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TVR 2006 Nr. 23

Revision einer Liegenschaftenschätzung


Art. 51 Abs. 1 lit. a StHG


1. Weil das StG entgegen Art. 72 Abs. 1 StHG keine Revisionsbestimmung enthält, kommt unmittelbar Art. 51 StHG und nicht § 70 VRG beziehungsweise § 246 Ziff. 2 lit. a ZPO zur Anwendung (E. 2a).

2. Dass es gemäss der Steuerverwaltung eine Revision nur bei massiver Überbesteuerung geben soll, ist schon deshalb abwegig, weil gleiches bei der Nachsteuer nicht der Fall ist (E. 2e).


Die Erben S reichten am 10. Oktober 2004 gegen eine Liegenschaftenschätzung aus dem Jahre 1997 ein Revisionsgesuch gestützt auf § 70 VRG beziehungsweise § 246 Ziff. 2 lit. a ZPO und Art. 51 Abs. 1 lit. a StHG ein. Die Steuerverwaltung wies ab, ebenso die Steuerrekurskommission. Das Verwaltungsgericht heisst die Beschwerde in dem Sinne gut, als es die Steuerverwaltung anweist, die Liegenschaftenschätzung aus dem Jahre 1997 zu revidieren.

Aus den Erwägungen:

1. a) (...) Gegeben ist auch die Rechtsmittelberechtigung, denn betroffen sind die Eigentümer durch eine möglicherweise nicht korrekte Liegenschaftenschätzung, auch wenn diese keine unmittelbaren Steuerfolgen auslöst. (...)

2. a) Das Steuergesetz des Kantons Thurgau enthält Bestimmungen über die Berichtigung von rechtskräftigen Entscheiden (§ 179 StG) sowie über Nachsteuern (§ 204 ff. StG) und Steuerstrafen (§§ 208 ff. StG), nicht aber über die Revision rechtskräftiger Veranlagungen (dies im Gegensatz zu vielen Kantonen, vgl. Kanton Zürich § 155 ff.). Die Steuerverwaltung und die Steuerrekurskommission haben den vorliegenden Fall deshalb nach § 70 VRG i.V. mit § 246 ZPO beurteilt.
Gemäss Art. 1 StHG legt dieses Gesetz unter anderem die Grundsätze fest, nach denen die kantonale Gesetzgebung zu gestalten ist. Adressat der Harmonisierung sind die Kantone. Das StHG verlangt nach Transformation in kantonales Recht. Die Kantone haben Steuergesetze zu erlassen, welche die Kantons- und Gemeindesteuerpflicht sowie das Verfahrens- und Steuerstrafrecht umfassend regeln. Die Rechtsfolgen bei Verletzung dieser Pflicht ergeben sich aus Art. 72 Abs. 2 und 3 StHG (vgl. Reich in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden, 2. Aufl., Basel 2002, Art. 1 N. 1, 6 und 8). Gemäss Art. 72 Abs. 1 StHG hatten die Kantone ihre Gesetzgebung innert acht Jahren nach Inkrafttreten des StHG den Vorschriften der Titel 2 bis 6 anzupassen (im 5. Titel steht Art. 51 StHG betreffend Revision). Diese Anpassungspflicht bedeutet, dass die Kantone eine Gewährleistung der Minimalstandards betreffend Revision zu verankern hatten (vgl. Vallender, a.a.O., Vorbem. Art. 51-53, N. 8). Nach Ablauf dieser Frist (1. Januar 2001) findet das Bundesrecht direkt Anwendung, wenn ihm das kantonale Steuerrecht widerspricht (Art. 72 Abs. 2 StHG). Zur Revision ist im kantonalen Steuergesetz nichts zu finden. Die «Revision» in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist allein im allgemeinen Verfahrensrecht – dem VRG mit Verweis auf die ZPO – geregelt. Es kommt darum an sich nur Bundesrecht zur Anwendung, nämlich Art. 51 StHG, auch wenn nicht zu verkennen ist, dass § 246 ZPO mit einem Teil der Revisionsbestimmung von Art. 51 StHG übereinstimmt (aber eben nur mit einem Teil, vgl. Steuerpraxis 179, Nr. 2, Ziff. 1, Abs. 4). Dieses Verfahrensrecht kommt ab 2001 zur Anwendung, auch wenn es um Tatbestände oder Beweismittel geht, die vor diesem Zeitpunkt liegen oder vorhanden waren.

b) bis d) (...)

e) Zu prüfen ist aber auch, ob allenfalls der Revisionsgrund von Art. 51 Abs. 1 lit. b StHG vorliegt (vgl. Steuerpraxis 179, Nr. 2, Ziff. 1 Abs. 4).
Eine Behörde hat ihre rechtskräftige Verfügung in Revision zu ziehen, wenn sie erhebliche Tatsachen, die sich aus den Akten ergeben, versehentlich nicht berücksichtigt hat. Dieser Revisionsgrund ergibt sich aus dem im öffentlichen Recht geltenden Untersuchungsgrundsatz, wonach grundsätzlich die Behörde die Verantwortung für die Abklärung des rechtserheblichen Sachverhaltes trägt in Verbindung mit dem Offizialgrundsatz. Eine gewisse Einschränkung erfährt dieser Grundsatz indessen durch die Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen (Vallender, a.a.O., N. 14). Das Revisionsverfahren ist im StHG nicht ausführlich geregelt. Es findet auf Antrag der Steuerpflichtigen oder von Amtes wegen statt; letzteres wenn die erkennende Behörde den Revisionsgrund selber entdeckt. Da das Legalitätsprinzip den tragenden Grund für die Revisionsmöglichkeit darstellt, ist es sachgerecht, dass die Revision bei Vorliegen eines Revisionsgrundes und von Amtes wegen vorzunehmen ist. Art. 51 StHG, worauf Steuerpraxis 179, Nr. 2 hinweist, bringt das unzweifelhaft zum Ausdruck. Soweit kantonale Steuergesetze die Revision nur auf Antrag des Steuerpflichtigen vorsehen, sind sie entsprechend zu ändern (Vallender, a.a.O., N. 27).(...) Es kann also mit Fug gefolgert werden, die Steuerverwaltung hätte das Revisionsgesuch vom 10. Oktober 2004 von Amtes wegen zum Anlass nehmen müssen, die Liegenschaftenschätzung aus dem Jahre 1997 zu revidieren, unabhängig davon, ob die Frist von Art. 51 Abs. 3 StHG eingehalten ist. Dass es eine Revision von Amtes wegen nur bei massiver Überbesteuerung geben könnte, ist aus Art. 51 StHG nicht ersichtlich und kann schon deshalb nicht gefordert werden, weil Gleiches bei der Nachsteuer nicht der Fall ist. Eine Revision zu Gunsten des Steuerpflichtigen auch bei nicht «massiver Überbelastung» ist vielmehr eine Frage der Fairness oder der «Waffengleichheit» im Verhältnis zur Nachsteuer.

3. (...)

Entscheid vom 6. September 2006

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