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TVR 2004 Nr. 34

Ausnützungstransfer


§ 11 Abs. 2 Ziff. 1 aPBV


Der Begriff «enge örtliche Beziehung» von § 11 Abs. 2 Ziff. 1 PBV ist eng auszulegen. Ein Ausnutzungstransfer über mehrere Parzellen hinweg ist daher unstatthaft.


Mit Baugesuch vom 15. April 2003 ersuchte die B AG (nachfolgend: B) bei der Politischen Gemeinde C (nachfolgend: PG C) um die Erteilung einer Bewilligung für den Bau eines Wohn- und Geschäftshauses auf Parzelle Nr. 432. Die Parzelle befindet sich grösstenteils in der Wohnzone W2 sowie in der Dorfkernzone D3. Das Baugesuch sah einen Ausnützungstransfer von der benachbarten Parzelle Nr. 430 vor. Die PG C erteilte die Baubewilligung, wobei bezüglich des Ausnützungstransfers festgestellt wurde, dass Parzelle Nr. 430 lediglich noch über eine Ausnützungsreserve von 51.76 m2 verfüge, was zu wenig sei. Die Baubewilligung wurde deshalb mit der Auflage verbunden, dass die Dachwohnung nur realisiert werden könne, wenn der Ausnützungstransfer zu benachbarten Parzellen mit Anmerkung im Grundbuch oder ein Hinzukauf von Bauland erfolge. Am 27. Oktober 2003 reichte die B bei der PG C vier Vereinbarungen zur Genehmigung ein, mit folgenden Ausnützungstransfers:
Parzelle Nr. 164 70 m2
Parzelle Nr. 423 60 m2
Parzelle Nr. 426 75 m2
Parzelle Nr. 430 52 m2
Die PG C verweigerte die Zustimmung für einen Ausnützungstransfer in Bezug auf die beiden Parzellen Nrn. 423 und 426, da es sich bei diesen Parzellen nicht um Nachbarparzellen handle.
Gegen den Entscheid erhob die B erfolglos Rekurs beim DBU. Sie gelangt daher mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht, das ebenfalls abweist.

Aus den Erwägungen:

2. In der Baubewilligung vom 23. Juni 2003 wird ausdrücklich festgehalten, dass die Ausnützung um 142 m2 überschritten sei. Als Auflage zur Baubewilligung wurde daher gemacht, dass Ausnützungstransfers zu benachbarten Parzellen nachzuweisen seien, damit die Dachwohnung realisiert werden könne. Mit dem Begriff «benachbarte Parzellen» meinte die Gemeinde offensichtlich «Anstösserparzellen», wie dies bei einem Ausnützungstransfer bisher im Sinne der kantonalen, durch TVR 1990, Nr. 15, begründeten Praxis immer der Fall war. Diese Baubewilligung ist nicht angefochten worden. Die Auslegung der Bestimmung ergibt somit klar, dass nicht irgendwelche Parzellen in der Nachbarschaft gemeint sein konnten, sondern nur direkt benachbarte Parzellen. Mit dem Gesuch um Ausnützungstransfer vom 27. Oktober 2003 hat sich die Beschwerdeführerin aber nicht an die rechtskräftige Auflage der Baubewilligung vom 23. Juni 2003 gehalten. Schon aus diesem Grunde durfte daher die Gemeinde den Ausnützungstransfer verweigern.

