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TVR 2006 Nr. 1

Abgabe für den Verkauf gebrannter Wasser, Gleichartigkeit von Abgaben


Art. 41 a Abs. 6 AlkG , Art. 3 BV, Art. 49 Abs. 1 BV, Art. 134 BV, § 39 Abs. 1 GastG, § 28 GastV


Die Abgabe für den Verkauf von gebrannten Wassern bemisst sich nach der Menge, nicht nach dem Umsatz, weshalb keine mehrwertsteuerähnliche und damit dem Bundesrecht vorbehaltene Steuer vorliegt.


Die Abgabe für den Verkauf von gebrannten Wassern bemisst sich nach der Menge, nicht nach dem Umsatz, weshalb keine mehrwertsteuerähnliche und damit dem Bundesrecht vorbehaltene Steuer vorliegt.
Die X AG betreibt ein Verkaufsgeschäft, in dem unter anderem auch gebrannte Wasser zum Verkauf angeboten werden. Die Stadt L legte die Abgabe auf den Verkauf gebrannter Wasser für das Jahr 2002 auf Fr. 2'000.– und für das Jahr 2003 auf Fr. 4'000.– fest. Dagegen erhob die X AG erfolglos Rekurs beim DJS und Beschwerde beim Verwaltungsgericht. Die von der X AG eingereichte staatsrechtliche Beschwerde weist das Bundesgericht ab.

Aus den Erwägungen des Bundesgerichts:

2.1 Die Gesetzgebung über Herstellung, Einfuhr, Reinigung und Verkauf gebrannter Wasser ist Sache des Bundes; der Bund soll insbesondere den schädlichen Wirkungen des Alkoholkonsums Rechnung tragen (Art. 105 BV, Art. 32bis aBV). Auf gebrannten Wassern kann der Bund besondere Verbrauchssteuern erheben (Art. 131 Abs. 1 lit. b BV, Art. 32bis Abs. 5 aBV). Was die Bundesgesetzgebung als Gegenstand der Mehrwertsteuer, der besonderen Verbrauchssteuern, der Stempelsteuer und der Verrechnungssteuer bezeichnet oder für steuerfrei erklärt, dürfen die Kantone und Gemeinden nicht mit gleichartigen Steuern belasten (Art. 134 BV).

2.2 Den Vorschriften des AlkG sind unterstellt die Herstellung gebrannter Wasser, ihre Reinigung, ihre Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr, ihr Verkauf und ihre fiskalische Belastung (Art. 1 Satz 1 AlkG). Der Handel mit gebrannten Wassern zu Trinkzwecken ist bewilligungspflichtig (Art. 39a Abs. 1 AlkG). Für den Kleinhandel innerhalb des Kantons bedarf es einer Bewilligung der kantonalen Behörde (Art. 41a Abs. 1 AlkG); die Kantone erheben für die Kleinhandelsbewilligung eine Abgabe, deren Höhe sich nach Art und Bedeutung des Geschäftsbetriebes bemisst (Art. 41a Abs. 6 AlkG). Für den Kleinhandel über die Kantonsgrenze hinaus und den Grosshandel bedarf es einer Bewilligung der Eidgenössischen Alkoholverwaltung (Art. 40 Abs. 1 und Art. 42 Abs. 1 AlkG).

2.3 Wer im Kanton Thurgau eine gastgewerbliche Tätigkeit ausübt oder Handel mit alkoholhaltigen Getränken betreibt, bedarf eines Patentes oder einer Bewilligung (§ 6 Abs. 1 GastG in der Fassung vom 27. Februar 2002). Für die Erteilung eines Patentes oder einer Bewilligung werden einmalige Gebühren zwischen Fr. 300.– und Fr. 4'000.– erhoben (§ 37 Abs. 1 GastG). Zudem ist für Verkauf, Vermittlung oder Ausschank von gebrannten Wassern eine jährliche Abgabe von Fr. 50.– bis Fr. 4000.– (bzw. bis Fr. 2'000.– für das Jahr 2002) zu entrichten (§ 39 Abs. 1 GastG). Die Abgabe bemisst sich nach der Anzahl Liter der in einem Kalenderjahr umgesetzten Menge an gebrannten Wassern (§ 28 Abs. 1 GastV). Bis zu einem Umsatz von 2000 Litern beträgt die Abgabe Fr. 1.– pro Liter, im Minimum Fr. 50.–. Wird ein Umsatz von über 2000 Litern erzielt, beträgt die Abgabe für jeden weiteren Liter Fr. 2.– bis zu einem Maximalbetrag von Fr. 4000.– (bzw. Fr. 2'000.–; § 28 Abs. 2 GastV).

