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TVR 2003 Nr. 21

Erschliessungsbeiträge für Strassenausbau, Sondervorteil als Voraussetzung. Bemessung der Beitragshöhe


§ 52 ff. aPBG


1. Bei einem Ausbau einer bestehenden Erschliessungsstrasse ist ein Sondervorteil dann zu bejahen, wenn die Erschliessung einzelner Grundstücke durch den Ausbau wesentlich verbessert wird. Dabei ist auf die mögliche Nutzung abzustellen.

2. Das System der festen Ansätze für Erschliessungsstrassen taugt in der Regel für den Ausbau derselben nicht (E. 2c).

3. In den Perimeter sind alle durch das Werk erschlossenen Grundstücksflächen einzubeziehen und alsdann die Beiträge aufgrund der Angaben der prozentualen Überwälzung der Gesamtkosten nach Massgabe des ihnen erwachsenen Vorteils zu individualisieren beziehungsweise zu berechnen, unabhängig von der Frage, ob einzelne Betreffnisse allenfalls nicht zu begleichen sind (E. 2c und d).


Die Gemeinde O hatte im Gefolge der Neutrassierung einer Bahnlinie eine Reihe von Strassenanpassungen vorzunehmen. Für die Feldstrasse musste eine Unterführung erstellt werden. Alsdann wurde die Feldstrasse östlich der Unterführung verbreitert; zudem wurden ein Trottoir erstellt und für den dortigen Fussballplatz Parkplätze errichtet. Vom 23. Februar bis 16. März 2001 legte die Gemeindebehörde den Plan «Beitragsflächen und Kostenbetreffnis für die Strasse» öffentlich auf. Dagegen erhoben F und G Einsprache und erklärten, sie seien nicht bereit, an eine bereits bestehende und mit Belag versehene Strasse zu bezahlen. Auch durch die Erstellung eines Trottoirs und der Parkplätze erfahre ihre Liegenschaft keinerlei Mehrwert. Schliesslich wünschten sie eine Offenlegung der gesamten Strassenbaukosten. Insbesondere interessiere sie, wieviel das Bahnunternehmen als Auftraggeberin für die Feldstrasse bezahlt habe und wieviel die Gemeinde weiterverrechnen werde. Der Gemeinderat wies die Einsprachen ab. Er erwog unter anderem, die Strassenverbreiterung und das Trottoir brächten einen Sondervorteil. Da die Strasse vollumfänglich durch das Bahnunternehmen bezahlt worden sei, habe der Gemeinderat sich anstelle des festen Beitrages von Fr. 28.–/m2 für einen Ansatz von Fr. 7.–/m2 entschieden. Die dagegen erhobenen Rekurse wies das DBU ab. Die beiden Rekurrenten gelangen an das Verwaltungsgericht, das die Beschwerden in dem Sinne teilweise gutheisst, als es die Sache zur Neuberechnung an den Gemeinderat zurückweist.

Aus den Erwägungen:

2. a) Nach § 47 Abs. 1 1. Satz des PBG erheben die Gemeinden Beiträge gemäss § 52 PBG und Gebühren gemäss § 58 PBG. Neben obligatorischen Regelungen für Gebühren können die Gemeinden die Bemessungsfaktoren für die Beiträge in einem Reglement ordnen, das der Genehmigung durch den Regierungsrat bedarf (vgl. § 47 Abs. 2 PBG). Die Gemeinde O verfügt über ein derartiges Reglement, nämlich über die «Beitrags- und Gebührenordnung» vom 21. Mai 2000 (BGO), die per 1. Oktober 2000 in Kraft gesetzt wurde. Deren Art. 12 BGO bestimmt unter dem Titel «Bemessungsgrundsätze»:

«1 Die Beiträge für die Erstellung, Korrektion oder Erweiterung von Erschliessungsanlagen werden zu festen Ansätzen pro m2 (erschlossener Fläche) erhoben. Die Ansätze für die Erschliessungsbeiträge sind im Anhang I festgelegt.
2 Die Beiträge sollen in der Regel die Anlagekosten der Erschliessungsanlagen decken ... »

Für Sammel- und Erschliessunganlagen legt der Anhang I den Beitrag auf Fr. 28.–/m2 erschlossener Grundstücksfläche fest.

