TVR 2003 Nr. 43
Verstoss gegen die Auflagen (erneuter Drogenkonsum) nach Wiedererteilung des Führerausweises
Wurde die Wiedererteilung des Führerausweises nach einem Sicherungsentzug wegen Drogensucht von der Einhaltung einer kontrollierten Drogenabstinenz abhängig gemacht, ist der Führerausweis bei einem erneuten Drogenkonsum wieder auf unbestimmte Zeit zu entziehen. Es bedarf dafür nicht eines aktuellen verkehrsmedizinischen Gutachtens.
Mit Verfügung vom 6. Juni 2003 entzog das Strassenverkehrsamt E den Führerausweis auf unbestimmte Zeit. In der Begründung wurde festgehalten, dass ihr am 31. Juli 2001 der Lernfahrausweis nach einem vorsorglichen Entzug wegen Drogenproblemen mit der Auflage wiedererteilt worden sei, eine kontrollierte Drogenabstinenz, ausgenommen Methadon, einzuhalten. Dem Polizeirapport der Kantonspolizei St. Gallen vom 2. April 2003 könne nun entnommen werden, dass E seit Herbst 2002 wieder regelmässig Kokain und Heroin konsumiere. Eine Wiedererteilung des Führerausweises könne frühestens nach Einhaltung einer mindestens einjährigen, kontrollierten Drogenabstinenz oder dem Nachweis eines während eines Jahres stabilen Methadonprogrammes mit einem verkehrsmedizinischen Gutachten geprüft werden. Am 25. Juni 2002 erhob E Rekurs und beantragte die Aufhebung der Entzugsverfügung; ev. sei eine Verwarnung auszusprechen. Die Vorinstanz stütze sich auf einen Polizeirapport, welcher auf einer Telefonüberwachung eines anderen Anschlusses beruhe. Da die Voraussetzungen zu einer Überwachung des Telefonanschlusses von E aber nicht erfüllt gewesen seien, habe das Untersuchungsamt des Kantons St. Gallen die Strafuntersuchung gegen E mit Verfügung vom 30. April 2003 eingestellt. Die Informationen, die Beweismittel und auch das Geständnis von E über ihren Drogenkonsum seien darum im Administrativverfahren nicht verwertbar. Tatsächlich habe sich der Konsum von Kokain und Heroin über einen Zeitraum zwischen Dezember 2002 und April 2003 erstreckt. Die nunmehr wieder für drei Monate nachgewiesene Drogentotalabstinenz spreche gegen die Annahme der Vorinstanz, die Voraussetzungen zur Erteilung eines Führerausweises seien nicht mehr gegeben. Die Umstände hätten vielmehr zwingend z.B. mittels eines verkehrsmedizinischen oder verkehrspsychologischen Gutachtens abgeklärt werden müssen.
Aus den Erwägungen:
1. Gemäss Art. 17 Abs. 3 SVG kann ein für längere Zeit entzogener Ausweis nach Ablauf von mindestens sechs Monaten bedingt und unter angemessenen Auflagen wieder erteilt werden, wenn angenommen werden darf, die Massnahme habe ihren Zweck erreicht. Die gesetzliche Mindestentzugsdauer und die mit dem Sicherungsentzug verbundene Probezeit dürfen dabei nicht unterschritten werden. Werden die Auflagen missachtet oder enttäuscht der Führer in anderer Weise das in ihn gesetzte Vertrauen, so ist der Ausweis wieder zu entziehen (Art. 17 Abs. 3 Satz 3 SVG).
Den Akten lässt sich entnehmen, dass der Rekurrentin der Lernfahrausweis mit Verfügung vom 5. Mai 1999 wegen Drogenproblemen vorsorglich entzogen werden musste. Am 31. Juli 2001 erliess das Strassenverkehrsamt des Kantons Thurgau eine Aufhebungsverfügung mit Auflagen, indem es den 1999 erlassenen vorsorglichen Entzug aufhob und die Rekurrentin verpflichtete, eine kontrollierte Drogenabstinenz, ausgenommen Methadon, einzuhalten, wobei sie bis auf weiteres unaufgefordert halbjährlich (jeweils im Januar und Juli) Zeugnisse ihres Hausarztes über die Einhaltung der Auflage und ihre Fahreignung im Methadonprogramm einzureichen habe. Auch ohne dass der nicht verwertbare Rapport der Kantonspolizei St. Gallen vom 2. April 2003 berücksichtigt wird, lässt sich aus den im Recht liegenden Akten zudem schliessen, dass die Rekurrentin diverse auf Opiate positive Urinproben abgegeben hat. (...) Die Rekurrentin bestreitet denn auch in ihrer Rekurseingabe keineswegs den Konsum von Kokain und Heroin zwischen Dezember 2002 und April 2003, bezeichnet diesen aber als «sporadischen und geringfügigen Konsum».
