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TVR 2003 Nr. 14

Keine Schulgeldübernahme durch Schulgemeinde für Besuch einer Privatschule


Art. 19 BV, Art. 62 BV, § 2 Abs.1 UG


1. Das Unterrichtsgesetz bezweckt, dass jeder Schüler die ihm gerechte bestmögliche, nicht aber optimalste Schulbildung erhält. Diese Schranke gründet in der Leistungsfähigkeit des Staates. Das Angebot der öffentlichen Schulen ist somit beschränkt (E. 3e).

2. Auch für Kinder mit Schulschwierigkeiten besteht ein breites, aber ebenso beschränktes Angebot der öffentlichen Schulen, das (in der Regel) unentgeltlich ist (E. 3a).

3. Der Besuch einer privaten Schule aufgrund von Schulschwierigkeiten zur optimalen Schulbildung führt nicht dazu, dass die öffentliche Schule das Schulgeld zu übernehmen hat. Das UG kennt den mit dem Schlagwort bezeichneten «Bildungsgutschein» nicht (E. 3c).


Gabi F (Name geändert), geboren 26. Juni 1992, ist das Adoptivkind des Ehepaares F. Gemäss Aufzeichnungen der Schulgemeinde wurde 1999 eine auffällige Arbeitshaltung Gabis festgestellt. An einem Elterngespräch vom 2. Mai 2000 sei bekundet worden, dass Gabi kein Lerninteresse, keine Eigenmotivation zeige und auch schwer von Lehrkraft und Mitschülern zu motivieren sei. Es folgen weitere Aufzeichnungen von Elterngesprächen und Standortbestimmungen. Unter dem Datum vom 28. Februar 2003 heisst es, Gabis Leistungen hätten sich in der 4. Klasse zunehmend verschlechtert. Sie kompensiere ihre Schwierigkeiten mit unangepasstem Verhalten (Lügen/Betrug/Provokation). Die aktuelle Situation vom 27. März 2003 hält unter anderem fest, Gabis Schulleistungen und ihre Arbeitshaltung seien ungenügend, sie schummle und lüge. Ihre Mutter arbeite seit Jahren bis zu drei Stunden täglich mit ihr, um ihre Schulleistungen zu verbessern. Nun habe sie eine Schnupperwoche in einem Internat verbracht, wo sich ihr Arbeitsverhalten verbessert habe. Am 7. April 2003 berichtete der Pädagogisch-Psychologische Dienst (PPD) der Schulgemeinde über Gabi und empfahl, die Platzierung in einer entsprechenden Internatsschule. Dabei sei vorgängig der Kostenträger (Eltern, Fürsorge oder Schulgemeinde?) verbindlich festzulegen. Falls es die Eltern und die Schulbehörde wünschten, könne eine geeignete Sonderschule vorgeschlagen werden. Eine Kopie ging an die Eltern. Mit Schreiben vom 9. April 2003 an die Schulgemeinde stellten die Eltern F das Gesuch um Übernahme der Schulgelder der Internatsschule. Nachdem sämtliche Möglichkeiten in der Schulgemeinde sowie auch die Möglichkeiten der Mutter ausgeschöpft seien, hätten sie sich entschieden, ihre Tochter ab den Frühlingsferien in die Internatschule anzumelden. Sie bäten um Übernahme des Schulgeldes (Fr. 7’800.– pro Quartal); die restlichen Kosten für Internat-Aufenthalt (Unterkunft und Verpflegung [Fr. 1’950.– und Fr. 1’936.– pro Quartal]) und Zusatzbetreuung gingen zu ihren Lasten. Am 21. April 2003 trat Gabi in die Internatsschule ein. Mit Schreiben vom 24. April 2003 teilte der Präsident der Schulgemeinde den Eltern die Ablehnung des Gesuches mit. Dagegen liessen die Eltern Rekurs beim DEK einlegen. Dieses weist ab. Das Verwaltungsgericht weist ebenso ab.

Aus den Erwägungen:

