TVR 2006 Nr. 16
Familiennamen eines Kindes einer Mutter deutscher Nationalität und eines schweizerischen Vaters, die miteinander im Konkubinat leben
Art. 37 Abs. 2 IPRG, Art. 270 Abs. 2 ZGB
1. Das Kind einer deutschen Mutter und eines schweizerischen Vaters (mit Doppelbürgerrecht), die miteinander im Konkubinat leben, kann sich betreffend Namensrecht nur dann auf Art. 37 Abs. 2 IPRG berufen, wenn seine Bindung zu Deutschland wesentlich enger ist als zur Schweiz, in der es lebt (E. 2b).
2. Ein solches Kind mit dem Familiennamen der Mutter kann ein Namensänderungsgesuch für den Familiennamen des Vaters dann mit Erfolg stellen, wenn eine genehmigungsfähige Vereinbarung im Sinne von Art. 298a Abs. 1 ZGB über die Anteile der Betreuung des Kindes und die Verteilung der Unterhaltskosten bei gemeinsamer Sorge vorliegt (E. 3a).
Am 9. Februar 2006 kam B, die Tochter von U (Deutsche Staatsbürgerin) und V (Schweizer Staatsbürger) zur Welt. U und V sind nicht verheiratet und wohnen in Kreuzlingen. Sie haben ausserdem einen gemeinsamen Sohn, S, geboren am 1. November 2003, der den Namen des Vaters trägt. Am 1. Februar 2006 beschlossen U und V vor dem Standesbeamten in Konstanz, der Tochter den Familiennamen des Vaters zu geben und für die Namensgebung das deutsche Recht anzuwenden.
Am 6. April 2006 entschied das Amt für Handelsregister und Zivilstandswesen des Kantons Thurgau, dass B im Personenstandsregister mit dem Familiennamen U einzutragen sei. Gegen diesen Entscheid erhoben U und V Rekurs beim DJS, das diesen abweist. Dagegen gelangen U und V ans Verwaltungsgericht. Dieses heisst die Beschwerde in dem Sinne teilweise gut, als es die Angelegenheit zur Abklärung betreffend gemeinsame elterliche Sorge und zur allfälligen Bewilligung der Namensänderung an das DJS zurückweist.
Aus den Erwägungen:
2. a) Gemäss Art. 1 Abs. 2 BüG erwirbt das unmündige ausländische Kind eines schweizerischen Vaters, der mit der Mutter nicht verheiratet ist, das Schweizer Bürgerrecht, wie wenn der Erwerb mit der Geburt erfolgt wäre, durch die Begründung des Kindesverhältnisses zum Vater. Nach deutschem Recht erwirbt ein Kind durch Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.
V hat die Vaterschaft zu B anerkannt. Damit hat B zum einen das Schweizer Bürgerrecht erhalten. Zum anderen hat B aufgrund der deutschen Staatsangehörigkeit der Mutter durch die Geburt auch die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten. B ist daher deutsch/schweizerische Doppelbürgerin.
