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TVR 2006 Nr. 26

Submissionswesen: Begründung der Zuschlagsverfügung, Gewichtung der Zuschlagskriterien und Ausgestaltung der Preiskurve


§ 21 VöB, § 42 VöB, § 47 VöB


1. § 47 der neuen VöB verlangt, dass eine Zuschlagsverfügung wenigstens „summarisch“ zu begründen ist. Fehlt es daran, lässt sich dieser Mangel durch einen doppelten Schriftenwechsel heilen (E. 3).

2. Eine Gewichtung der Zuschlagskriterien in der Ausschreibung ist nicht erforderlich, doch liesse sich damit oft eine Anfechtung verhindern (E. 4).

3. Die Punkteberechnung beim Kriterium Preis ist auf verschiedene Arten möglich, doch darf dadurch die relativ tiefe Gewichtung des Preises (mit 45%) nicht völlig verwässert werden. Erforderlich ist eine steil(er)e Kurve. Nicht zulässig ist eine Benotung des Preises auf Kommastellen, während sie bei den anderen Kriterien in «Schwarz-Weiss-Manier» vorgenommen wurde (E. 5.a).

4.Weil dem Verwaltungsgericht keine Angemessenheitskontrolle zukommt,kassiert es in der Regel und entscheidet nicht selbst (E. 5f).


Die Politische Gemeinde R plant ein Mehrzweckgebäude. Für eine Arbeitsgattung im Bauhauptgewerbe schrieb sie im offenen Verfahren die folgenden Zuschlagskriterien aus:

1. Preis
2. Qualität
– Qualitätsnachweis gemäss Beiblatt
– Bewertung bisheriger Objekte, Referenzobjekte
– Qualifikation der Schlüsselpositionen gemäss Beiblatt
3. Sozial- und Umweltkomponente
– ständige Liste
– Transporte, Maschineneinsatz
– Lehrlingsausbildung
4. Termine
– Einhaltung / Verfügbarkeit

Die zweitplatzierte Offerentin gelangt gegen die Zuschlagsverfügung mit Beschwerde ans Verwaltungsgericht.

Aus den Erwägungen:

3. Die knapp unterlegene Beschwerdeführerin macht geltend, der Zuschlagsverfügung fehle es an einer Begründung.
Die Gemeinde beruft sich auf § 44 VöB, der den Inhalt der Bekanntmachung des Zuschlages regelt. Davon zu unterscheiden ist jedoch die Eröffnung eines Zuschlagsentscheides, die sich nach § 47 VöB richtet. Um eine solche Eröffnung geht es hier. Gemäss § 47 Abs. 1 VöB eröffnet der Auftraggeber (den Anbietern) die Verfügungen durch Zustellung und soweit erforderlich durch Veröffentlichung (die sich nach § 44 VöB richtet). Die Verfügungen werden summarisch begründet und mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen (§ 47 Abs. 2 VöB). Auf Gesuch hin gibt die Auftraggeberin den nicht berücksichtigten Anbietern insbesondere die wesentlichen Gründe für die Nichtberücksichtigung bekannt (§ 47 Abs. 3 Ziff. 4 VöB), zudem die ausschlaggebenden Merkmale und Vorteile des berücksichtigten Angebots (§ 47 Abs. 3 Ziff. 5 VöB).
§ 47 VöB ist neu gegenüber der alten VöB vom 10. Juni 1997. Zu § 40 der alten VöB, der dem heutigen § 44 VöB entspricht, äusserte sich das Verwaltungsgericht im Entscheid TVR 2000 Nr. 30 dahingehend, dass Zuschlagsentscheide nicht zu begründen seien, doch seien (zumindest) im Beschwerdeverfahren die Gründe anzugeben. Die neue (zusätzliche) Bestimmung geht nun aber davon aus, dass die (anfechtbaren) Verfügungen wenigstens summarisch zu begründen sind (vgl. § 47 Abs. 2 VöB). Daran fehlt es ganz offensichtlich im Schreiben vom 19. April 2006. Dieser Mangel ist jedoch in dem Sinne als geheilt zu betrachten, als die Gemeinde wenigstens umgehend die Bewertungsmatrix bekannt gegeben hat. Daraus lässt sich eine Begründung zwar nur indirekt ableiten. In der Beschwerdeantwort sind dann allerdings die Gründe angegeben worden. Dieses nicht gesetzeskonforme Vorgehen der Gemeinde führte analog zur alten Praxis (TVR 2000 Nr. 30) dazu, dass von vornherein ein zweiter Schriftenwechsel durchgeführt werden musste. Solche Verfahrensausdehnung führt zur zeitlichen Verzögerung der Entscheidfindung, was zulasten des Auftraggebers geht.

