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TVR 2004 Nr. 16

Ferienbesuchsrecht


Art. 273 ZGB


Die Beschränkung der Feriendestinationen auf die Nachbarländer der Schweiz sowie Spanien in einer durch die Behörde festgelegten Besuchsregelung ist nur zulässig, wenn sie das Kindeswohl gebietet.


Eileen ist die am 21. Dezember 1999 geborene Tochter von W und H. Im April 2002 trennte sich das unverheiratete Paar. Da sich die Parteien nicht vollumfänglich einigen konnten, erliess die Vormundschaftsbehörde eine sehr detaillierte Regelung des persönlichen Verkehrs zwischen H und seiner Tochter. Entsprechend einem Entwurf für eine gütliche Regelung, die dann aber nicht zustande kam, wurden unter anderem die Auslandaufenthalte von Eileen während des Besuchsrechts (insbesondere Ferien) auf die die Schweiz umgebenden Länder sowie Spanien eingeschränkt. Gegen diese Einschränkung legte H erfolglos Beschwerde beim DJS ein, weshalb er ans Verwaltungsgericht gelangt. Dieses heisst gut.

Aus den Erwägungen:

3. a) Die von der Vormundschaftsbehörde getroffene Besuchsregelung für Eileen ist bis auf den Punkt betreffend möglicher Destinationen im Rahmen des Ferienbesuchsrechts unbestritten, und zwar sowohl mit Bezug auf die Häufigkeit, als auch auf die Ausdehnung. Streitig ist einzig und allein die Frage, ob die Beschränkung möglicher Feriendestinationen auf das die Schweiz umliegende Ausland und Spanien im Lichte von Art. 273 ZGB zulässig ist. Abs. 1 dieses Artikels hält fest, dass demjenigen Elternteil, dem die elterliche Sorge oder Obhut nicht zusteht, und das unmündige Kind gegenseitigen Anspruch auf angemessenen persönlichen Verkehr haben. Der Anspruch auf persönlichen Verkehr ist weder Teil noch Restbestand der elterlichen Gewalt, sondern steht als Wirkung des Kindesverhältnisses den Eltern um ihrer Persönlichkeit willen zu. Es ist daher kein echtes subjektives Recht, vielmehr unübertragbar und unverzichtbar. Ein «Verzicht» ist nur zulässig, soweit ein Grund zur Verweigerung oder Entziehung im Sinne von Art. 274 Abs. 2 ZGB gegeben ist (Hegnauer, Berner Kommentar, Bern 1991, Art. 274 ZGB N. 54 f.). Der «Verkehrsberechtigte» hat während der Besuche die Stellung eines Pflegeelternteiles im Sinne von Art. 300 Abs. 1 ZGB. Seine Befugnisse richten sich nach dem Zweck der Besuche: Pflege und Entfaltung der persönlichen Beziehung. In diesem Rahmen ist er in der Gestaltung der Besuche frei (Hegnauer, a.a.O., Art. 273 N. 138). Grundsätzlich steht die Bestimmung über den Aufenthaltsort dem obhutsberechtigten Elternteil zu, doch findet die Aufenthaltsrechtsbestimmung ihre Grenzen in öffentlichrechtlichen Vorschriften, insbesondere über die Schulpflicht und die Anordnung über den persönlichen Verkehr (ZGB-Schwenzer, Basler Kommentar, 2. Aufl., Basel 2002, Art. 301 N. 10 und 16).
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass es grundsätzlich dem Besuchsberechtigten anheim steht, während der Ausübung des persönlichen Verkehrs bei Wochenend- oder Ferienbesuchsrechten über den Aufenthaltsort des Kindes zu bestimmen. Grenzen werden diesem Recht nur durch das Kindswohl gesetzt, dessen vielseitige Aspekte jedoch allumfassend heranzuziehen sind. Im vorliegenden Fall dürften die wichtigste Rolle dabei etwa folgende Kriterien spielen: Alter des Kindes, körperliche und geistige Gesundheit, allfällige weitere Beanspruchung des Kindes, Persönlichkeit und Bedürfnisse des Kindes, Beziehung des Kindes zum Berechtigten, Beziehung des Berechtigten und des Belasteten etc. (Hegnauer, a.a.O., Art. 273 N. 65 ff.).

