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TVR 2003 Nr. 46

Prüfungsgegenstand im Beschwerdeverfahren gegen eine Ersatzvornahme. Nachträgliches Baugesuch nach Ergehen einer Rückbauverfügung


§ 86 Abs. 3 VRG


1. Im Beschwerdeverfahren gegen eine Ersatzvornahmeanordnung sind Einwände gegen die rechtskräftige Sachverfügung nicht mehr zu hören. So ist die Verhältnismässigkeit von rechtskräftig angeordneten Rückbaumassnahmen nicht zu prüfen.

2. Ein nach Ergehen einer Rückbauverfügung eingereichtes Baugesuch für ein reduziertes Projekt ist bezüglich der nicht bewilligten Bauteile mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismässigkeit bei der Überprüfung der Ersatzvornahmeanordnung in Betracht zu ziehen, sofern ernsthafte Aussichten auf die Erteilung der Bewilligung bestehen.


Beschwerdeführerin X ist Eigentümerin der Liegenschaft Parzelle Nr. 925 im Grundbuch der Politischen Gemeinde A., bestehend aus Wohnhaus und Scheune. Der Gemeinderat (Vorinstanz) verpflichtete die damalige Eigentümerin, zahlreiche ohne gültige Baubewilligung vorgenommene Arbeiten im und am Gebäude innert zwei Monaten seit Rechtskraft der Verfügung rückgängig zu machen. Den von der damaligen Eigentümerin dagegen erhobenen Rekurs wies das DBU ab. Auf eine dagegen erhobene Beschwerde trat das Verwaltungsgericht nicht ein. Daraufhin ordnete die Vorinstanz die Ersatzvornahme der angeordneten Rückbaumassnamen an.
Gegen diese Vollstreckungsanordnung wandte sich die Beschwerdeführerin an den Regierungsrat, welcher die Beschwerde abweist. Sie stellte den Antrag, die Verfügung sei vollumfänglich aufzuheben. Zur Begründung führte sie aus, sie habe die Liegenschaft am 13. Februar 2002 gekauft. Zwar sei sie im Kaufvertrag auf diverse Baueingaben und hängige Rekurse aufmerksam gemacht worden, das Ausmass dieser Umstände sei ihr jedoch bis heute nicht klar. Die geforderten Rückbaumassnahmen seien erheblich und träfen sie in wirtschaftlicher und persönlicher Hinsicht in schwerster Weise. Die Kosten für die Rückbaumassnahmen dürften erheblich sein, nebst ästethischen, bautechnischen und statischen Einbussen, welche die Liegenschaft dadurch erleide. Gleichzeitig würden geleistete Arbeit und Materialien von ungefähr Fr. 100’000.– zerstört. Zudem sei bis heute nicht klar, wie die Rückbaumassnahmen im Einzelnen konkret durchgeführt werden könnten. Unklar sei auch, wie weit der Ursprungszustand bezüglich Treppen und bereits vorhandenen Balkenlagen und Zwischenböden mit dem heutigen Zustand identisch sei. Auch sei der Zugang innerhalb der Liegenschaft vom Wohnhaus zur bewilligten Wohnraumerweiterung in der Scheune bis heute nicht klar definiert worden. In den bewilligten Planunterlagen befänden sich dazu lediglich schlecht lesbare Bleistiftnotizen.

Aus den Erwägungen:

2.3 Das VRG geht von einer Funktionsteilung zwischen Entscheidungs- und Vollstreckungsverfahren aus. Im Entscheidungsverfahren wird über den Bestand oder Nichtbestand öffentlicher Rechte und Pflichten, im Vollstreckungsverfahren hingegen über die Art und Weise der Durchsetzung entschieden (Haubensak/Litschgi/Stähelin, Kommentar zum VRG; § 83 N. 1). Ergebnis des Entscheidungsverfahrens ist die Sachverfügung, jenes des Vollstreckungsverfahrens die Vollstreckungsverfügung (Kölz, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 1999, Vorbemerkungen zu §§ 29–31, N. 2). Die Ersatzvornahme als Zwangsmittel kommt daher erst zur Anwendung, wenn die zu vollstreckende Anordnung einer Verwaltungsbehörde, also die Sachverfügung nicht mehr weitergezogen werden kann, oder wenn dem Weiterzug keine aufschiebende Wirkung zukommt (Haubensak/Litschgi/Stähelin, a.a.O., § 83 N. 2; Kölz, a.a.O., § 30 N. 7).

