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TVR 2006 Nr. 32

Richtigstellung nach erbrachten Fürsorgeleistungen


§ 25 SHV


Die Richtigstellung und die damit verbundene Rückzahlung bereits bezahlter sowie die Ausrichtung künftiger Unterstützungsleistungen kann nur bei einer offensichtlichen Unrichtigkeit der bisherigen Regelung verlangt werden. Das gilt auch im Hinblick auf die Bestimmung des Unterstützungswohnsitzes.


Thomas R, geboren 1990, leidet an POS (psychoorganisches Syndrom = Aufmerksamkeitsdefizitstörung). Er lebte bei seinen Eltern, die ihren Wohnsitz ab 1996 in L hatten. Im Februar 1999 wurde für Thomas wegen seiner Krankheit eine Sonderschulung in der Sonderschule Glarisegg genehmigt. Die Invalidenversicherung leistete Kostengutsprache für die Schul- und Kostgeldbeiträge, jeweils nahtlos verlängert bis zum 31. Juli 2005.
Ab dem 1. Juli 2000 bestand mit der Familie N ein Pflegevertrag, sodass sich Thomas ab diesem Zeitpunkt in der schulfreien Zeit etwa zur Hälfte bei der Pflegefamilie befand. Die übrige Zeit, unter anderem auch einen Teil der Ferien, verbrachte Thomas jedoch nach wie vor bei seinen leiblichen Eltern. Ab dem 12. Juni 2001 wurde zur Koordination der Aufenthalte in der Sonderschule Glarisegg, bei der Pflegefamilie und bei den leiblichen Eltern zudem eine Erziehungsbeistandschaft im Sinne von Art. 308 ZGB eingerichtet. Schliesslich zog die Familie R per 1. Januar 2002 nach T und am 3. Juli 2002 wurde die Erziehungsbeistandschaft formell von dieser Gemeinde übernommen. Mit Verfügung vom 11. Juli 2002 lehnte die Fürsorgebehörde T zunächst die Übernahme der Pflegeplatzkosten ab. Bald darauf wurde jedoch die Suche nach einem neuen Pflegeplatz notwendig, der schliesslich im Verein Z gefunden wurde. Am 4. Februar 2003 wurde dem Ehepaar R die elterliche Obhut entzogen, da sich zufolge der Trennung der Eltern die Verhältnisse mit der Zeit als untragbar erwiesen. Mit Beschluss vom 17. März 2003 übernahm die Gemeinde T die Kosten rückwirkend ab dem 1. Januar 2003 für die Sonderschulung (soweit nicht durch die Invalidenversicherung gedeckt) und die Fremdplatzierung.
Am 27. September 2004 stellte die Gemeinde T bei der Fürsorgekommission L ein Richtigstellungsbegehren in dem verlangt wurde, dass die bisher von ihr zu Unrecht übernommenen Unterstützungen für Thomas in der Gesamthöhe von Fr. 50'011.50 zurückzuerstatten seien. Zudem seien künftig die Kosten für den Verein Z für die Wochenend- und Ferienaufenthalte von Thomas sowie der Elternbeitrag an die Schulung in Glarisegg und die übrigen ungedeckten Kosten wieder durch die Fürsorgekommission L zu übernehmen. Gegen diesen Entscheid erhob die Fürsorgekommission L Einsprache, die abgewiesen wurde. Dagegen reichte letztere beim DFS Rekurs ein, das das Rechtsmittel guthiess. Eine dagegen eingereichte Beschwerde weist das Verwaltungsgericht ab.

Aus den Erwägungen:

4. a) Die Fürsorgebehörde einer beteiligten Gemeinde kann eine Richtigstellung verlangen, wenn eine Unterstützung offensichtlich unrichtig geregelt oder beurteilt worden ist. Der Anspruch auf Richtigstellung besteht nur für Unterstützungen, die in den letzten fünf Jahren vor dem Begehren ausgerichtet worden sind (§ 25 SHV). Anerkennt eine Fürsorgebehörde den Anspruch auf Rückerstattung oder die Abrechnung nicht, so muss sie innert 20 Tagen bei der fordernden Fürsorgebehörde Einsprache erheben. Anerkennt die fordernde Fürsorgebehörde die Einsprache nicht, so muss sie sie unter Angabe von Gründen abweisen (§ 26 Abs. 1 und 2 SHV).
Die dargestellte «Richtigstellung» im innerkantonalen Verhältnis (unter Gemeinden) lehnt sich an die interkantonale Regelung von Art. 28 ZUG an. Auch das Verfahren lehnt sich an das ZUG an, nämlich an die Art. 33 und 34 ZUG. Es kann deshalb auf die Praxis zum ZUG verwiesen werden. Nach Thomet (Kommentar zum ZUG, Zürich 1994, Rz 278 und 279) bestehen die Wirkungen der Richtigstellung vor allem darin, dass der Unterstützungsfall zwischen den beteiligten Kantonen für die Zukunft so geregelt wird, wie es dem nachträglich festgestellten wahren Tatbestand entspricht. Das ZUG sieht ausserdem eine Rückwirkung der Richtigstellung vor, können doch Leistungen, die nach dem richtiggestellten Tatbestand nicht geschuldet waren, zurückgefordert und solche, die hätten bezahlt werden müssen, nachgefordert werden. Nach dem ZUG kann stets ohne besondere Voraussetzungen verlangt werden, dass die Richtigstellung ausser den künftigen auch die in den letzten fünf Jahren ausgerichteten Unterstützungen umfasst. Die Richtigstellung führt dann zu entsprechenden Rück- und Nachzahlungen. Voraussetzung für eine Richtigstellung ist und bleibt aber sowohl nach ZUG als auch nach SHV, dass eine offensichtlich unrichtige Regelung oder Beurteilung vorliegt.

b) Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass der Unterstützungswohnsitz von Thomas mit seinem Umzug von L nach T am 1. Januar 2000 nicht gewechselt habe, sondern in L verblieben sei. Laut § 4 SHG ist für die Leistung von Unterstützungen die Wohnsitzgemeinde des Hilfsbedürftigen zuständig. Wohnsitz und Aufenthalt bestimmen sich laut § 4 Abs. 2 SHG nach dem ZUG. Grundsätzlich sind es die Eltern, die für den Unterhalt der Kinder zu sorgen haben. Daher ist es nur folgerichtig, dass Art. 7 Abs. 1 ZUG bestimmt, das unmündige Kind teile den Unterstützungswohnsitz der Eltern oder jenes Elternteils, unter dessen Gewalt es stehe. Früher als im Vormundschaftsrecht, bei dem sich die zuständige Behörde grundsätzlich nach dem Wohnsitz gemäss ZGB beurteilt, spaltet sich jedoch im Unterstützungsrecht der Unterstützungswohnsitz des Kindes von demjenigen seiner Eltern ab. Art. 7 Abs. 3 lit. c ZUG bestimmt nämlich, dass das Kind einen eigenen Unterstützungswohnsitz am letzten Unterstützungswohnsitz nach den Abs. 1 und 2 hat, wenn es dauernd nicht bei den Eltern oder einem Elternteil wohnt. Mit andern Worten: Ab dem Moment, ab dem ein Kind nicht mehr dauernd bei seinen Eltern wohnt, hat es einen eigenen Unterstützungswohnsitz an dem Ort, an dem es zuletzt mit seinen Eltern zusammengewohnt hat. Dabei stellt sich die Frage, ab wann ein Kind im Sinne von Art. 7 Abs. 3 lit. c ZUG dauernd nicht mehr bei seinen Eltern wohnt.
Thomet formuliert die Problematik im ZUG-Kommentar (a.a.O., N. 132) wie folgt: «Es ist also lediglich noch zwischen einem vorübergehenden beziehungsweise befristeten Fremdaufenthalt und dauernder Fremdplatzierung zu unterscheiden. Für das nicht bevormundete und nur vorübergehend nicht bei den Eltern lebende Kind gilt nach den Umständen Art. 7 Abs. 1 oder Abs. 2 ZUG: das Kind teilt den Wohnsitz der Eltern oder eines Elternteils. Vorübergehend nicht bei den Eltern lebt ein Kind zum Beispiel im Rahmen von Ferien, Spital- oder Kuraufenthalten, IV-Abklärungen, für die Dauer der Unpässlichkeit eines Elternteils, oder bei auswärtiger Schul- oder Berufsbildung.
Wenn die Eltern zum Beispiel ein behindertes Kind selbst in einem Sonderschulheim untergebracht haben, sich regelmässig um es kümmern, das Kind mit allem Nötigen versorgen, es regelmässig besuchen oder es zu sich auf Besuch und in die Ferien nehmen, nach Möglichkeit die Schul- oder Heimkosten oder wenigstens Beiträge daran direkt bezahlen, und die Absicht haben, das Kind nach einer bestimmten Zeit beziehungsweise nach Aufhören der Sonderschulbedürftigkeit wieder zu sich zurückzunehmen, lebt das Kind nur vorübergehend nicht bei den Eltern. Das gilt insbesondere beim sogenannten ‚Wocheninternat’, wenn das Kind die Wochenenden regelmässig bei seinen Eltern verbringt.
Anders verhält es sich, wenn die Eltern oder ein Elternteil sich nicht ernstlich um das fremdplatzierte Kind kümmern beziehungsweise die elterliche Gewalt ‚faktisch’ nicht wahrnehmen. In diesem Fall sind in der Regel auch die Voraussetzungen zum Entzug der elterlichen Gewalt nach Art. 311 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB gegeben. Dass ein Entzug der elterlichen Gewalt tatsächlich erfolgt, ist aber für die Begründung des eigenen Unterstützungswohnsitzes nicht erforderlich. Erfolgt eine Fremdplatzierung auf unbestimmte Zeit oder für mehr als sechs Monate, so kann in der Regel von ihrer Dauerhaftigkeit ausgegangen werden. Zudem ist der Zweck des Aufenthalts massgebend. Therapeutische und der Abklärung dienende Massnahmen sprechen gegen und Kindesschutzmassnahmen für eine dauernde Fremdplatzierung.»