b) Im Zentrum für die Beurteilung des vorliegenden Falles steht jedoch § 52 PBG. Das PBG schreibt ein Verfahren vor, das nach dem «System der prozentualen Kostenüberwälzung» zweistufig ist, beim System der «festen Ansätze» aber nur einstufig ausgestaltet zu sein scheint (vgl. §§ 53 bis 57 PBG).
Im vorliegenden Fall hat die Gemeinde nicht den von ihr selbst festgesetzten Beitrag von 28.–/m2, sondern einen solchen von Fr. 7.–/m2 angewandt. Damit hat sie selbst anerkannt, dass das System der «festen Ansätze» für den hier zur Debatte stehenden Ausbau der Feldstrasse beziehungsweise des Neubaus des Trottoirs nicht in Frage kommt. Zu Recht, denn das System der «festen Ansätze» taugt angesichts der Maxime – wonach die Beiträge «nach den für das Werk zu deckenden Kosten bemessen» werden – in aller Regel nur für (Neu-)Erschliessungen, nicht aber für den «Ausbau oder die Korrektion» von Erschliessungsanlagen. Dem festen Ansatz von Fr. 7.–/m2 fehlt ja auch die gesetzliche Grundlage.
Betrachtet man nun das Vorgehen der Gemeinde, so fällt auf, dass der Kostenverteiler wohl deshalb nicht den Anforderungen gemäss § 53 PBG entspricht, weil die Gemeinde nach dem System der «festen Ansätze» verfahren ist. Sofern die Angaben der Beschwerdeführer über die Bauzeit zutreffen, hat das Bauprojekt entgegen § 54 PBG nicht mit dem Kostenverteiler öffentlich aufgelegen. Das ist für die zu beurteilenden Fragen jedoch nicht relevant. Entscheidend ist, dass nach dem System der «prozentualen Kostenüberwälzung» – das anstelle des Systems der «festen Ansätze» hätte verfolgt werden müssen – die Angaben von § 53 Abs. 1 Ziff. 3 PBG (das heisst der Prozentsatz der Überwälzung der Gesamtkosten und letztere) hätten aufgeführt werden müssen. Zwingend müsste auch das Abrechnungsverfahren mit Einspracheverfahren gemäss §§ 56 und 57 PBG folgen. Wie es sich damit verhält, ist Gegenstand der nachfolgenden Erwägungen 2c), denn zuvor ist über die grundlegenden Voraussetzungen der Beitragserhebung zu befinden.

c) Im vorliegenden Fall geht es – abgesehen vom Trottoir – nicht um eine (Neu-)Erschliessung, sondern um den Ausbau der Feldstrasse. Der Ausbau einer Erschliessungsanlage bewirkt gemäss Praxis nur dann einen Sondervorteil, wenn die Erschliessung der Grundstücke wesentlich verbessert wird. Keine Wertsteigerung bewirkt in der Regel der Ausbau einer Erschliessungsanlage, soweit die Grundstücke bereits durch die vorhandene Anlage genügend erschlossen sind (nach objektiven Kriterien).
Die Grundeigentümer machen unter Beilage von Fotos insbesondere geltend, dass ihre Grundstücke durch den früheren Standard der Strasse bereits genügend erschlossen gewesen seien. Das DBU sieht in der Sanierung der Feldstrasse eine wesentliche Verbesserung, da der bisherige Ausbaustandard dem Zonenzweck nicht gerecht geworden sei. Es habe sich bis anhin im Prinzip um einen Feldweg gehandelt, der im Laufe der Zeit mit einem einfachen Teerbelag versehen worden sei. Die neue Feldstrasse komme somit einer eigentlichen Neuerschliessung gleich. Dementsprechend bejahte das DBU grundsätzlich den Sondervorteil.
Dieser Sondervorteil muss wirtschaftlicher Art sein. Als solcher muss er realisierbar sein, das heisst, er muss in Geld ausgedrückt und in Geld umgesetzt werden können. Dass er auch effektiv realisiert wird, ist nicht erforderlich. Es genügt, wenn der Beitragsbelastete die Möglichkeit hat, durch geeignete Massnahmen den Vorteil zu nutzen (TVR 1998, Nr. 26). Für die Beurteilung des Sondervorteils spielt demnach nicht nur die effektive, sondern eben die mögliche Nutzung eine Rolle, so dass die Zone und deren Zweck, in der sich die massgeblichen Parzellen befinden, eine wesentliche Rolle spielen. Bei einem Ausbau einer bereits bestehenden Erschliessungsanlage ist ein Sondervorteil dann zu bejahen, wenn die Erschliessung einzelner Grundstücke durch den Ausbau wesentlich verbessert wird. Im konkreten Fall bedeutet dies, dass ein Sondervorteil zu bejahen ist, wenn ein Grundstück rascher, bequemer oder sicherer erreicht werden kann oder wenn die bauliche Nutzungsmöglichkeit des Grundstücks durch den Ausbau verbessert wird (Blumer, Abgaben für Erschliessungsanlagen nach dem Thurgauer Baugesetz, Zürich 1989, S. 68). Dabei ist ein objektiver Massstab anzuwenden und nicht auf subjektive aktuelle Bedürfnisse abzustellen.
Die beiden Parzellen an der Feldstrasse liegen gemäss Zonenplan in der Gewerbezone. Auf der nördlichen Seite befindet sich die Zone für öffentliche Bauten.
Die Betriebe der Beschwerdeführer bestehen ofenbar seit Mitte der 90er Jahre; beide werden ausschliesslich über die Feldstrasse erschlossen. Die Beschwerdeführer bringen vor, dass diese schon bisher mit einer Kofferung (circa 15 cm) und einer Breite von 4 m versehen gewesen sei. Die Strasse sei nun auf 5 m ausgebaut, mit einem Ersatzkoffer und einer Strassenentwässerung sowie Randabschlüssen versehen worden. Die gegenüberliegenden Parkfelder und das Trottoir dienten ausschliesslich den Besuchern von Sportanlässen und würden den eigenen Parzellen keinen Nutzen bringen.
Anlässlich des Augenscheines konnte festgestellt werden, dass der nun neu ausgebaute Teil der Feldstrasse einen bedeutend besseren Standard aufweist als das weiter östlich gelegene, noch nicht ausgebaute Teilstück. Allerdings wurde anlässlich des Augenscheines von der Gemeinde zugestanden, dass der bisherige Ausbaustandard im Bereich der Parzellen der Beschwerdeführer etwas besser und breiter gewesen sei, als das jetzt noch nicht ausgebaute östliche Teilstück. Die Beschwerdeführer andererseits mussten eingestehen, dass beim bisherigen Ausbaustandard lediglich das Kreuzen von zwei Personenwagen, nicht aber von Lastwagen, möglich war. Die der Beschwerde beigelegten Fotos zeigen, dass der Ausbaustandard dieses Strassenstücks für eine Gewerbezone nicht als genügend angesehen werden kann. Auch wenn der bisherige Ausbaustandard für die Bedürfnisse der Beschwerdeführer und deren Betriebe genügend war, handelte es sich nicht um eine für diese Zone angemessene Erschliessungsstrasse. Grundsätzlich kann daher festgestellt werden, dass der Ausbau der Feldstrasse von einer objektiv nur ungenügenden zu einer guten Erschliessung in diesem Bereich geführt hat, was als Sondervorteil im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen anzusehen ist.
Was das Trottoir betrifft, so handelt es sich um einen Neubau. Dieser bringt nach objektiver Betrachtung auch in einer Gewerbezone einen besonderen Vorteil, sei er für das Personal, sei er für Betriebswohnungen (vgl. TVR 2000 Nr. 26). Das sehen im Grunde genommen auch die Beschwerdeführer so. Eine andere Frage ist allerdings der Prozentsatz als «Massgabe des ihnen erwachsenen Vorteils» im Sinne von § 52 Abs. 2 PBG. Dazu wird auf Erwägungen 2e) verwiesen. Damit ergibt sich, dass die Grundstücke der Beschwerdeführer zu Recht in den Kostenverteiler aufgenommen worden sind beziehungsweise zu Recht zu Beiträgen herangezogen werden.