b) Besitzt eine Person mehrere Staatsangehörigkeiten, so ist, soweit das IPRG nichts anderes vorsieht, für die Bestimmung des anwendbaren Rechts die Angehörigkeit zu dem Staat massgebend, mit dem die Person am engsten verbunden ist (Art. 23 Abs. 2 IPRG). Gemäss Art. 37 Abs. 2 IPRG kann eine Person verlangen, dass ihr Name dem Heimatrecht untersteht. Soweit es um Personen mit Wohnsitz in der Schweiz geht, müssen sie zumindest eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzen, um Art. 37 Abs. 2 IPRG anrufen zu können. Handelt es sich um Staatangehörige mehrerer Staaten, so stellt sich die Frage, ob in Anwendung von Art. 23 Abs. 2 IPRG nur die Wahl des Rechts jenes Heimatstaates möglich ist, mit welchem die Person am engsten verbunden ist. Der Wortlaut von Art. 37 Abs. 2 IPRG legt eine Beschränkung auf das Recht der effektiven Staatsangehörigkeit nahe; andernfalls hätte er vorsehen müssen, dass eine Person den Namen einem ihrer Heimatrechte unterstellen lassen kann. Dieses Resultat stimmt mit der teleologischen Auslegung überein, erfordert doch der Name als Bestandteil der Persönlichkeit eine möglichst kohärente und übereinstimmende Regelung in den verschiedenen betroffenen Staaten und soll doch die Rechtswahlmöglichkeit lediglich den internationalen Entscheidungseinklang fördern. Daraus folgt, dass schweizerisch-ausländische Doppelbürger mit Wohnsitz in der Schweiz nur äusserst selten Art. 37 Abs. 2 IPRG anrufen können, nämlich nur dann, wenn sie nachzuweisen vermögen, dass ihre Bindung zum ausländischen Heimatstaat wesentlich enger ist als zur Schweiz, obwohl sie hier wohnhaft sind (Honsell/Vogt/Schnyder, Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Basel 1996, Art. 37 N 27).
Die Beschwerdeführer sind übereingekommen, für die Namensgebung das deutsche Recht anwenden zu wollen. Damit sie aber von der Wahlmöglichkeit nach Art. 37 Abs. 2 IPRG Gebrauch machen können, müssen sie nachweisen können, dass ihre Bindung zu Deutschland wesentlich enger ist als zur Schweiz, wo sie wohnhaft sind. In Bezug auf die wesentlich engere Bindung zu Deutschland haben die Beschwerdeführer in der Rekursschrift vom 21. April 2006 vorgebracht, sie hätten Familie in Deutschland, Hobbies und Vereine würden in der Nachbarstadt Konstanz stattfinden und der Wohnsitzwechsel zurück an den Geburtsort der Beschwerdeführerin nach Köln wäre möglich. Dem steht gegenüber, dass die Beschwerdeführer seit sechs Jahren in Kreuzlingen wohnen und inzwischen einen Sohn und eine Tochter haben, welche ebenfalls in Kreuzlingen wohnen.
Die Beschwerdeführer leben ihr Leben in der Schweiz, wo sie ihre eigene Familie haben. Allfällige Freizeitbeschäftigungen in Deutschland oder die Tatsache, dass im einige Autofahrstunden entfernten Köln die Familie der Beschwerdeführerin lebt, ändern nichts daran. Schon gar nicht zu berücksichtigen ist ein allfälliger zukünftiger Wegzug nach Deutschland. Der Lebensmittelpunkt der Beschwerdeführer ist in der Schweiz, sodass den Beschwerdeführern der Nachweis, dass ihre und die Bindung der Tochter zu Deutschland wesentlich enger ist als zur Schweiz, nicht gelingt. Nachdem der Lebensmittelpunkt der Beschwerdeführer in der Schweiz liegt, kann sich die Anwendbarkeit des deutschen Rechts auch nicht aus Art. 23 Abs. 2 IPRG ergeben. Es ist deshalb schweizerisches Recht anzuwenden.