c) Der von Thomet beschriebenen Abgrenzung, ob von einer dauerhaften Trennung von den Eltern gesprochen werden muss, schliesst sich das Gericht an. Tatsächlich ist die Grenze in etwa dort zu ziehen, wo die Zeit vor und nach der Schule nicht mehr freiwillig bei den Eltern verbracht werden kann beziehungsweise darf. Mit dem krankheitsbedingten Eintritt in die Sonderschule in Glarisegg am 7. Februar 1999 war dies zweifelsfrei noch nicht der Fall. Thomas ist regelmässig zu seinen Eltern zurückgekehrt. Etwas weniger eindeutig wird die Situation mit dem Eingehen eines Pflegeverhältnisses mit der Familie N. Wie den Akten entnommen werden kann, verbrachte Thomas ab dem Juli 2000 in etwa die Hälfte seiner freien Zeit bei dieser Familie, die andere Hälfte aber immer noch bei seinen Eltern. Noch einen Schritt weiter ging dann die Errichtung der Erziehungsbeistandschaft zur Koordination zwischen Eltern, Pflegeeltern und der Schule in Glarisegg am 12. Juli 2001. Entgegen den Ausführungen des Rechtsvertreters der Gemeinde L beziehungsweise der Vorinstanz kann zu jenem Zeitpunkt nicht mehr von rein organisatorischer Beihilfe gesprochen werden. Dies war nicht mehr eine rein schulische Massnahme. Aus den Akten, insbesondere den Protokollen der Elterngespräche und den übrigen in diesem Zusammenhang erstellten Schreiben entsteht doch der Eindruck, dass die Eheleute R je länger je mehr einerseits mit Thomas, andererseits auch mit sich selbst überfordert waren. Schliesslich ist es dann zur Trennung der Eltern gekommen, allerdings nicht sofort. Auf den 1. Januar 2002 ist die Familie R gesamthaft nach L gezogen. Noch am 11. Juni 2002 hat die PG L die Kostenübername der bereits getroffenen Massnahmen zwar abgelehnt. Am 3. Juli 2002 wurde dann allerdings die Beistandschaft übernommen und ab September 2002 zeichnete sich ab, dass für Thomas ein neuer Pflegeplatz gesucht werden musste. Ab Februar 2003 war Thomas an einem neuen Pflegeplatz untergebracht, dessen Betreuer auch eine entsprechende fachliche Ausbildung hat. Gleichzeitig wurde dem Ehepaar R am 4. Februar 2003 auch noch die elterliche Obhut entzogen. Dass dies offenbar dringend notwendig war, zeigen unter anderem die Tatsachen, dass der Vater mit dem zwölfjährigen Sohn in die Wirtschaft ging und ihn dort Bier konsumieren liess und dass die Mutter ihrem Sohn völlig unangemessene SMS' hat zukommen lassen. Am 17. März 2003, also erst nach reichlich bemessener Überlegungsfrist, übernahm dann die Fürsorgebehörde T die Finanzierung ab dem 1. Januar 2003 insbesondere auch der Nebenkosten von Glarisegg und die Unterbringung am neuen Pflegeplatz. d) Der vorliegende Fall bietet insofern eine gewisse Schwierigkeit bei der Ermittlung des Unterstützungswohnsitzes, als Thomas gesundheitsbedingt bereits ab dem 7. Februar 1999 die Sonderschule in Glarisegg besuchte. In jenem Zeitpunkt hatte Thomas aber sicher noch keinen eigenen Unterstützungswohnsitz. Vielmehr kehrte er regelmässig an den Wochenenden und in den Ferien zu seinen Eltern zurück. Mit Eingehung des Pflegevertrags mit der Familie N im Juli 2000, spätestes aber mit der Errichtung der Erziehungsbeistandschaft am 12. Juni 2001 lag mindestens ein Grenzfall vor. Die Situation war aber noch nicht eindeutig, da Thomas immer noch regelmässig zu seinen Eltern zurückkehrte, wenn auch nicht mehr wöchentlich. Für eine gewisse Zwischenzeit sind die Verhältnisse dann sogar noch etwas unklarer, riss Thomas doch zwischendurch einmal von der Schule aus und wollte wieder ganz nach Hause. Eindeutig wurde die Situation erst mit dem Entzug der elterlichen Obhut im Februar 2003. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Eltern von Thomas ihren Wohnsitz in T und nicht mehr in L. Es kann somit nicht gesagt werden, die von der Fürsorgekommission T am 17. März 2003 vorgenommene Beurteilung des Unterstützungswohnsitzes sei offensichtlich unrichtig gewesen. Ein Anspruch auf Rückerstattung im Sinne von § 26 Abs. 1 SHV besteht daher nicht.

Entscheid vom 28. Juni 2006

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