d) Wie bereits gesagt, kann vorliegend nicht nach dem System der «festen Ansätze» verfahren werden. Das hat zwangsläufig zur Folge, dass alle Grundstücke zu bezeichnen sind, die durch das Werk erschlossen werden (§ 53 Abs. 1 Ziff. 1 PBG), denn nur so kann eine gerechte «Kostenverteilung» erfolgen. Die Beschwerdeführer rügen nun, die nördlich gelegenen Parzellen (in der öffentlichen Zone) hätten ebenso einbezogen werden müssen. Zu Recht, denn sowohl der Strassenausbau als auch das Trottoir dienen diesen Parzellen beziehungsweise es werden diese Parzellen (ebenso) durch das Werk erschlossen (vgl. § 53 Abs. 1 Ziff. 1 PBG). Zumindest rechnerisch sind diese Parzellen einzubeziehen. Ob deren Eigentümer das auf sie entfallende Betreffnis zu begleichen haben, ist eine andere Frage (vgl. TVR 1998, Nr. 26).

e) Weiter ist der Sondervorteil, den die erschlossenen Grundstücke erfahren, zu «individualisieren»; es sind mit anderen Worten die Beiträge nach «Massgabe des erwachsenen Vorteils» (vgl. § 52 Abs. 2 PBG) durch die Angabe der «prozentualen Überwälzung der Gesamtkosten» festzulegen. Darüber ist nicht zu befinden, ist die Angelegenheit doch ohnehin an den Gemeinderat zurückzuweisen, damit er einen Kostenverteiler erstellt, der dem Gesetz Genüge tut.

f) Erforderlich ist nun aber ebenso eine Bauabrechnung im Sinne von § 56 PBG, die diesen Namen verdient. Denn was die Gemeinde diesbezüglich produziert hat, genügt nicht einmal in Ansätzen. So fehlt erstens trotz gerichtlicher Aufforderung die Angabe (und letztlich auch der Beleg), wieviel das Bahnunternehmen bezahlt hat. Zweitens müssten – hätte dieses die Strasse vollständig bezahlt – die Trottoirkosten sauber ausgeschieden werden. Dass nur jene Kosten überwälzt werden können, die die Gemeinde selbst bezahlt hat, müsste eigentlich auch der Gemeinde klar sein (vgl. Art. 12 und Art. 13 Abs. 2 BGO). Es gilt mit anderen Worten das Nettoprinzip. In der Bauabrechnung können selbstredend nur die Kosten des Ausbaus der Feldstrasse ab Unterführung sowie des Baus des Trottoirs über dieselbe Strecke aufgenommen werden.

g) Zusammenfassend ergibt sich, dass das Vorgehen der Gemeinde an gravierenden Mängeln krankt. Die Gemeinde hat deshalb nochmals von Vorne zu beginnen.

Entscheid vom 26. März 2003

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