2.4 Im Jahre 1999 war der damaligen Eigentümerin eine Baubewilligung für die Sanierung des Wohnhauses mit dem Einbau eines Annex-Zimmers auf der Nordseite der Scheune sowie für den Einbau von vier Pferdeboxen im Scheunentrakt erteilt worden. Im Jahre 2000 wurde ein ergänzendes Baugesuch bewilligt, welches auf der Südwestseite des Wohnhauses den Einbau zweier Fenster, auf der Nordwestseite im zweiten Obergeschoss einen neuen Balkon, einen neuen Treppenaufgang und einen Notausgang aus dem ursprünglich bewilligten Annex-Wohnteil in die Scheune vorsah. Bei einer Baukontrolle stellte die Vorinstanz fest, dass wesentliche Teile der ausgeführten und begonnen Umbauarbeiten nicht den bewilligten Plänen entsprachen. Im Wesentlichen wurde die bewilligte Lagerfläche über den bewilligten Pferdeboxen in eine Ausstellungsfläche umfunktioniert und ein neuer Boden über dem bewilligten Lagerteil in der Scheune eingezogen, um weiteren Ausstellungsraum zu schaffen. Zur Erschliessung der Ausstellungsflächen wurden neue Treppen erstellt.
Am 4. Dezember 2000 reichte die damalige Eigentümerin ein nachträgliches Baugesuch für die genannten sowie weitere Änderungen ein. Zu diesem Baugesuch wurde am 9. Februar 2001 eine Korrektureingabe eingereicht. Mit Verfügung vom 10. April 2001 verweigerte das Amt für Raumplanung die Erteilung einer Ausnahmebewilligung für die nachträglichen Baugesuche vom 4. Dezember 2000 und vom 9. Februar 2001. Gestützt darauf verweigerte die Vorinstanz mit Verfügung vom 15. Mai 2001 die Baubewilligung und ordnete die Wiederherstellung des gesetzlichen Zustandes durch die Vornahme diverser, einzeln aufgelisteter Massnahmen an. Zur Ausführung der Arbeiten wurde eine Frist von zwei Monaten ab Eintritt der Rechtskraft angesetzt, unter Androhung der Ersatzvornahme auf Kosten der Grundeigentümerin im Falle des unbenutzten Fristablaufes. Den gegen diese Verfügung vom 15. Mai 2001 beim DBU erhobenen Rekurs wies das Departement mit Entscheid vom 20. Februar 2002 vollumfänglich ab. Auf eine gegen diesen Rekursentscheid eingereichte Beschwerde beim Verwaltungsgericht trat dieses mit Entscheid vom 24. April 2002 zufolge nicht fristgerecht eingereichter Beschwerdebegründung nicht ein. Damit ist die Wiederherstellungsverfügung der Vorinstanz vom 15. Mai 2001 in Rechtskraft erwachsen und im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens vom Regierungsrat nicht mehr überprüfbar. Soweit sich die Einwände der Beschwerdeführerin gegen die Wiederherstellungsverfügung richten, können sie vorliegend nicht mehr gehört werden. Namentlich die Verhältnismässigkeit der angeordneten Rückbaumassnahmen ist nicht mehr zu überprüfen. Dies tat im Übrigen bereits das DBU im Rekursverfahren und stellte fest, dass die Verhältnismässigkeit gewahrt ist. Nicht weiter von Bedeutung ist auch, wie lange die Liegenschaft der Beschwerdeführerin bereits eine Problemliegenschaft war und inwieweit sie sich der bestehenden Probleme beim Liegenschaftskauf bewusst war. Die Beschwerdeführerin war gemäss ihren eigenen Ausführungen beim Liegenschaftskauf auf die Baugesuche und hängigen Verfahren aufmerksam gemacht worden. Soweit sie auf weitere Erkundigungen verzichtete, kann ihr dies in diesem Verfahren nicht zum Vorteil gereichen. Ebenso wenig ist die finanziell angespannte Lage der Beschwerdeführerin ein Grund, den rechtmässigen Zustand nicht wiederherzustellen. Der Bauherr oder die Bauherrin kann sich zwar gemäss Rechtsprechung gegenüber einem Abbruchbefehl auf den Verhältnismässigkeitsgrundsatz berufen, muss aber in Kauf nehmen, dass die Behörden auf grundsätzlichen Überlegungen, nämlich zum Schutz der Rechtsgleichheit und der baurechtlichen Ordnung, dem Interesse der Wiederherstellung des gesetzmässigen Zustandes erhöhtes Gewicht beilegen und dem Bauherrn oder der Bauherrin allenfalls erwachsende Nachteile nicht oder nur in verringertem Masse berücksichtigen (ZBl 79/1978 S. 393 f., BGE 108 Ia 218). Im Lichte dieser Rechtsprechung ist die Ersatzvornahme nicht zu beanstanden. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass das auszubauende Material zumindest teilweise wiederverwendet werden kann, so dass sich der Schaden für die Beschwerdeführerin betreffend das verbaute Material in Grenzen hält.