3.1 Die Beschwerdeführerin bringt zunächst vor, die dargestellte kantonale Regelung verstosse gegen den Vorrang des Bundesrechts (Art. 49 Abs. 1 BV), weil die Kantone nicht mit gleichartigen Steuern belasten dürften, was die Bundesgesetzgebung bereits als Gegenstand der Mehrwertsteuer bezeichne (Art. 134 BV). 3.2 Die streitige Abgabe ist im Gegensatz zur Mehrwertsteuer mengen- und nicht umsatzabhängig, weil sie auf dem verkauften Volumen der gebrannten Wasser und nicht etwa auf dem dabei erzielten (frankenmässigen) Umsatz erhoben wird. Sie belastet nicht wie die Mehrwertsteuer die Wertschöpfung, sondern wird zwischen einem Abgabeminimum und -maximum nach der verkauften Menge bemessen. Zudem erfasst sie, anders als die Mehrwertsteuer, nicht den gesamten Konsum, sondern nur gerade den Handel mit gebrannten Wassern (Getränke, die mehr als 15 Volumenprozente Äthylalkohol enthalten; vgl. Art. 2 Abs. 1 AlkG und § 27a GastV). Nicht vorgesehen ist, dass die Abgabe auf die Konsumenten überwälzt wird. Von einer mit der Mehrwertsteuer verwandten Abgabe kann damit nicht gesprochen werden (vgl. hierzu BGE 125 I 449 E. 2d S. 453; 122 I 213; Danielle Yersin, in: Clavadetscher/Glauser/Schafroth [Hrsg.], mwst.com, Kommentar zum Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer, Basel/Genf/München 2000, N. 11 zu Art. 2 MWSTG).

4.1 Weiter rügt die Beschwerdeführerin, der Bund habe seine Kompetenz, auf gebrannten Wassern Verbrauchssteuern zu erheben, durch das Alkoholgesetz voll ausgeschöpft. Den Kantonen sei es deshalb verwehrt, besondere Verbrauchssteuern anderer Art gestützt auf ihre allgemeine Kompetenz (Art. 3 BV) einzuführen. Weil die thurgauische Abgabe alle Kriterien einer Verbrauchssteuer erfülle und zudem die gleichen Leistungen wie der Bund beschlage, verstosse sie gegen Bundesrecht und sei somit verfassungswidrig.

4.2 Art. 134 BV beinhaltet die zusammengefasste Fortführung der Art. 32bis, 36ter, 41bis und 41ter aBV. Die Tragweite des Ausschlusses gleichgearteter kantonaler Steuern (Art. 41bis Abs. 2 und Art. 41ter Abs. 2 aBV) war während der Geltung der Bundesverfassung von 1874 für die einzelnen Bundessteuern unterschiedlich. Nach Art. 32bis Abs. 1 aBV war der Bund befugt, «auf dem Wege der Gesetzgebung Vorschriften über die Herstellung, die Einfuhr, die Reinigung, den Verkauf und die fiskalische Belastung gebrannter Wasser zu erlassen» (Abs. 1). Art. 32bis Abs. 8 aBV sah vor, dass «die Einnahmen aus der Besteuerung des Ausschanks und des Kleinhandels innerhalb des Kantonsgebietes» den Kantonen verblieben.
Die steuerliche Belastung des Kleinhandels mit gebrannten Wassern durch die Kantone war während der Geltung der Bundesverfassung von 1874 nicht bestritten. Mit der neuen Bundesverfassung von 1999 wurde die bestehende Regelung im Wesentlichen nachgeführt (vgl. BBl 1997 I 314) und teilweise neu geordnet. So erscheint der fiskalische Aspekt der gebrannten Wasser neu in der Finanzverfassung (Art. 131 Abs. 1 BV). In Kenntnis der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (namentlich BGE 122 I 213, Genfer «droit des pauvres»; BBl 1997 I 356) blieb die Fortführung der bisherigen Ordnung in den eidgenössischen Räten unangefochten. Das Parlament stimmte dem bundesrätlichen Vorschlag zu.

4.3 Es bestehen keine Hinweise darauf, dass der Verfassungsgeber von 1999 die Besteuerung des Kleinhandels mit gebrannten Wassern innerhalb des Kantonsgebietes durch die Kantone (Art. 32bis Abs. 8 aBV) weiter einschränken wollte als durch die Vorgabe der nicht gleichartigen Ausgestaltung der kantonalen Steuer. Demnach ist den Kantonen die Erhebung von Verbrauchssteuern nach Art. 134 BV nicht generell verwehrt. Ihre gestützt auf Art. 3 BV erhobenen Verbrauchssteuern dürfen aber nicht gleichartig sein, das heisst, nicht dem gleichen Belastungskonzept folgen wie die bereits vom Bund erhobenen Verbrauchssteuern (vgl. BGE 122 I 213 E. 2c S. 218 f., E. 2e S. 221 f.; 128 I 102 E. 5 S. 109 f.).