3. Selbst wenn man aber die Frage, ob die von der Beschwerdeführerin vorgesehene Ausnützungsübertragung zulässig sei, unbesehen von der Auflage in der Baubewilligung vom 23. Juni 2003 prüft, kommt man zu keinem anderen Ergebnis. Nutzungsübertragung heisst, dass ein Bauprojekt nicht nur die sich aus einer einzelnen Bauparzelle ergebende Nutzungsmöglichkeit, sondern auch Nutzungsreserven anderer Grundstücke beansprucht. Sie erlaubt dem Grundeigentümer, durch Überschreiten der festgelegten Nutzungsziffern ein bestimmtes Projekt trotz fehlender Grundflächen zu verwirklichen (Fritsche/Bösch, Zürcher Planungs- und Baurecht, 3. Aufl., Zürich 2003, Ziff. 11.1.1.4). Voraussetzung dafür ist allerdings, dass ein einschränkender Eigentümer seine Parzelle nicht voll nutzt und auch zukünftig nicht voll ausnützen will. Der Kanton Thurgau hat die Ausnützungsübertragung in § 11 Abs. 2 Ziff. 1 PBV geregelt. Die Bestimmung lautet wie folgt: «Zur anrechenbaren Landfläche können hinzugenommen werden: 1. Noch nicht ausgenützte Flächen von in enger örtlicher Beziehung liegenden Grundstücken, sofern der Transfer im Grundbuch angemerkt und keine öffentlichen Interessen entgegenstehen...». Abgesehen von der Tatsache, dass mit der Bestimmung von § 11 Abs. 2 Ziff. 1 PBV nicht mehr verlangt wird, dass Geberund Übernehmerparzelle in der gleichen Zone liegen, stimmt die Bestimmung mit der Vorgängerregelung von § 15 Abs. 2 Ziff. 2 der Verordnung des Regierungsrates zum Baugesetz vom 26. Mai 1987 (aBauV) wortwörtlich überein. Soweit es also um die Auslegung des Begriffs «in enger örtlicher Beziehung» geht, kann die bisherige Rechtsprechung zu § 15 aBauV ohne weiteres auch auf § 11 Abs. 2 Ziff. 1 PBV übernommen werden. Das Verwaltungsgericht hat sich bisher zu dieser Problematik in einem einzigen, publizierten Fall (TVR 1990, Nr. 15) geäussert. Es hat in diesem Entscheid in E. 2b festgehalten, eine Übertragung der Ausnützungsziffer beschränke sich in aller Regel auf unmittelbar benachbarte Grundstücke. Nur in nächster Umgebung könne eine Überschreitung der Ausnützungsziffer kompensiert werden. Bereits 2.5 bis 4 m breite Landstreifen vermöchten zwischen den beteiligten Parzellen die erforderliche enge nachbarliche Beziehung zu durchtrennen. Dem wird von Seiten der Beschwerdeführerin entgegengehalten, es sei hier die «Zürcher-Praxis», welche in den letzten 10 Jahren eine Lockerung des Ausnützungstransfers bewirkt habe, anzuwenden. Fritsche/Bösch führen zu diesem Problem aus, wie weit Unterbrüche gehen dürften, könne wegen der Vielfalt der verschiedenen Verhältnisse nur in allgemeinen Umschreibungen ausgedrückt werden. Letztlich bleibe es der Behörde überlassen, durch Ermessensbetätigung im Einzelfall zu prüfen, ob eine Ausnützungsübertragung der Zonenordnung und dem Zonencharakter entspreche. Jedenfalls würden unbedeutende, den erforderlichen Zusammenhang wahrende Unterbrüche zwischen zwei Grundstücken regelmässig als zulässig erklärt. Dies gelte primär für Fusswege, frei geführte Trottoirs und kleine Gewässer. Allenfalls gelte dies auch für Strassen, sofern es sich nicht um Hauptverkehrsstrassen handle (a.a.O., Ziff. 1111). Zaugg ist sogar der Auffassung, dass die Nutzungsübertragung unter Grundstücken nur zulässig sein soll, wenn sie unmittelbar aneinander grenzen. Zudem werde in der Praxis vorausgesetzt, dass zwischen den Parzellen ein vernünftiger funktionaler Zusammenhang bestehe, so dass mit der Übertragung von Nutzung eine einigermassen abgerundete Fläche entstehe (Zaugg, Kommentar zum Baugesetz des Kantons Bern vom 9. Juni 1985, 2. Aufl., Bern 1995, Art. 13, N. 7a).
Für das Verwaltungsgericht gibt es zurzeit keinen Anlass, von der in TVR 1990, Nr. 15 begründeten Praxis, den Begriff «enge örtliche Beziehung» eng auszulegen, abzuweichen. Diese Praxis wird bis heute mehrheitlich von Lehre und Praxis bestätigt, auch wenn möglicherweise im Kanton Zürich teilweise eine grosszügigere Praxis gehandhabt wird. Eine solche Praxis ist aber für den Kanton Thurgau in keiner Weise verbindlich. Auch das Argument betreffend haushälterischer Nutzung des Bodens vermag nicht zu überzeugen. Bei der Bebauung eines Grundstücks oder einer grösseren Fläche ist in erster Linie die Zonenordnung und die damit gültige Ausnützungsziffer massgebend. Der Ausnützungstransfer ist ein sinnvolles Instrument, wenn Land in der unmittelbaren Nachbarschaft nicht voll ausgenützt wurde und somit einer dichteren Bebauung des anderen Grundstücks dienen kann. Liegen die Grundstücke aber weiter auseinander, könnte dies zu einer Verzerrung der Bauordnung führen. Im Extremfall könnte in einem Quartier sämtliches noch nicht «ausgenütztes» Land zusammengezählt und einer Empfängerparzelle zuerkannt werden. Dies ermöglicht die Überbauung einer Parzelle mit einer viel höheren Ausnützungsziffer, als dies die Bauordnung vorsieht. Letztlich darf mit dem Argument der haushälterischen Nutzung des Bodens nicht die eigentliche Zonenordnung aus den Angeln gehoben werden können. Dass die hier zur Diskussion stehenden Parzellen früher Nachbarparzellen gewesen sein sollen, ändert an dieser Betrachtungsweise nichts. Gerade die Abparzellierung und die Überbauung der verschiedenen Parzellen erfordert eine andere Betrachtungsweise, als dies der Fall gewesen wäre, wenn nach wie vor die Spenderparzellen direkt benachbart und allenfalls sogar noch unüberbaut gewesen wären. Letztlich ändert daran auch nichts, dass das Bauprojekt bereits realisiert wurde. Es liegt durchaus im Ermessen der Behörde, wenn sie zur Verhinderung eines ungewollten Präjudizes auf der engen Auslegung des Begriffs «in enger örtlicher Beziehung» besteht. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin gibt es daher durchaus raumplanungsrelevante Gründe, auf einer engen Auslegung von § 11 Abs. 2 Ziff. 1 PBV zu bestehen.

Entscheid vom 25. August 2004

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