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TVR 2004 Nr. 32

Entscheid über öffentlichrechtliche Einsprachen und Baugesuche


§ 90 Abs. 3 aPBG


1. Da die Gemeindebehörde nur über öffentlichrechtliche Einsprachen entscheiden darf (mit Ausnahme von § 91 Abs. 1 PBG), setzt das die entsprechende Qualifikation der Einsprache voraus (E. 2a).

2. Eine Einsprache mit dem Hinweis, das Bauvorhaben verletze eine Personaldienstbarkeit zu Gunsten des Einsprechers, wonach bauliche Änderungen nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden dürfen, ist privatrechtlicher Natur, weshalb die Gemeindebehörde darüber nicht befinden darf (E. 2b).


Anfangs November 2003 stellte die Baukontrolle der Politischen Gemeinde U fest, dass auf der Parzelle Nr. 229 von F der bestehende Parkweiher vergrössert wurde. Der Gemeinderat forderte deshalb F auf, ein Baugesuch einzureichen, das alsdann am 20. November 2003 einging. Dieses wurde vom 2. bis 22. Dezember 2003 öffentlich aufgelegt. Am 11. Dezember 2003 intervenierte das Amt für Denkmalpflege des Kantons Thurgau in dem Sinne, als es festhielt, die Weihervergrösserung sei nicht nur eine Baubewilligungsfrage, sondern berühre auch das Servitut zu Gunsten des Baudepartementes, wonach der Park unverändert erhalten bleiben müsse. Das Amt beabsichtige deshalb, ein gartenhistorisches Gutachten erstellen zu lassen. Darauf werde der Kanton seine Stellungnahme abgeben.
Mit Schreiben vom 4. März 2004 an den Gemeinderat U hielt das Amt für Denkmalpflege fest, die Vergrösserung des Weihers schmälere den Wert des historischen Parks. Die vorliegende Stellungnahme sei als Einsprache des Kantons zu verstehen.
Am 17. März 2004 traf der Gemeinderat folgenden Beschluss: 1. Der Gemeinderat lehnt das Baugesuch von F ab, weil das bereits ausgeführte Bauvorhaben dem im Grundbuch am 2. Juni 1999 eingetragenen Personaldienstbarkeitsvertrag widerspricht. 2. Die Einsprache des Amtes für Denkmalpflege wird gleichzeitig gutgeheissen. 3. Der Rückbau der erstellten Anlagen muss bis 31. Mai 2004 abgeschlossen sein.
Mit Rekurs gelangte F ans DBU und beantragt, die Erweiterung des Parkweihers zu bewilligen. In der Spezialzone sei die Nutzung des Parkes nicht beschränkt. Das DBU überwies diesen Rekurs in Anwendung von § 109 Abs. 2 PBG ans Verwaltungsgericht. Dieses heisst den Rekurs in dem Sinne gut, als es den Beschluss der Gemeinde vom 17. März 2004 aufhebt und die Sache zum Neuentscheid über das Baugesuch und die Einsprache an den Gemeinderat zurückweist.

Aus den Erwägungen:

2. a) Der Bauherr macht vor allem geltend, die (öffentlichrechtlichen) Bestimmungen des Baureglementes betreffend Spezialzone Parkareal sprächen nicht gegen die Weihererweiterung. Diese sei demnach zu bewilligen.
Der Gemeinderat hat das Bauprojekt korrekt gemäss § 89 PBG öffentlich aufgelegt. Das während der öffentlichen Auflage vom Amt für Denkmalpflege eingereichte Schreiben hat er als Einsprache entgegengenommen (vgl. § 90 Abs. 1 PBG). Ob er diese Einsprache zur Stellungnahme an den Bauherrn weitergeleitet hat, wie es § 90 Abs. 2 PBG verlangt, geht nicht aus den Akten hervor. Der Gemeinderat hat jedoch am 17. März 2004 gewissermassen über diese Einsprache entschieden. Allerdings hat er sich über die Rechtsnatur der Einsprache nicht ausgesprochen.
Gemäss § 90 Abs. 3 PBG hat der Gemeinderat nach Durchführung des Einspracheverfahrens – das im Wesentlichen aus der Weiterleitung der Einsprache an den Bauherrn gemäss § 90 Abs. 1 PBG besteht – über das Baugesuch und die öffentlichrechtlichen Einsprachen gleichzeitig zu entscheiden. Über privatrechtliche Einsprachen gegen die Erstellung von Bauten und Anlagen darf der Gemeinderat jedoch nur soweit entscheiden, als es um den Tatbestand übermässiger Einwirkungen gemäss Art. 684 ZGB geht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts hat der Gemeinderat in gesonderten Entscheidpunkten über die öffentlichrechtlichen und privatrechtlichen Belange zu entscheiden (TVR 1999, Nr. 23).