2.5 Die Beschwerdeführerin berief sich in der Beschwerde vom 14. Januar 2003 auf Unklarheiten bezüglich vorzunehmender Rückbaumassnahmen. So sei insbesondere unklar, wie weit der Ursprungszustand bezüglich Treppen und bereits vorhandenen Balkenlagen und Zwischenböden mit dem heutigen Zustand identisch sei. Auch sei der Zugang innerhalb der Liegenschaft vom Wohnhaus zur bewilligten Wohnraumerweiterung in der Scheune nie klar definiert worden. Hierzu kann im Wesentlichen auf die vorstehend unter Ziff. 2.4 gemachten Erwägungen verwiesen werden. Die Rechtmässigkeit der Rückbauverfügung war bereits Gegenstand des Rekursverfahrens vor dem DBU, welches den Rekurs vollumfänglich abgewiesen und festgestellt hat, dass die gesetzlichen Abweichungen allesamt erheblich und gravierend seien. Es ist im Verfahren vor dem Regierungsrat nicht Verfahrensgegenstand, diese Fragen nochmals zu prüfen. Aus diesem Grund erübrigt sich auch die Durchführung eines weiteren Augenscheins, wie dies von der Beschwerdeführerin gewünscht wurde. Im Übrigen ist in der rechtskräftigen Rückbauverfügung vom 15. Februar detailliert aufgelistet, welche Rückbaumassnahmen im Einzelnen vorzunehmen sind. Diese Auflistung ermöglicht ohne weiteres die Vornahme der geforderten Arbeiten, ohne dass weitere Abklärungen notwendig wären.