3. Die Beschwerdeführer stützen sich für ihren Standpunkt auf Art. 19 BV. Für Kinder, die nicht dem gewöhnlichen Primarschulunterricht folgen könnten, habe der Kanton besondere Unterrichtsformen und Sonderschulen einzurichten, oder wo solche fehlten, die Kosten für einen ausreichenden Unterricht zu übernehmen. Aufgrund des Berichtes des PPD und des Berichts der Lernberaterin hätten sie ihre Tochter ins Internat geschickt, also nicht ohne langes Überlegen aus eigenem Entschluss und nicht ohne Rücksprache mit den zuständigen Organen. Gemäss Bericht der Schulpsychologin sei Gabi klar nicht sonderschulbedürftig. Krass sei die Sachverhaltsfeststellung, Gabi würde eine spezielle Betreuung benötigen, weil die Beziehung zu den Eltern problematisch sei. Die familiären Spannungen resultierten ja gerade aus der für alle Beteiligten unbefriedigenden Schulsituation von Gabi. Die Mutter habe versucht, das von Gabi in der Schule Versäumte mit ihr zu Hause nachzuholen und sei dabei wahrscheinlich bis an die Grenzen des Zumutbaren gelangt. Das dürfe ihr nun nicht ernsthaft als falsches pädagogisches Verhalten ausgelegt werden. Der Vorschlag der Repetition der 4. Klasse verbunden mit einer Erziehungsberatung aus Kostengründen sei nicht angängig, da dies eine suboptimale Lösung sei. Im Falle einer zweiten Repetition würde Gabi sonderschulpflichtig, womit das Problem für die Schulgemeinde elegant gelöst wäre. Nicht hinzunehmen sei schliesslich die pauschale Argumentation der Vorinstanz, der Anspruch des Art. 19 BV würde sich nach den Grenzen der Leistungsfähigkeit der Schulgemeinde, der Zweckmässigkeit, der Angemessenheit und der Verhältnismässigkeit richten. Liesse man derart pauschale Argumentationen zu, müssten sich Behörden in Zukunft überhaupt nicht mehr mit dem konkreten Fall auseinandersetzen.

a) Art. 19 BV gewährleistet als soziales Grundrecht den Anspruch auf ausreichenden und unentgeltlichen Grundschulunterricht. Die verfassungsrechtlich gebotenen Minimalansprüche finden ihre Grenzen in der Leistungsfähigkeit des Staates (BGE 129 I 29). Der Anspruch auf Grundschulunterricht umfasst somit ein angemessenes, erfahrungsgemäss ausreichendes Bildungsangebot an öffentlichen Schulen; ein Mehr an individueller Betreuung, das zwar theoretisch möglich wäre, kann mit Rücksicht auf das staatliche Leistungsvermögen aber nicht gefordert werden (BGE 129 I 19 f.). Nach Art. 62 BV sorgen die für das Schulwesen zuständigen Kantone für einen ausreichenden, allen Kindern offenstehenden, an öffentlichen Schulen unentgeltlichen Grundschulunterricht. Die Anforderungen, die Art. 19 BV an den «ausreichenden» obligatorischen Grundschulunterricht stellt, belässt den Kantonen bei der Regelung des Grundschulwesens einen beachtlichen Gestaltungsspielraum und ist daher durch ein Gesetz zu regeln (Müller, Verfassungsrecht der Schweiz, Zürich 2001, § 39 N. 52). Gemäss § 70 Abs. 1 KV unterstützen der Kanton und die Schulgemeinden die Eltern bei der Bildung und Erziehung der Kinder. Der Kanton und die Schulgemeinden führen Kindergärten, Volksschulen, Berufsschulen und Mittelschulen. Der Besuch öffentlicher Schulen ist für Kantonseinwohner unentgeltlich. Der Kanton kann Privatschulen oder Erziehungsheime unterstützen. Grundsatz und Bestand der öffentlichen Schulen müssen gewahrt bleiben (§ 71 KV). Um die Frage eines allfälligen Unterstützungsbeitrages des Kantons an eine Privatschule geht es aber im vorliegenden Fall nicht, sondern um die Frage einer Schulgeldübernahme zu Gunsten der Eltern.
Das Gesetz über das Unterrichtswesen bezweckt, das Bildungs- und Erziehungswesen so zu ordnen, dass jeder Schüler die ihm gerechte bestmögliche Schulbildung erhält (§ 2 Abs. 1 UG). Bedarf ein Schüler besonderer Förderung, können Aufgabenhilfen eingesetzt, Nachhilfeunterricht erteilt und Förderkurse oder heilpädagogische Massnahmen angeordnet werden. Ist ein Kind in der Regelklasse dauernd überfordert, weist es die Schulvorsteherschaft, sofern seine Schwierigkeiten nicht mit anderen Massnahmen behoben werden können, in eine Sonderklasse («Sonderklassen dienen der Förderung von schulbildungsfähigen Kindern mit allgemeiner Lernbehinderung oder Verhaltensstörungen» [§ 26 RRV VKG]) oder in eine Sonderschule ein (§ 9 Abs. 2 GVK). Gemäss Art. 10 UG kann der Regierungsrat Bildungsaufgaben für einen kleineren Kreis von Schülern, namentlich für schulpflichtige entwicklungsbehinderte Kinder selbst erfüllen oder einzelnen Gemeinden oder privaten Institutionen übertragen. Das Nähere dazu ist in der SonderschulV geregelt.

