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TVR 2002 Nr. 42

Unzuständigkeit des Versicherungsgerichts zur Beurteilung von Klagen aus Taggeldversicherungsverträgen gemäss VVG


Art. 12 Abs. 2 KVG, § 69 a Abs. 1 Ziff. 2 VRG


Die Taggeldversicherung nach VVG ist keine Zusatzversicherung nach Art. 12 Abs. 2 KVG. Das Versicherungsgericht ist daher zur Beurteilung von Klagen aus Taggeldversicherungsverträgen nach VVG nicht zuständig.


Die Krankenkasse B forderte von ihrem Versicherten L den Betrag von Fr. 18 068.60 zurück, habe sie ihm doch in diesem Umfang zuviel Taggeld ausbezahlt. Nachdem L die Rückzahlung verweigerte, gelangt die Krankenkasse B mit Klage ans Versicherungsgericht. Dieses tritt darauf nicht ein.

Aus den Erwägungen:

1. a) Zu klären ist die Frage der Zuständigkeit des Versicherungsgerichts zur Beurteilung der vorliegenden Klage.
Gemäss § 69a Abs. 1 VRG beurteilt das Verwaltungsgericht als Versicherungsgericht als einzige kantonale Instanz (unter anderem): Beschwerden gemäss Art. 86 sowie Streitigkeiten gemäss Art. 89 KVG und Streitigkeiten aus Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung nach dem KVG. Das KVG regelt in Art. 67 ff. die «freiwillige Taggeldversicherung». Die entsprechende Rechtspflege richtet sich nach Art. 86 ff. KVG. Zuständig hierfür ist das Versicherungsgericht.
Daneben können Versicherer auch Taggeldversicherungen nach dem VVG führen. Zuständig für Streitigkeiten aus Versicherungsvertrag sind die Zivilgerichte (vgl. Art. 47 Abs. 1 VAG). Für Streitigkeiten aus Zusatzversicherung zur sozialen Krankenversicherung nach KVG (gemäss Art. 12 Abs. 2 KVG) – die materiell ebenfalls dem VVG unterliegen (Art. 12 Abs. 3 KVG) – haben die Kantone ein einfaches und rasches Verfahren vorzusehen, in dem der Richter den Sachverhalt von Amtes wegen feststellt und die Beweise nach freiem Ermessen würdigt (Art. 47 Abs. 2 VAG). Zuständig im Kanton Thurgau für diese besondere Sparte (die Zusatzversicherungen nach Art. 12 Abs. 2 KVG) sind jedoch nicht die Zivilgerichte, sondern – wie bereits erwähnt – das Versicherungsgericht (§ 69a Abs. 1 Ziff. 2 VRG). Die Taggeldversicherung nach KVG und jene nach VVG können vom gleichen Versicherer betrieben werden, wenn er die zwei dafür erforderlichen Bewilligungen besitzt (Maurer, Das neue Krankenversicherungsrecht, Basel 1996, S. 108).
Die Taggeldversicherungen nach VVG sind jedoch keine Zusatzversicherungen im Sinne von Art. 12 Abs. 2 KVG. Dies ergibt sich aus der Systematik des KVG selber, welches im 2. Titel über die obligatorische Krankenversicherung (wie gesagt in Art. 12 Abs. 2 KVG) die Zusatzversicherung erwähnt und im 3. Titel die freiwillige Taggeldversicherung (nach KVG) regelt. Bei der Taggeldversicherung nach VVG handelt es sich demnach nicht um eine (der Sozialversicherung nahestehende) Zusatzversicherung beziehungsweise Sozialversicherung (Maurer, a.a.O., S. 107), sondern um ein rein privatrechtliches Rechtsverhältnis.
Betrachtet man nun die vorliegende Streitsache näher, so fällt auf, dass die Krankenkasse sich durchs Band auf den Standpunkt stellt, es handle sich um eine Taggeldversicherung (Schadenversicherung) nach VVG. Sie fand es allerdings nicht nötig, den Antrag zum Abschluss der Taggeldversicherung (vgl. Art. 1 Abs. 1 VVG) ins Recht zu legen. Eingereicht wurden nur die «Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB)» sowie die (speziellen) Bedingungen für die «Taggeldversicherung», je Ausgabe 1999. Nach deren Art. 3 Abs. 2 hat der Antragsteller die Wahl zwischen einer Taggeldversicherung nach KVG oder einer Erwerbsausfallversicherung nach VVG. Daraus ergibt sich ohne weiteres, dass sich die Krankenkasse auf den von ihr eingenommenen Standpunkt stellen kann, andererseits aber auch, dass sie darauf zu behaften ist. Der Beklagte widerspricht dem in keiner Weise. Dies wiederum führt zur Unzuständigkeit des Versicherungsgerichts zur Beurteilung der vorliegenden Klage.

Entscheid vom 3. Juli 2002

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