2.6 Mit Datum vom 18. Dezember 2002 reichte die Beschwerdeführerin bei der Gemeinde ein neues Baugesuch ein, welches zumindest teilweise auf Bewilligung bisher nicht bewilligter Bauteile abzielt. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung haben die Behörden nur dann von Amtes wegen zu untersuchen, welche Vorkehren erforderlich und geeignet sind, um den rechtmässigen Zustand wieder herzustellen und nicht zu einem schärferen Eingriff führen, als zur Erreichung des Zweckes notwendig ist, wenn es um eine Einzelfrage geht, die ohne neues Baubewilligungsverfahren entschieden werden kann. Wo jedoch von Grund auf zu prüfen ist, ob allenfalls ein gegenüber der unbewilligten Baute reduziertes Projekt baurechtskonform sein könnte, ist es Sache des Bauherrn, durch Einreichung des Projektes ein neues Baubewilligungsverfahren einzuleiten. In einem solchen Fall ist der Abbruchbefehl für die ganze rechtswidrige Baute nicht unverhältnismässig; gegebenenfalls ist jedoch bei dessen Vollstreckung ein neu eingereichtes Baugesuch mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismässigkeit in Betracht zu ziehen (BGE 108 Ia 216). Vorliegend kann mit Blick auf diese Rechtsprechung nochmals festgehalten werden, dass die Rückbauverfügung rechtens ist. Zu prüfen bleibt, ob das hängige Baugesuch, soweit davon unbewilligte Bauteile betroffen sind, hinsichtlich der Ersatzvornahme zu berücksichtigen ist. Das jüngste Baugesuch zielt, gestützt auf eine im Entscheid des Amtes für Raumplanung vom 10. April 2001 erwähnte, rechnerisch mögliche Wohnraumerweiterung von rund 38 m2, auf eine nachträgliche Bewilligung des Estrichteils oberhalb des bereits bewilligten Aufenthaltsraumes im Scheunentrakt. Weiter wird um eine nachträgliche Bewilligung für die weiteren, ohne Bewilligung im Scheunentrakt eingebauten Zwischenböden ersucht, dies mit der Begründung, die mögliche Stall- und Lagerflächenerweiterung sei vor der Umbauphase gar nie berechnet worden. Es kann festgehalten werden, dass die neuerlich eingereichten Pläne in etwa denjenigen entsprechen, die nicht bewilligt werden konnten. Wie das Amt für Raumplanung in seinem abweisenden Entscheid festhielt, entsprechen die noch zur Verfügung stehenden 38 m2 Ausbaufläche in etwa dem im Plan als Podest bezeichneten Bereich südlich des bewilligten Aufenthaltsraumes. Im Übrigen lehnte es die Erteilung einer Ausnahmebewilligung ab, da das eingereichte Vorhaben die zulässige Bruttogeschossfläche bei weitem überstieg. Da das nunmehr eingereichte Baugesuch wiederum eine Bewilligung für das bezüglich Bruttogeschossfläche nicht redimensionierte Projekt anstrebt, kann nicht von ernsthaften Aussichten auf die Erteilung der Bewilligung ausgegangen werden. Auf dieser Grundlage erscheint die Ersatzvornahmeverfügung auch unter diesem Aspekt verhältnismässig; das neu eingereichte Baugesuch vom Dezember 2002 ist somit nicht weiter in Betracht zu ziehen, soweit dieses die von den Rückbaumassnahmen betroffenen Bauteile betrifft. In den übrigen Teilen (Bauten im Garten) ist dieses Baugesuch für das vorliegende Verfahren nicht von Belang.

2.7 Mit Entscheid vom 15. Mai 2001 waren die Rückbaumassnahmen angeordnet und hierfür eine Frist von zwei Monaten ab Eintritt der Rechtskraft des Entscheides angesetzt worden. Zugleich wurde für den Fall des unbenutzten Fristablaufes die Ersatzvornahme auf Kosten der Grundeigentümerin ausdrücklich angedroht. Diese Frist von zwei Monaten, innert denen die Beschwerdeführerin selbst Gelegenheit gehabt hätte, die Rückbaumassnahmen vorzunehmen oder vornehmen zu lassen, war angemessen. Während der durch die Rechtsmittelverfahren seither verflossenen Zeit traf die Beschwerdeführerin keine Anstalten, die geforderten Rückbaumassnahmen vorzunehmen. Erst mit Entscheid vom 14. Januar 2003 wurde die Ersatzvornahme angeordnet und der Termin für die Durchführung auf den 3. Februar 2003 festgesetzt. Der angefochtene Entscheid der Vorinstanz erweist sich somit auch hinsichtlich Verfahrensablauf als korrekt und bezüglich der eingeräumten Fristen als verhältnismässig.

Entscheid des Regierungsrates vom 8. April 2003

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