b) Der Gemeinderat hat das Baugesuch allein aufgrund der Personaldienstbarkeit nicht bewilligt.

aa) Es fragt sich demnach, ob diese Personaldienstbarkeit allenfalls öffentlichrechtlicher Natur ist, denn mit dem Tatbestand übermässiger Einwirkungen hat der vorliegende Fall nichts zu tun.
Nach dieser Personaldienstbarkeit bedürfen auch Änderungen der Parkanlage der schriftlichen Zustimmung des Amtes für Denkmalpflege. In diesem Vertrag nimmt der Grundeigentümer ausdrücklich zur Kenntnis, dass eine dauernde Unterschutzstellung der Gesamtanlage im Sinne des TG NHG vorgesehen ist und keinerlei Anspruch auf eine Entschädigung aus materieller Enteignung bestehe. Kanton und Gemeinde leisteten zusammen einen namhaften Betrag. Gemäss § 10 TG NHG sichern die Ortsgemeinden erhaltenswerte Objekte in erster Linie durch Reglemente, Nutzungspläne oder durch einen Einzelentscheid, nach § 14 TG NHG (allenfalls) auch durch Verträge. Hier steht kein solcher Vertrag gemäss § 14 TG NHG zur Diskussion, ist er doch zwischen dem Kanton (und nicht der Gemeinde) und dem Grundeigentümer geschlossen. Diese Tatsache und die Tatsachen, dass der öffentlichrechtliche Schutz vorbehalten wurde, Änderungen nicht grundsätzlich ausgeschlossen sind sowie die (freiwillige) Geldleistung sprechen klar für die privatrechtliche Natur der Personaldienstbarkeit. Darüber hätte der Gemeinderat demnach nicht entscheiden dürfen.

bb) Fragen kann man sich auch, ob die schriftliche Zustimmung des Amtes für Änderungen gewissermassen eine Frage der Bauberechtigung ist, wie sie gemäss § 128 Abs. 2 des heute nicht mehr gültigen aBauG der Baubehörde zu prüfen vorbehalten war. Das ist zu verneinen, denn Änderungen sind – wie gesagt – nicht grundsätzlich ausgeschlossen, sondern vielmehr (nur) mit schriftlicher Zustimmung des Amtes möglich.

c) Der Gemeinderat hat klarerweise nicht darüber entschieden, ob das Bauvorhaben den öffentlichrechtlichen Vorschriften entspricht und daher die Baubewilligung unter öffentlichrechtlichen Aspekten zu erteilen gewesen wäre, wie es § 93 Abs. 1 PBG verlangt und wie der Bauherr moniert. Das ist nachzuholen.
Auf die privatrechtliche Einsprache (vgl. E. 2b aa) des Amts für Denkmalpflege darf er hingegen nicht eintreten.
Kann der Gemeinderat das Vorhaben aus öffentlichrechtlichen Gründen bewilligen (vgl. § 93 PBG), ist dieser Entscheid dem Bauherrn und dem privatrechtlichen Einsprecher (hier dem Kanton Thurgau) zu eröffnen, letzterem mit dem Hinweis auf die Vorschriften von § 92 Abs. 1 und 2 PBG, wie dies § 92 Abs. 3 PBG vorschreibt. Der Kanton hätte diesfalls binnen 30 Tagen seit der Zustellung beim Bezirksgericht auf Unterlassung des Bauvorhabens zu klagen. Kann er das Vorhaben hingegen aus öffentlichrechtlichten Gründen nicht bewilligen, so entfällt ein Hinweis gemäss § 92 Abs. 3 PBG.

Entscheid vom 8. September 2004

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