3.a) Das schweizerische Recht sieht in Art. 270 Abs. 2 ZGB vor, dass das Kind den Namen der Mutter erhält, wenn die Eltern nicht miteinander verheiratet sind. Beim Namenserwerb nach Art. 270 ZGB erhält das Kind den Familiennamen bei seiner Geburt. Leben die Eltern im Konkubinat, so kann jedoch ein Namenswechsel des Kindes zum Namen des leiblichen Vaters herbeigeführt werden. Für einen Namenswechsel dieser Art muss die Konkubinatsfamilie vor allem als stabil erscheinen (BGE 105 II 146; 109 II 179; 110 II 433). Ausserdem muss dargetan werden, dass die für das Kind von Gesetzes wegen vorgesehene Führung des Namens der Mutter (Art. 270 Abs. 2 ZGB) diesem nicht nur hypothetische, sondern konkrete und ernsthafte soziale Nachteile verursacht, die als wichtige Gründe für eine Namensänderung in Betracht gezogen werden können. Unter den Voraussetzungen von Art. 298a Abs. 1 ZGB kann unverheirateten Eltern auf gemeinsamen Antrag hin die gemeinsame elterliche Sorge für Kinder übertragen werden, sofern dies mit dem Kindeswohl vereinbar ist. Dazu haben die Eltern eine genehmigungsfähige Vereinbarung über ihre Anteile an der Betreuung des Kindes und die Verteilung der Unterhaltskosten beizubringen. Eine solch gemeinsame elterliche Sorge kann im Rahmen von Art. 30 Abs. 1 ZGB als wichtigen Namensänderungsgrund per se behandelt werden, der ohne weiteres einen Wechsel von dem nach Art. 270 Abs. 2 ZGB erworbenen Namen zum Namen des leiblichen Vaters ermöglicht (Honsell/Vogt/Geiser, Basler Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Zivilgesetzbuch I, 3. Auflage, Basel 2006, Art. 270 N. 19 ff., insbesondere N. 30).
B hat bei der Geburt von Gesetzes wegen den Familiennamen der Mutter erhalten. Dass die Beschwerdeführer vor der Geburt für die Namensgebung deutsches Recht als anwendbar bestimmten, ändert nichts daran, zumal sich die Anwendung deutschen Rechts im Nachhinein als unzulässig erweist. Die Beschwerdeführer wohnen seit sechs Jahren im Konkubinat und haben im Jahre 2003 ihr erstes und dieses Jahr ihr zweites gemeinsames Kind bekommen. Das Konkubinatsverhältnis der Beschwerdeführer kann im Sinne der Rechtsprechung als stabil bezeichnet werden. Wenn die Beschwerdeführer ausserdem über eine genehmigungsfähige Vereinbarung über ihre Anteile an der Betreuung der Tochter B und die Verteilung der Unterhaltskosten verfügen, so würde ein wichtiger Namensänderungsgrund vorliegen. Damit wären die Voraussetzungen für eine Namensänderung erfüllt und B könnte entgegen dem von Gesetzes wegen vorgesehenen Familiennamen der Mutter, im Sinne eines Namenswechsels denjenigen des Vaters erhalten.
b) Namensänderungen nach Art. 30 Abs. 1 ZGB erfolgen aufgrund eines Namensänderungsgesuchs. Für die Bewilligung solcher Gesuche ist die Regierung des Wohnsitzkantons des Gesuchstellers zuständig (Honsel/Vogt/Geiser, a.a.O., Art. 30 N. 13). Im Kanton Thurgau ist dafür das vom Regierungsrat bezeichnete Departement zuständig (§ 11 Ziff. 3 lit. b EG ZGB). Der Rekurs beziehungsweise die vorliegende Beschwerde können als Namensänderungsgesuch entgegen genommen werden. Die Angelegenheit wird daher an das dafür zuständige DJS zurückgewiesen. Dieses hat Abklärungen betreffend der gemeinsamen elterlichen Sorge zu treffen. Liegt bereits ein Beschluss der Vormundschaftsbehörde über die gemeinsame elterliche Sorge nach Art. 298a Abs. 1 ZGB vor, so hat das DJS die Namensänderung zu bewilligen. Alsdann ist das Zivilstandsamt Kreuzlingen anzuweisen, B zuerst mit dem von Gesetzes wegen bei der Geburt erhaltenen Familiennamen U einzutragen und danach die Namensänderung zum Familiennamen V vorzunehmen. Liegt noch keine entsprechende Vereinbarung vor, so wird das DJS angewiesen, den Beschwerdeführern zur Beibringung der vormundschaftlichen Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge Gelegenheit zu bieten und entsprechend fortzufahren.
Entscheid vom 29. November 2006
Auf die dagegen erhobene Berufung trat das Bundesgericht mit Urteil vom 15. Februar 2007 nicht ein (5C.5/2007).