Die Rekurrentin geht fehl in der Annahme, dass die Vorinstanz vor Erlass der angefochtenen Verfügung die für den Nachweis einer Sucht im Sinne von Art. 17 Abs. 1 bis SVG notwendigen Abklärungen hätte treffen müssen. Sie übersieht dabei, dass ihr der Führerausweis am 31. Juli 2001 nur unter der Auflage, dass sie eine kontrollierte Drogenabstinenz einhalte, wiedererteilt wurde. Die Rekurrentin stellte seit Erlass der Aufhebungsverfügung vom 31. Juli 2001 nie den Antrag, die mit der Wiedererteilung des Führerausweises verbundenen Auflagen aufzuheben. Dieser Umstand liegt wohl darin begründet, dass sie sich seit September 2000 bis heute in einem Methadonprogramm befindet. Dies lässt den Schluss zu, dass bei der Rekurrentin damals eine schwere Suchtabhängigkeit bestand und diese bis heute noch nicht dauerhaft überwunden werden konnte, sondern deren Folgen durch die Verabreichung des Ersatzstoffes Methadon lediglich gemildert wurden.
Aktenmässig ausgewiesen und von der Rekurrentin in ihrer Rechtsmitteleingabe anerkannt ist jedenfalls, dass sie zumindest zwischen Dezember 2002 und April 2003 gegen die mit der Wiedererteilung verbundene Auflage einer kontrollierten Drogenabstinenz verstossen hat. Dies führt gemäss dem klaren Wortlaut von Art. 17 Abs. 3 Satz 3 SVG zwingend zu einem erneuten Entzug des Führerausweises auf unbestimmte Zeit. Die Wiederzulassung eines vormals drogenabhängigen Fahrzeuglenkers zum motorisierten Strassenverkehr muss zwingend mit einer grösstmöglichen Gewähr dafür verbunden sein, dass das Lenken eines Motorfahrzeuges unter Drogeneinfluss mit grosser Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Die von der Vorinstanz am 31. Juli 2001 erlassene Aufhebungsverfügung beinhaltet eine sogenannt bedingte Wiedererteilung des Führerausweises. Davon Gebrauch zu machen ist dann angebracht, wenn gewisse Unsicherheiten bezüglich des Nachweises bestehen, ob der Eignungsmangel völlig behoben sei. Zur Sicherstellung des Erfolgs der Massnahme kann die Verwaltung in solch fraglichen Fällen die Wiedererteilung mit Auflagen verbinden. Bei derartigen Entscheiden ist in erster Linie auf die Sicherheitserfordernisse des Strassenverkehrs abzustellen. Es gilt abzuklären, ob angenommen werden darf, dass der Betroffene mit dieser bedingten Wiedererteilung – bei der er in der Regel ja unter Kontrolle steht – kein deutlich grösseres Risiko für die Verkehrsgemeinschaft darstellt als andere (Schaffhauser, Grundriss des Schweizerischen Strassenverkehrsrechts – Band III: Die Administrativmassnahmen, Rz 2224). Bei einem derart massiven Rückfall in vormalige Konsumgewohnheiten, den die Rekurrentin mit einem während über vier Monaten anhaltenden Konsum harter Drogen erlitten hat, blieb der Vorinstanz keine andere Möglichkeit, als den Führerausweis wieder auf unbestimmte Zeit zu entziehen und von ihr vor Wiedererteilung den Nachweis einer zuverlässigen Drogenabstinenz beziehungsweise eines stabilen Methadonprogramms während einer mindestens einjährigen Zeitperiode zu verlangen. Da die Rekurrentin nicht nur einmal und in einer nachvollziehbaren Ausnahmesituation gegen die auferlegte Abstinenz verstossen hat, ist das Rekursbegehren auch bezüglich der eventualiter beantragten Verwarnung abzuweisen.
Entscheid vom 29. September 2003