4.4 Anders als in Art. 3 Abs. 1 des Stempelsteuergesetzes (SR 641.10) hat der Bundesgesetzgeber das Verbot gleichartiger Verbrauchssteuern im Alkoholgesetz nicht konkretisiert. Das Alkoholgesetz sieht vor, dass mit der eidgenössischen Steuer neben dem Import (Art. 28 AlkG) die Herstellung und der Handel gebrannter Wasser beziehungsweise die Abgabe an Drittpersonen (vgl. Art. 16 ff. AlkG) belastet wird (vgl. Art. 10 Abs. 5, Art. 12 Abs. 3 und Art. 20 ff. AlkG; Art. 15 ff. der Verordnung vom 12. Mai 1999 zum Alkohol- und zum Hausbrennereigesetz [Alkoholverordnung, AlkV; SR 680.11]). Die Steuer wird auf der Menge reinen Alkohols erhoben (Art. 22 AlkG; Art. 23 AlkV).
Damit nicht vergleichbar bemisst sich die thurgauische Abgabe unabhängig vom Anteil reinen Alkohols nach der Anzahl Liter der in einem Kalenderjahr umgesetzten Menge gebrannter Wasser (§ 28 Abs. 1 GastV). Im Gegensatz zur eidgenössischen Steuer ist die thurgauische Abgabe zudem auf einen Höchstbetrag von Fr. 4'000.– (bzw. Fr. 2'000.– für das Jahr 2002) begrenzt. Durch diese Besonderheit der Abgabenmaximierung unterscheidet sie sich von einer eigentlichen kantonalen Verbrauchssteuer auf Spirituosen, indem sie trotz ihrer teilweisen (limitierten) Abhängigkeit vom Umsatz als Patentabgabe pro Verkaufsstelle konzipiert ist. Die eidgenössische Steuer und die thurgauische Abgabe belasten die gebrannten Wasser somit unterschiedlich.

4.5 Sodann ist zu berücksichtigen, dass das Alkoholgesetz des Bundes für den Handel mit gebrannten Wassern zu Trinkzwecken eine grundsätzliche Bewilligungspflicht vorsieht (Art. 39a Abs. 1 AlkG). Die Kantone sind nach Art. 41a Abs. 6 AlkG verpflichtet, dafür eine Abgabe zu erheben, deren Höhe sich nach der «Art und Bedeutung des Geschäftsbetriebes» bemisst. Entsprechend bedarf nach dem thurgauischen Gastwirtschaftsgesetz eines Patents oder einer Bewilligung, wer eine gastgewerbliche Tätigkeit ausübt oder Handel mit alkoholhaltigen Getränken betreibt (§ 6 Abs. 1 GastG). Für die Erteilung eines Patents oder einer Bewilligung ist eine einmalige Gebühr vorgesehen, die für die Betriebe derselben Art jeweils gleich hoch ist (vgl. die Aufzählung in § 37 Abs. 1 GastG). Neben dieser einmaligen «Gebühr» ist eine jährliche Abgabe für Verkauf, Vermittlung oder Ausschank von gebrannten Wassern zu entrichten (§ 39 Abs. 1 GastG), die sich zwischen einem Abgabeminimum und -maximum nach der Anzahl Liter der in einem Kalenderjahr umgesetzten Menge gebrannter Wasser bemisst (§ 28 Abs. 1 GastG). Die Überwälzung der Abgabe auf die Konsumenten ist nicht vorgesehen.

4.6 Diese jährliche Abgabe scheint nicht ohne Weiteres vom Wortlaut von Art. 41a Abs. 6 AlkG gedeckt zu sein, wo von einer Abgabe «für die Kleinhandelsbewilligung» die Rede ist. Mit der Einführung des Kriteriums «Art und Bedeutung des Geschäfts», mit dem in der Gesetzesrevision von 1978 das bis dahin geltende Merkmal «Grösse und Wert des Umsatzes» abgelöst wurde, wollte der Bundesgesetzgeber den Kantonen für die Belastung der verschiedenen Kategorien von Betrieben einen grösseren Spielraum verschaffen (vgl. Botschaft vom 11. Dezember 1978, BBl 1979 I 53 ff., S. 96). Die Erhebung periodischer Patentabgaben entspricht demnach durchaus den Intentionen des damaligen Bundesgesetzgebers. Mit der Verfassungsrevision sollte daran, wie erwähnt, nichts geändert werden. Diese Vorgaben sind für das Bundesgericht bindend (Art. 191 BV). Die vom Kanton Thurgau gewählte Regelung ist deshalb nicht zu beanstanden. Die Bemessung einer jährlichen Abgabe nach der abgesetzten Menge lässt sich auf das Kriterium «Bedeutung des Geschäftsbetriebs» (Art. 41a Abs. 6 AlkG, § 40 GastG) stützen (Urteil 2P.200/2005 vom 25. August 2005, E. 4.2). Eine gleichartige Steuer im Sinn von Art. 134 i.V. mit Art. 131 Abs. 1 lit. b BV liegt nicht vor.

Urteil vom 31. Oktober 2005 (2P.316/2004)

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