4. Die Beschwerdeführerin macht vor allem geltend, der Umstand, dass in der Ausschreibung eine Gewichtung der Zuschlagskriterien fehle, öffne der Willkür Tür und Tor.

a) Gemäss dem grundlegenden BGE 125 II 85 f. sind die Vergabebehörden verpflichtet, alle im konkreten Beschaffungsgeschäft zur Anwendung gelangenden Zuschlagskriterien den Anbietern zum voraus in der Reihenfolge ihrer Bedeutung bekannt zu geben. Den Vergabebehörden ist es ferner untersagt, im Laufe des Submissionsverfahrens und nach Abgabe der Angebote die Zuschlagskriterien oder ihre relative Gewichtung zu ändern. Das ist Folge des im Submissionswesen wesentlichen Transparenzprinzips. Eine Gewichtung der Kriterien erst im Rahmen der Angebotsevaluation ist daher nicht ausgeschlossen (vgl. BGE 2P.274/1999 vom 2. März 2000).

b) In der Literatur wird jedoch zunehmend die Auffassung vertreten, dass die nachträgliche Festlegung der massgeblichen Gewichtung durch die Vergabestelle (beziehungsweise durch das von ihr beauftragte Ingenieurbüro) den Anforderungen des Transparenzprinzips nicht zu genügen vermöge. Ein solches Vorgehen ermögliche eine Punktierung, um zum «gewünschten» Resultat zu gelangen. Wenn der Vergabebehörde die Möglichkeit gegeben werde, die Gewichtung der einzelnen Kriterien erst nach Eingang der Offerten festzulegen, könne nicht beurteilt werden, ob von Seiten der Auftraggeberin eine Manipulation im Hinblick auf die Bevorzugung eines Anbieters vorgenommen worden sei. Solches könne nur verhindert werden, wenn sämtliche Gewichtungen/Benotungen zum voraus bekannt gegeben würden (Galli/Moser/Lang, Praxis des öffentlichen Beschaffungsrechts, Zürich 2003, Rz 477). Die Gemeinde hätte es im vorliegenden Fall in der Hand gehabt, das Prinzip der Transparenz über die (anfechtbare) Ausschreibung zum Ausdruck zu bringen, was möglicherweise das vorliegende Verfahren verhindert hätte.

c) Gemäss BGE 2P.299/2000 sind auch allfällige Unterkriterien bekannt zu geben, wenn die Vergabebehörde solche in die Offertevaluation miteinbeziehen will. Ist im voraus ein Bewertungsschema (mit der massgeblichen Gewichtung) festgelegt worden, ist dieses den Anbietern aufgrund des Transparenzprinzips im voraus bekannt zu geben (vgl. Galli/Moser/Lang, a.a.O., Rz 480; vgl. zur Problematik den Entscheid 2005-034 des Kantonsgerichts Basel Landschaft). Das Vorgehen der Gemeinde im vorliegenden Fall ist jedoch auch ohne Beachtung des vollkommenen Transparenzgrundsatzes submissionsrechtlich noch zulässig (vgl. § 21 VöB).

5. Die Beschwerdeführerin macht weiter geltend, der Preis sei lediglich mit 45% berücksichtigt worden.
Bei der Festlegung der Gewichtung der Kriterien kommt dem Auftraggeber ein grosses Ermessen zu, das zu überprüfen dem Verwaltungsgericht nur im Rahmen seiner Überprüfungsbefugnis (E. 1b) erlaubt ist (vgl. TVR 1999, Nr. 25 und 2001, Nr. 29). Die Gewichtung der vier Kriterien mit 45, 35, 15 und 5% ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Sie erscheint für das Vorhaben grundsätzlich haltbar, auch wenn sich die Frage stellt, ob dem Preis bei einer öffentlichen Vergabe eines grossen Auftrages nicht ein höheres Gewicht zukommen sollte.
Auffallend sind jedoch die Unterkriterien in dem Sinne, als mehrere Diskrepanzen zwischen den Ausschreibungsunterlagen beziehungsweise dem Beiblatt und der Bewertungsmatrix bestehen; so beim Kriterium «Qualität» und beim Kriterium «Sozial- und Umweltkomponente», aber auch beim Kriterium «Termine». Die Differenzen sind zu klären, denn gerade solche Ungenauigkeiten können Anlass für Beschwerden sein. Auf einzelne Punkte ist zurückzukommen.