b) Das DEK geht davon aus, Gabi sei nicht sonderschulbedürftig. Dafür liegen aufgrund der Berichte der Schulpsychologin und der Lernberaterin in der Tat keine Anhaltspunkte vor und auch die Beschwerdeführer, die zwar die Begriffe Sonderklasse/Sonderschule teilweise zu verwechseln scheinen, gehen ausdrücklich davon aus. Somit stellt sich auch die Frage nicht, ob die gewählte Internatsschule eine sogenannte Vertragsschule gemäss SonderschulV ist, für deren Besuch der Kanton Beiträge an diese gemäss § 8 SonderschulV entrichtet (vgl. TVR 1995, Nr. 12). Läge Sonderschulbedürftigkeit vor, könnte sich der Kanton jedoch nicht seiner Verantwortung entledigen (vgl. § 5 SonderschulV). Hier aber besteht – wie gesagt – keine Sonderschulbedürftigkeit, so dass das Nichteintreten auf den Antrag der Übernahme des Schulgeldes durch den Kanton zu Recht ausgesprochen wurde.

c) Die Beschwerdeführer verkennen mit ihrem Gesuch um Schulgeldübernahme das allgemeine Prinzip, wonach nur die öffentlichen Schulen unentgeltlich sind. Der Besuch einer privaten Schule anstelle der öffentlichen Schule geht grundsätzlich zu Lasten des Privaten. Das Gesetz sieht nirgends eine Grundlage vor, die dem Kanton oder den Schulgemeinden erlaubte oder diese verpflichtete, das Schulgeld für den Besuch einer Privatschule ganz oder teilweise zu übernehmen. Das Gesetz kennt den mit dem Schlagwort bezeichneten «Bildungsgutschein» ausdrücklich nicht (vgl. dazu Plotke, Schweizerisches Schulrecht, 2. Aufl., Bern 2003, S. 41 f.).

d) Den Berichten der Schulpsychologin ist zu entnehmen, dass Gabi, die durchschnittlich intelligent sei, von Anfang an schulische Probleme hatte, welche sich trotz oder gerade wegen des aufopfernden Engagements ihrer Mutter, bei den stundenlangen Hausaufgaben nicht zum Besseren gewendet hätten. Das verunsicherte Mädchen, das bei der Mutter wenig emotionalen Rückhalt gefunden haben soll, sei an den Erwartungen, der schulische Rückstand könne mit grossem Einsatz aufgeholt werden, zerbrochen. Die erneuten Misserfolge hätten demotivierend gewirkt und hätten zu einer psychisch bedingten Lernblockade geführt. Die Ursachen dieser verfahrenen Situation seien weniger im intellektuellen Leistungsvermögen der Schülerin zu suchen, das durch spezifische therapeutische oder heilpädagogische Massnahmen hätte angehoben werden können, als vielmehr darin, dass sich die wegen den grossen Erwartungen einer fürsorglichen, aber überengagiert agierenden Mutter belasteten familiären Verhältnisse mit einem Internatsbesuch während der Woche wieder in ruhigere Bahnen lenken liessen. Demgegenüber schliesst sich der Schulinspektor dem an, was schon die Lernberaterin festhielt: Mit einer Klassenrepetition könne es gelingen, Gabi auf einen sichereren Boden zu bringen, nicht nur was ihr intellektuelles Leistungsvermögen, sondern vor allem, was die Aktivierung und Wiederentdeckung der eigenen Ressourcen, die Stärkung ihres Selbstbewusstseins betreffe. Es spricht damit nichts gegen die von der Schulgemeinde, den beteiligten Ämtern und dem DEK vorgeschlagenen Massnahmen – Repetition der 4. Klasse, verbunden mit schulischen Förderungsmassnahmen und allenfalls begleitet von einer Erziehungsberatung der Eltern, oder ein von allen Beteilig-ten getragener Versuch, Gabi in einer kleinen Sonderklasse individuell zufördern –, welche in der öffentlichen Schule im Übrigen weitgehend unentgeltlich angeboten werden. Entgegen der Darstellung der Beschwerdeführer ist es also nicht so, dass alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Wenn die Beschwerdeführer davon ausgehen, eine Repetition der 4. Klasse führe praktisch zwangsläufig in die Sonderschule, so unterstellen sie Gabi gewissermassen von vorneherein ein Scheitern.

e) Die Beschwerdeführer verkennen mit ihrer Argumentation (indem sie die Repetition der 4. Regelklasse als suboptimale und die Internatsschule aufgrund des Berichts der Lernberaterin als optimale Lösung darstellen) auch klar, dass kein Anspruch auf optimalste Schulung besteht (vgl. Broghi, Kommentar zur Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Zürich 1996, Art. 27, Rz 29). Es besteht nur Anspruch auf bestmögliche Schulbildung gemäss § 2 Abs. 2 UG; diese findet ihre Schranken in der Leistungsfähigkeit des Staates, wobei aufgrund des Gesetzes ein «numerus clausus» im Angebot der öffentlichen Schulen gilt.

f) Die Frage der Kostentragung war im Übrigen im Bericht des PPD vom 7. April 2003 ausdrücklich erwähnt. Die Beschwerdeführer haben die Antwort auf ihr Gesuch vom 9. April 2003 nicht abgewartet und damit eigenmächtig gehandelt. Eine Berufung auf Treu und Glauben verliefe damit von vornherein im Sand.

Entscheid vom 12. November 2003

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