TVR 2003 Nr. 13
Rechtsmittelbefugnis des Pächters gegen Bewilligungsentscheid zum Erwerb eines landwirtschaftlichen Grundstücks
Ist dem Pächter der Bewilligungsentscheid zum Erwerb eines landwirtschaftlichen Grundstückes durch einen Dritten nicht eröffnet worden, kommt dem inzwischen neuen Pächter nicht das Recht zu, die Bewilligung hinterher in Frage zu stellen.
Die Schweizerische Eidgenossenschaft, vertreten durch das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS), war Eigentümerin der Parzelle Nr. 238 in der Gemeinde S. Diese befindet sich gemäss Zonenplan der Gemeinde in der «Freihaltezone Landschaft», also im Nichtbaugebiet. Q, Hobbyschafhalter, war ab 1. Dezember 1995 Pächter dieser Parzelle. Mit Schreiben vom 12. November 1999 kündigte das VBS die Pacht auf den 31. Dezember 2000. Am 23. März 2000 ersuchte die Gemeinde S das Landwirtschaftsamt des Kantons Thurgau um Bewilligung zum Erwerb von Parzelle Nr. 238 mit dem Kaufgrund: «ortsplanerische Gründe, Verlegung eines Weges.» Das Landwirtschaftsamt bewilligte mit Entscheid vom 15. Mai 2000 den beabsichtigten Erwerb der Parzelle Nr. 238 durch die Gemeinde S, da «der Erwerb zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben diene, wenn auch nicht nach Plänen des Raumpflegerechtes», und auch «aufgrund der relativ kleinen Fläche und der isolierten Lage, die für eine rationelle landwirtschaftliche Nutzung nur bedingt geeignet sei.» Die Gemeindeversammlung der Politischen Gemeinde S stimmte dem Kauf dieser Parzelle am 29. August 2000 zu. Am 3. November 2000 erfolgte der entsprechende Eintrag im Grundbuch. Seit dem 1. Januar 2001 ist Landwirt F Pächter dieser Parzelle.
Mit Eingabe vom 19. April 2001 erhob F «Rekurs, respektive Nichtigerklärung gegen den Kauf der Parzelle Nr. 238 durch die Politische Gemeinde S» per Adresse der Rekurskommission für Landwirtschaftssachen. Er machte geltend, er habe die Kaufbewilligung des Landwirtschaftsamtes am 26. März 2001 zur Einsicht erhalten. Gemäss juristischer Auskunft könnten Kaufverträge sechs Monate ab Grundbucheintrag angefochten werden, also bis 3. Mai 2001, vorausgesetzt, dass innert 30 Tagen ab Kenntnis der nichtigen Kaufbewilligungsgründe Rekurs erhoben werde. Er wahre diese Fristen. Die Bewilligung missachte die Zielsetzung des Bodenrechtes «Bauernland in Bauernhand.» Mit Schreiben vom 11. Oktober 2001 teilte die Rekurskommission F mit, er sei zum Rekurs nicht legitimiert, da er nicht Pächter gewesen sei. Darauf nahm F Stellung und machte geltend, die Legitimation ergebe sich aus der Vorgeschichte. Am 5. August 2002 hiess die Rekurskommission für Landwirtschaftssachen den Rekurs gut und wies die Vorinstanz an, die Grundbuchberichtigung im Sinne der Erwägungen zu veranlassen. Die Schweizerische Eidgenossenschaft sei weiterhin Eigentümerin der Parzelle Nr. 238. Dagegen liess die Politische Gemeinde S Beschwerde beim Verwaltungsgericht erheben, das diese gutheisst.
Aus den Erwägungen:
2. a) Bei Parzelle Nr. 238 handelt es sich unbestrittenermassen um ein landwirtschaftliches Grundstück, das unter die Bestimmungen des BGBB fällt, umfasst es doch mehr als 25 a (Art. 2 Abs. 3 BGBB).
