS wurde damit keine Pflicht der Aufenthaltsgemeinde (Lengwil) zur Unterstützung von N begründet, denn Unterstützungswohnsitz hatte er (vgl. Art. 12 Abs. 2 ZUG), nämlich in P (vgl. Art. 9 Abs. 3 ZUG).
Ebenso unbestritten ist, dass während des Aufenthalts von N in L (SH) die Unterstützungszuständigkeit von P aufgrund dessen Wohnsitznahme per 17. November 1996 weiterhin Bestand hatte.
Gegensätzliche Meinungen bestehen allerdings darüber, ob der abrupte Weggang aus der Therapie im Heim in L (SH) und der 12-wöchige Aufenthalt von N in A den vorherigen Unterstützungswohnsitz in P beendet beziehungsweise unterbrochen hat und damit der Zuzug nach P per 1. April 2000 einen neuen Unterstützungswohnsitz in P hat entstehen lassen. Nur wenn dies zu bejahen wäre, könnte in P ab 1. April 2000 überhaupt eine neue Wohnsitznahme mit Auslösung der Zweijahresfrist für eine Rückforderung gemäss § 20 Abs. 1 SHG entstanden sein. Die erste Zweijahresfrist für einen allfälligen Rückgriff von P auf A war ja längst abgelaufen (17. November 1996 bis 16. November 1998). Darum geht es, wie sich aus der dieses Verfahren auslösenden Unterstützungsanzeige ergibt, klarerweise nicht.
b) Die Umschreibung des Unterstützungswohnsitzes im ZUG lehnt sich bewusst an die Wohnsitzregelung von Art. 23 ZGB an. Eine vollständige Übereinstimmung der Wohnsitzbegriffe beider Gesetze besteht indes nicht: Während das ZGB sicherstellt, dass jede Person stets über einen zivilrechtlichen Wohnsitz verfügt, besteht gemäss ZUG die Möglichkeit, dass kein Unterstützungswohnsitz besteht. Insbesondere existiert ein dem fiktiven zivilrechtlichen Wohnsitz von Art. 24 Abs. 2 ZGB nachgebildeter obligatorischer Unterstützungswohnsitz im Sozialhilferecht nicht. Das ZUG stellt jedoch sicher, dass auch bei fehlendem Unterstützungswohnsitz Sozialhilfeleistungen erbracht werden (Wolffers, Grundriss des Sozialhilferechts, 2. Aufl., Bern/Stuttgart/Wien 1999, S. 51 f.; vgl. auch Thomet, Kommentar zum Bundesgesetz über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger, Zürich 1994, Rz 153), nämlich durch den Aufenthaltskanton beziehungsweise die Aufenthaltsgemeinde.
Spätestens mit dem (selbstverschuldeten) Ausscheiden von N aus dem Heim in L (SH) muss jedoch das Fortdauern des Unterstützungswohnsitzes in P sein Ende haben, kann es doch nicht angehen, einen nur aufgrund von Art. 5 i.V. mit Art. 9 Abs. 3 ZUG bestehenden Unterstützungswohnsitz weiterhin aufrecht zu erhalten, obschon kein Heimaufenthalt mehr vorliegt (vgl. Thomet, a.a.O., Rz 148). Im vorliegenden Fall war die Beendigung des Heimaufenthalts definitiv und nicht nur für kurze Zeit. Ob er sich in L (SH) abgemeldet hat oder nicht, ist nicht relevant. Ob er dann in A Wohnsitz begründete, ist für die vorliegende Frage ebenso völlig unerheblich. Hätte er während dieser Zeit Unterstützungsleistungen bedurft, so hätte diese A wenigstens aufgrund seines Aufenthalts erbringen müssen. Doch auch darum geht es nicht, sondern – wie gesagt – darum, ob der bisher bestehende Wohnsitz in P beendet beziehungsweise per 1. April 2000 wieder aufgelebt ist. Das ist zu bejahen. Für eine Perpetuierung des Unterstützungswohnsitzes, wie es A sieht, ist die Berufung auf Thomet, a.a.O., Rz 146, nicht tauglich, handelt es sich doch dort um Ausführungen betreffend den Wegzug aus einem Kanton, während es hier um einen Heimaustritt geht. Ebenso nichts trägt die Frage bei, wo der Heimatschein hinterlegt war. So wäre die Beschwerde eigentlich abzuweisen. Allerdings ist sie deshalb teilweise gutzuheissen, weil die Vorinstanz es für angezeigt hielt, sich nicht an die von der Gemeinde P angezeigte Unterstützungsbefristung zu halten. Dass der geltend gemachte Rückgriff auf die Heimatgemeinde nur für zwei Jahre besteht, entspricht dem Gesetz. Zu all den übrigen Vorbringen ist deshalb nicht weiter Stellung zu beziehen.
Entscheid vom 20. Februar 2002