a) Die Beschwerdeführerin bringt vor, die massive Preisdifferenz (von über 24%) zwischen Fr. 495'400.60 (4.50 Punkte) und Fr. 617'869.55 (3.60 Punkte) werde faktisch ausgeblendet. Diese recht erhebliche Preisdifferenz hat zu einer Punktedifferenz von 0.90 Punkten geführt, und zwar aufgrund der angewandten Preisformel (tiefster Preis dividiert durch Angebotspreis mal 10). Diese Berechnung führt dazu, dass jedes Angebot noch einen Punkt erhält und sei der Preis noch so hoch.
Die Punkteberechnung beim Kriterium «Preis» ist submissionsrechtlich auf verschiedene Arten möglich. Die Gemeinde hat sich hier der erwähnten Formel bedient. Diese führt dazu, dass ein Anbieter mit einem doppelt so hohen Preis die Hälfte der Punkte des billigsten Anbieters erhält. Das ist im Endeffekt nicht haltbar, weil (in Kombination mit der relativ tiefen Gewichtung des Preises mit 45%) dadurch die Gewichtung des Preises als wichtiger Faktor völlig verwässert wird. Eine andere Variante ist die Interpolation ohne Berücksichtigung des günstigsten und teuersten Angebots. Eine weitere Möglichkeit ist die Bewertung des günstigsten Angebots mit der maximalen Punktzahl und die Bewertung von Angeboten mit Preisen von mehr als 50% über dem günstigsten Angebot mit Null. Die konkrete Ausgestaltung der Preiskurve fällt in das weite Ermessen der Vergabebehörde. Die Preiskurve ist aber dann nicht mehr haltbar, wenn sie extrem flach ist, macht doch das Bundesgericht auf die Problematik der Preisgewichtung in BGE 2P.111/2003 vom 21. Januar 2004, E. 3.3 deutlich aufmerksam, indem es dort eine steil(er)e Preiskurve verlangt. Im vorliegenden Fall ist die Preisgewichtung aber, wie die Beschwerdeführerin zu Recht darauf hinweist, auch deshalb nicht haltbar, weil bei den anderen Kriterien, (in den Augen der Beschwerdeführerin «weichen» Kriterien) mit äusserst grober Benotung (gewissermassen in «Schwarz-Weiss-Manier») verfahren worden ist beziehungsweise nicht ausreichend differenziert wurde, während die Gewichtung beim Preis auf Kommastellen stattgefunden hat.

b) bis c) (Das Verwaltungsgericht stellt zudem bei den Kriterien Qualität und Termine nicht haltbare Benotungen fest.)

f) Zusammenfassend ergibt sich damit, dass die Beschwerde in dem Sinne teilweise gutzuheissen ist, als der Zuschlag an die Erstplatzierte aufzuheben und die Sache zur Neuentscheidung an die Gemeindebehörde zurückzuweisen ist. Da die Beschwerde teilweise gutgeheissen wird, ist der Offerent bei der Neuentscheidung einzubeziehen. Dabei ist die Gemeindebehörde an die Kriterien gemäss Ausschreibung/Beiblatt gebunden und ebenso hinsichtlich der Gewichtung der Kriterien. Hingegen hat sie einerseits die Preiskurve so zu gestalten, dass dem Kriterium «Preis» ein angemessenes Gewicht zukommt, andererseits die anderen Kriterien korrekt und rechtsgleich zu bewerten.
Eine direkte Anweisung der Gemeinde, den Zuschlag an die Beschwerdeführerin zu erteilen, wie dies die Beschwerdeführerin verlangt, kommt nicht in Frage, da sonst in den submissionsrechtlichen Ermessensspielraum der Gemeinde eingegriffen würde. Gegen Ermessensmissbrauch und Ermessensüberschreitung einer Vergabebehörde hat eine Gerichtsinstanz allerdings korrigierend einzugreifen.

Entscheid vom 20. September 2006

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