b) Ebenso unbestritten ist, dass die Bewilligung des Landwirtschaftsamtes dem damaligen Pächter Q nicht eröffnet worden ist. Die Mitteilungspflicht an den aktuellen Pächter gemäss Art. 83 Abs. 2 BGBB ist ein direkter Reflex von dessen Beschwerdebefugnis nach Art. 83 Abs. 3 BGBB. Diese Beschwerdebefugnis kann nur wahrgenommen werden, wenn der Berechtigte Kenntnis vom Entscheid hat; umgekehrt kann der Entscheid nur in Rechtskraft erwachsen, wenn sämtliche Berechtigten auf die Beschwerde verzichtet haben. Die Beschwerdefrist wird erst durch die Kenntnis der Beteiligten von der Bewilligung ausgelöst (Stalder, Das bäuerliche Bodenrecht, Brugg 1995, Art. 83 N. 11). Die Vorinstanz geht nun davon aus, eine «spätere Eröffnung» an den damaligen Pächter tauge nicht, weil er nicht mehr Pächter sei, und somit auch nicht mehr durch den Bewilligungsentscheid beschwert sei. Damit würde aber die Beschwerdebefugnis aus den Angeln gehoben. Eine unterbliebene Eröffnung eines Bewilligungsentscheides könne nur dadurch geheilt werden, dass sie an diejenige Person individuell zugestellt werde, die im Zeitpunkt der nachgeholten Eröffnung Pächter der fraglichen Parzelle sei. Der rekurslegitimierte Pächter müsse demnach immer derjenige sein, welcher im Zeitpunkt der Eröffnung auch tatsächlich Pächter sei. Das sei ab 1. Januar 2001 Landwirt F. Nachdem dieser am 26. März 2001 Kenntnis vom Bewilligungsentscheid erhalten habe, sei seine Eingabe rechtzeitig.
Die Politische Gemeinde bringt vor, die Vorinstanz habe F die Reku
slegitimation zu Unrecht zugestanden. Zu Recht, gehen doch Art. 83 Abs. 2 und 3 BGBB davon aus, dass der Bewilligungsentscheid dem (aktuellen) Pächter zu eröffnen ist, beziehungsweise dass dieser (aufgrund seiner starken Rechtsposition) zur Beschwerde berechtigt ist. Eine nachträgliche Eröffnung an den neuen Pächter verleiht diesem aber nicht die Rechtsmittelberechtigung, denn vom Bewilligungsentscheid «betroffen» ist der neue Pächter weder in seiner rechtlichen noch in seiner tatsächlichen Stellung. Die Vorinstanz ist demnach zu Unrecht auf die Eingabe von F eingetreten. Daran ändert nicht die von ihm erwähnte «schiefgelaufene Vorgeschichte betreffend Einstieg in das Pachtverhältnis.» Nicht darüber zu befinden ist, ob auf einen Rekurs des damaligen Pächters hätte eingetreten werden müssen. Schon deswegen ist die Beschwerde gutzuheissen.
c) Es kommt hinzu, dass F die Eigentümerposition der Gemeinde durch die Annahme der Pacht anerkannt hat. Mit seiner Eingabe setzt er sich zu seinem eigenen Verhalten in Widerspruch (venire contra factum proprium), was rechtsmissbräuchlich ist.
d) Schliesslich hatte F – wie übrigens der damalige Pächter Q auch – schon längst Kenntnis vom Vorliegen eines Bewilligungsentscheides, ist ihm doch die Botschaft zur Gemeindeversammlung vom 29. August 2000 unbestrittenermassen ebenso zugekommen. Ob F im damaligen Zeitpunkt allerdings dagegen beschwerdebefugt gewesen wäre, will damit nicht gesagt sein.
e) Die Beschwerde ist somit gutzuheissen. Der Vorinstanz ist zudem in Erinnerung zu rufen, dass es hier nicht um einen Fall von Nichtigkeit, sondern – wenn schon – um Anfechtbarkeit geht (angefochten hat der damalige Pächter den Bewilligungsentscheid allerdings nicht). Nichtig im Sinne von Art. 70 BGBB sind nur Rechtsgeschäfte, die den Verboten der Realteilung und der Zerstückelung von Grundstücken oder den Bestimmungen von Art. 61 bis 69 BGBB zuwiderlaufen oder deren Umgehung bezwecken. Hier aber liegt eine Bewilligung des Landwirtschaftsamtes vor, die – abgesehen von ihrer materiellen Richtigkeit – «nur» den Mangel aufweist, dass sie nicht dem damaligen Pächter eröffnet worden ist. Darin liegt keine «Umgehung». Nicht von der Nichtigkeitsfolge erfasst werden jene Geschäfte, für die eine Bewilligung – wenn auch möglicherweise aus materieller Sicht zu Unrecht – erteilt wurde. Auch eine möglicherweise rechtsfehlerhafte Bewilligung erwächst in Rechtskraft und kann nur unter den Voraussetzungen von Art. 71 BGBB (Einschleichen durch falsche Angaben) widerrufen werden (Stalder, a.a.o., Art. 70 N. 6 und Art. 72 N. 7). Ein solcher Fall liegt nicht vor.
Entscheid vom 30. April 2003
Das Bundesgericht hat die dagegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit Urteil 5A.13/2003 vom 7. November 2003 abgewiesen.