Skip to main content

TVR 2003 Nr. 25

Aufnahme in ständige Liste


§ 30 aVöB


1. Die Nicht-Aufnahme in eine ständige Liste wegen Verstössen gegen den GAV/LMV ist zulässig. Massgeblich ist der Zeitpunkt der rechtskräftigen Feststellung des Verstosses (E. 3a und b).

2. Die Dauer des Ausschlusses von ständigen Listen muss dem Verhältnismässigkeitsprinzip entsprechen. Ein Ausschluss von 3 Jahren wegen schweren, aber einmaligen Verstössen gegen den GAV/LMV ist für ein Tiefbauunternehmen unverhältnismässig (E. 3c bis e).


Im Amtsblatt Nr. 7 vom 21. Februar 2003 publizierte das DBU die Mitteilung, der Kanton Thurgau führe gestützt auf § 30 VöB eine ständige Liste über qualifizierte Anbieterinnen und Anbieter des Bauhaupt- und Baunebengewerbes ein. In den Aufnahmebedingungen wird festgehalten, es sei (unter anderem) eine Bescheinigung der zuständigen Stellen einzureichen, welche belege, dass in den vergangenen drei Jahren kein Verfahren wegen Verletzung des GAV/LMV zu einer rechtskräftigen Verurteilung geführt habe.
Am 13. Juni 2003 reichte die S AG ein Gesuch um Aufnahme in die ständige Liste ein. In einer Bescheinigung der regionalen paritätischen Berufskommission für das Bauhauptgewerbe der Stadt St. Gallen wurde festgehalten, bei der Nr. 24/25 126 S AG sei im Zeitraum vom 1. Januar 1999 bis zum 28. Februar 2001 eine Lohnbuchkontrolle durchgeführt worden. Dabei seien verschiedene Verstösse gegen die Bestimmungen des Landesmantelvertrags (LMV) festgestellt worden. Nachdem die Firma die vorenthaltenen Lohnguthaben an die Arbeitnehmer, die Kontroll- und Verfahrenskosten sowie die Konventionalstrafe bezahlt habe, sei der Fall am 7. Oktober 2002 abgeschlossen worden. Am 10. Juli 2003 entschied das DBU, die Aufnahme in die ständige Liste werde abgelehnt. Begründet wurde die Ablehnung im Wesentlichen mit dem am 7. Oktober 2002 abgeschlossenen Verfahren wegen verschiedenen Verstössen gegen die Bestimmungen des LMV. Die Aufnahmebedingungen seien somit nicht erfüllt.
Die dagegen erhobene Beschwerde heisst das Verwaltungsgericht teilweise gut.

Aus den Erwägungen:

3. a) Nach § 30 VöB können die Auftraggeberinnen oder Auftraggeber ständige Listen über qualifizierte Anbieter führen. Zweck der Führung solcher ständiger Listen ist die Vereinfachung des administrativen Vergabeverfahrens durch die Einführung eines Systems zur Vorqualifikation der beruflichen Fähigkeiten der Anbieter und zur Kontrolle der Einhaltung der sozialen Anforderungen (Galli/Moser/Lang, Praxis des öffentlichen Beschaffungsrechts, Zürich/Basel/ Genf 2003, N. 311). Diese ständigen Listen werden also geführt, damit nicht bei jeder geplanten Beschaffung wieder ein neuer Eignungsnachweis erbracht werden muss. Die Aufnahme in diese Liste untersteht den selben Grundsätzen der Inländerbehandlung und der Nichtdiskriminierung wie die Vergabe der Aufträge (Galli/Lehmann/Rechsteiner, Das öffentliche Beschaffungswesen in der Schweiz, Zürich 1996, N. 156). Mit andern Worten geht es bei der Aufstellung einer ständigen Liste im Wesentlichen darum, gewisse, allgemein gültige Eignungskriterien vorab zu prüfen und diejenigen Firmen in die Liste aufzunehmen, welche diese Eignungskriterien erfüllen. Bei der Eignung ist in aller Regel zu prüfen, dass das konkrete Unternehmen den Auftrag in finanzieller, wirtschaftlicher und technischer Hinsicht erfüllen kann. Anhand der Eignungskriterien soll insbesondere die Leistungsfähigkeit eines Anbieters ermittelt werden. Eignungskriterien umschreiben also die Anforderungen, welche an die Anbieter gestellt werden, um zu gewährleisten, dass sie zur Ausführung des geplanten Auftrags in der Lage sind. Nicht berücksichtigt werden dürfen hingegen Kriterien, die die Eignung für die Ausführung des konkreten Auftrags nicht beeinflussen (Galli/Moser/Lang, a.a.O., N. 294).

b) Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, es liege gar keine rechtskräftige Verurteilung wegen Verletzung des GAV/LMV vor. Dieser Auffassung kann so nicht gefolgt werden. Die Kriterien, welche die Vorinstanz zur Aufnahme in die ständige Liste aufgestellt hat, zielen offensichtlich auf das Eignungskriterium der finanziellen Leitungsfähigkeit ab. Die Vorinstanz weist in diesem Zusammenhang auf Art. 11 lit. e IVöB hin, gemäss welchem bei der Vergabe die Beachtung der Arbeitsschutzbestimmungen und der Arbeitsbedingungen zu berücksichtigen sind. Dabei muss es letztlich genügen, wenn ein Verstoss gegen die entsprechenden Bestimmungen festgestellt wird. Wie genau das Verfahren ausgestaltet beziehungsweise wie genau die Feststellung zustande kommt, ist unmassgeblich. Auch das Abstellen auf den Zeitpunkt der rechtskräftigen Feststellung des Verstosses ist nicht zu beanstanden. Letztlich muss ein verbindlicher Zeitpunkt festgelegt werden und hierzu ist die rechtsverbindliche Feststellung in einem Entscheid am besten geeignet. Dass dabei unter Umständen ein relativ weit zurückliegender Verstoss auch in Zukunft noch gewisse Auswirkungen hat, ist aus Gründen der Praktikabilität in Kauf zu nehmen. Jedenfalls kann nicht gesagt werden, es liege ein unsachliches oder diskriminierendes Element vor.

c) Die Aufnahmebedingungen, welche im Amtsblatt publiziert wurden, sollen offensichtlich die finanzielle Leitungsfähigkeit der Anbieter gewährleisten. So muss einerseits ein Ausweis darüber erbracht werden, dass in den letzten drei Jahren keine über die Erhebung des Rechtsvorschlags hinausgehenden Betreibungsverfahren gegen den Gesuchsteller eingeleitet wurden. Andererseits ist der Nachweis zu erbringen, dass in den letzten drei Jahren die Sozialversicherungsbeiträge, die Steuern sowie die Bestimmungen des GAV/LMV eingehalten wurden. Ein zentraler Vergabegrundsatz besagt, dass Aufträge nur an Anbieter vergeben werden, die gewährleisten, dass sie allen öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen, insbesondere der Bezahlung von Abgaben, Steuern und Sozialleistungen, nachkommen. Ein Ausschlussgrund muss indes eine gewisse Schwere aufweisen, um vor dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz Bestand zu haben (Galli/Moser/Lang, a.a.O., N. 253).

d) Vorliegend ist festzustellen, dass die Beschwerdeführerin gegen die Bestimmungen des GAV/LMV verstossen hat. Auch wenn die regionale paritätische Berufskommission für das Bauhauptgewerbe der Stadt St. Gallen den Verstoss grundsätzlich als schwer beurteilte, wurde der mögliche Sanktionsrahmen dennoch nicht ausgeschöpft. Es wurde anerkannt, dass die S AG auch übertarifliche Leistungen erbracht hat. Die Beschwerdeführerin hat denn auch ihre Nachzahlungspflicht ohne weiteres anerkannt und die Konventionalstrafe sowie die Verfahrenskosten umgehend beglichen. Zu bemerken ist auch, dass es sich beim GAV/LMV um ein ausführliches Regelwerk handelt, bei dem ein Verstoss gegen die gültige Ordnung durchaus einmal vorkommen kann. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin im Tiefbau tätig ist und die Streichung beziehungsweise Nichtaufnahme in eine Liste, welche für öffentliche Auftraggeberinnen und Auftraggeber erstellt wird, einschneidende Folgen haben kann. Der Hinweis der Vorinstanz, es sei ja der Beschwerdeführerin nicht verwehrt, weiterhin private Aufträge zu generieren, überzeugt – angesichts der Tatsache, dass der überwiegende Teil der Aufträge im Tiefbau durch die öffentliche Hand vergeben werden – gerade nicht. Das Verwaltungsgericht gelangt daher zum Schluss, dass eine retrospektive Berücksichtigung von Verfehlungen betreffend GAV/LMV von drei Jahren unverhältnismässig ist. Es muss genügen, wenn in den letzten zwölf Monaten kein Verstoss gegen die Bestimmungen des GAV/LMV festgestellt wurde. Letztlich geht es im Vergaberecht, welchem die Erstellung von ständigen Listen dient, darum, im Rahmen eines zu vergebenden Auftrages das wirtschaftlich günstigste Angebot zu ermitteln, und nicht darum, einem Auftragnehmer, welcher bereits sanktioniert wurde, durch die Nichtaufnahme in eine wichtige ständige Liste ein zweites Mal übermässig lange zu benachteiligen. Dementsprechend ist festzustellen, dass die Aufnahmebedingungen mit Bezug auf das Verfahren wegen Verletzungen des GAV/LMV insofern dem Verhältnismässigkeitsprinzip widersprechen, als darauf für eine längere Dauer als ein Jahr abgestellt wird.

e) Gemäss der Bescheinigungseinhaltung GAV/LMV vom 9. Mai 2003 konnte das Verfahren gegen die S AG am 7. Oktober 2002 abgeschlossen werden. Deshalb konnte die Beschwerdeführerin frühestens am 7. Oktober 2003 die Aufnahmebedingungen für die von der Vorinstanz erstellte ständige Liste erfüllen. Ab diesem Zeitpunkt wäre sie in die Liste aufzunehmen gewesen. Nachdem das Gesuch der H S AG vom 13. Juni 2003 stammt, durfte die Vorinstanz die Aufnahme in die Liste zunächst zu Recht verweigern. Allerdings ist eine Aufnahme per 7. Oktober 2003 geboten. In diesem Sinne ist die Beschwerde teilweise gutzuheissen, was dazu führt, dass die Vorinstanz anzuweisen ist, die Beschwerdeführerin nunmehr in die ständige Liste aufzunehmen.

Entscheid vom 5. November 2003

JavaScript errors detected

Please note, these errors can depend on your browser setup.

If this problem persists, please contact our support.