b) Abgesehen von der Einschränkung der zur Auswahl stehenden Feriendestinationen, wurde im Beschluss vom 11. September 2003, in dem das Besuchsrecht des Beschwerdeführers mit seiner Tochter geregelt wurde, im Wesentlichen folgendes festgehalten: Bis zum Abschluss der Primarschule hat der Beschwerdeführer das Recht, seine Tochter an jedem zweiten Wochenende von Samstagmorgen bis Sonntagabend zu sich zu nehmen. Zudem steht ihm das Recht zu, Eileen zwei Mal je eine Woche zu sich in die Ferien zu nehmen. Die Feriendaten sind 60 Tage im Voraus festzulegen und zudem muss die Absicht, wenn die Ferien im Ausland verbracht werden sollen, der Kindsmutter 30 Tage im Voraus mitgeteilt werden.
Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kann das hier zur Diskussion stehende Besuchsrecht nicht als «ausserordentlich ausgedehnt» bezeichnet werden. Vielmehr entspricht es in etwa der gängigen Praxis des Verwaltungsgerichts (TVR 2003 Nr. 10). In der Beschwerdeantwort der verfahrensbeteiligten Kindsmutter wird dem Beschwerdeführer attestiert, dass er gegenüber seinem Kind ein fürsorglicher Vater ist. Jedenfalls macht sie in keiner Weise geltend, er hätte sich dem Kind gegenüber aggressiv oder gewalttätig verhalten. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz geht aus den Akten nicht eindeutig hervor, dass es sich bei der getroffenen Regelung betreffend Feriendestination um eine einvernehmliche Regelung handeln soll. Bereits im ersten Entwurf hat nämlich der Beschwerdeführer den entsprechenden Passus wieder herausgestrichen und seither konsequent bestritten. Demnach kann als Zwischenergebnis festgehalten werden, dass keinerlei objektive Gründe vorliegen, die eine Einschränkung des Rechts des Beschwerdeführers auf freie Wahl der Feriendestination rechtfertigen. In diesem Zusammenhang verweist der Beschwerdeführer zu Recht darauf, dass es wohl kaum eine Rolle spielen kann, ob er mit seiner Tochter auf die Kanarischen Inseln reist, wofür eine Mindestflugzeit von vier Stunden erforderlich ist, oder allenfalls nach Portugal (oder andere Destinationen im Mittelmeerraum).

c) Damit stellt sich noch die Frage, ob sich die Einschränkung der Feriendestinationen aus Gründen rechtfertigt, die in der Person von Eileen liegen. Eileen ist nun beinahe fünf Jahre alt. Zweifelsfrei ist sie somit in einem Alter, in dem eine Flugreise, die nicht über eine bestimmte Dauer hinausgeht, für sie zumutbar ist. Es wird nicht behauptet, dass ihre geistige oder körperliche Gesundheit oder allfällige anderweitige Beanspruchungen oder Verpflichtungen eine Einschränkung zu begründen vermögen. Die Beziehung des Kindes zum Beschwerdeführer ist zugegebenermassen gut, einzig die Beziehung zwischen den Eltern ist offensichtlich belastet. Dass die fragliche Einschränkung aber allein deswegen aufrecht erhalten werden soll, kann nicht in Frage kommen. Der Beschwerdeführer ist Schweizer Bürger und hat – jedenfalls wird dies nicht behauptet – keinerlei sonstige Wurzeln im Ausland. Die Gefahr einer Kindsentführung ist somit praktisch auszuschliessen.
Aufgrund der Tatsache, dass der Beschwerdeführer seine Tochter bis und mit Abschluss der Primarschule höchstens sieben Tage aneinander zu sich in die Ferien nehmen kann, können exotische Feriendestinationen mit einer Flugdauer von über vier bis fünf Stunden ausgeschlossen werden. Allerdings ist an dieser Stelle anzumerken, dass Reisen zu entfernter liegenden Feriendestinationen für das Alter des Kindes, mindestens soweit es nur um eine Ferienwoche geht, zweifelsfrei nicht verhältnismässig wären. Sollte der Beschwerdeführer dennoch beabsichtigen, eine entsprechende Reise mit seiner Tochter vorzunehmen, so müsste er dies ohnehin 30 Tage vor Ferienbeginn mitteilen. Die Kindsmutter hätte dann immer noch die Möglichkeit, durch die Vormundschaftsbehörde diese Absicht zu unterbinden. Aus Sicht des Verwaltungsgerichtes ist daher die Regelung, wonach die Feriendestinationen auf die die Schweiz umgebenden Länder sowie Spanien begrenzt werden sollen, mit dem Recht des Beschwerdeführers auf freie Ausgestaltung des Ferienbesuchsrechts nicht zu vereinbaren.

Entscheid vom 27. Oktober 2004

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