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TVR 2006 Nr. 35

Leistungsverweigerung bei Eventualvorsatz


§ 32 GebG


Führt das Entzünden eines Abfallhaufens in unmittelbarer Nähe eines Gebäudes und einer Remise zu einem Gebäudebrand, ist von Eventualvorsatz auszugehen, der zur Leistungsverweigerung führt.


L ist Eigentümerin einer Liegenschaft, auf der sich ein älteres Wohnhaus und eine freistehende Holzremise befanden. Am Morgen des 3. Juli 2003 räumte L zusammen mit einem Hilfsarbeiter das Wohnhaus aus und verbrannte Hausrat und Abfälle im etwa 10 m breiten Durchgang zwischen dem Haus und der dahinterliegenden Remise. Die Feuerstelle mit einem Durchmesser von rund 4.3 m lag in einem Abstand von 4 m von der Hausfassade und 1.5 m von der Remise entfernt. In der Folge griff das Feuer auf die Remise über und zerstörte sie fast vollständig. Auch die Aussenfassade des Hauses wurde angesengt, doch konnte ein schlimmerer Schaden dank rechtzeitigem Eingreifen eines Nachbars und der Feuerwehr verhindert werden.
In der Folge machte L bei der Thurgauer Gebäudeversicherung den beim Brand entstandenen Schaden geltend, die jedoch Leistungen verweigerte. Die daraufhin angerufene Rekurskommission für Gebäudeversicherung wies ab, ebenso das Verwaltungsgericht auf Beschwerde hin.


Aus den Erwägungen:


2. a) Laut § 32 Abs. 1 GebG verliert ein Eigentümer jeden Entschädigungsanspruch, wenn er das Schadenereignis vorsätzlich herbeigeführt hat. Hat der Eigentümer den Schaden grobfahrlässig verursacht, ist die Gebäudeversicherung berechtigt, die Entschädigung dem Verschulden entsprechend zu kürzen (§ 32 Abs. 2 GebG).
Die Beschwerdeführerin macht geltend, zur Auslegung von § 32 Abs. 1 GebG sei die entsprechende privatrechtliche Norm von Art. 14 Abs. 1 VVG heranzuziehen. Nach dieser Vorschrift hafte der Versicherer nicht, wenn der Versicherungsnehmer das befürchtete Ereignis absichtlich herbeigeführt habe. Das Bundesgericht gehe im Einklang mit der herrschenden Lehre davon aus, dass der Eventualvorsatz für eine Leistungsverweigerung nach Art. 14 Abs. 1 VVG nicht ausreiche, wenn der Täter den Erfolg billige und es damit nicht eigens auf den Schaden abgesehen habe.
Gegen diese Auffassung spricht, dass im öffentlichen (und zwingenden) Gebäudeversicherungsrecht zwischen den Interessen der (Zwangs-)Versichertengemeinschaft und dem einzelnen, schuldhaft handelnden Gebäudeeigentümer abzuwägen ist. Das Gesetz hat dabei durch präventive oder repressive Massnahmen darauf hinzuwirken, dass die Grenze der «Zwangs»Solidarität nicht gesprengt wird. Ein Vergleich mit dem Privatversicherungsrecht, das primär die Interessen zwischen Versicherer und Versichertem regelt, überzeugt daher nicht.

b) aa) Im juristischen Sprachgebrauch wird zwischen Fahrlässigkeit und Vorsatz unterschieden. § 32 Abs. 2 GebG setzt nun selbst die Grenzen, in denen nicht eine Verweigerung, sondern eine Kürzung der Leistung vorzunehmen ist. Eine Kürzung – im Gegensatz zur vollständigen Verweigerung der Entschädigung – kommt nur dann in Frage, wenn der Eigentümer den Schaden höchstens grobfahrlässig verursacht hat. Jedes darüber liegende Verschulden, also sowohl Vorsatz als auch Eventualvorsatz, muss daher unweigerlich gemäss § 32 Abs. 1 GebG zur vollständigen Verweigerung der Leistung führen.
Eventualvorsatz liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn der Täter die Verwirklichung eines Tatbestandes zwar nicht mit Gewissheit voraussieht, aber doch ernsthaft für möglich hält. Gemeinhin wird die Formulierung verwendet, dass ein Täter die Tatbestandserfüllung in Kauf nimmt oder sich damit abfindet, auch wenn sie durchaus nicht seinen Wünschen entspricht. Praktisch dient das Institut des Eventualvorsatzes vor allem als Beweishilfe zum Schluss vom Wissen auf das Wollen, wenn sich dem Täter der Eintritt des Erfolgs als so wahrscheinlich aufdrängt, dass sein Handeln vernünftigerweise nicht anders ausgelegt werden kann, sofern nicht Gegenindizien diesen Schluss entkräften (vgl. zum Ganzen: Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Zürich 1989, Art. 18 N. 13 ff.).

bb) Die konkreten Umstände des Vorfalls vom 3. Juli 2003 zeigen folgendes Bild: Nach anfänglichem Leugnen musste die Beschwerdeführerin zugeben, den Abfallhaufen, der zwischen der westlichen Front von Wohnhaus und Remise aufgeschichtet war, selbst angezündet zu haben. Zunächst hatte sie nämlich noch behauptet, der Haufen sei aus unerklärlichen Gründen von selbst in Brand geraten. Ebenso wird zugegeben, dass die Beschwerdeführerin von ihrem Gehilfen gewarnt worden war, der Abfallhaufen sei zu nahe bei den Gebäuden und man solle ihn, wenn man ihn schon anzünden wolle, doch weiter weg verlegen. Dies wurde damit quittiert, dass dies nicht notwendig sei, es könne schon nichts passieren. Wer aber aus altem, trockenem und gut brennbarem Hausrat bestehenden Abfall so nahe wie vorliegend bei aus nicht brandhemmendem Material bestehenden Gebäudefassaden anhäuft und diesen hernach bei (un-)günstigem Wind anzündet, ohne ausreichend Löschmaterial bereit zu stellen, nimmt offensichtlich ein Übergreifen des Feuers sowohl auf die Remise, als auch auf das Haupthaus in Kauf. Die Brandstelle selbst hatte einen Durchmesser von 4.30 m. Die Distanz zum Haupthaus betrug lediglich 4 m, diejenige zur Remise nur 1.5 m. Unter diesen Umständen muss offensichtlich damit gerechnet werden, dass beide umliegenden Gebäude in Mitleidenschaft gezogen werden. Damit ist auch nur von einem und nicht zwei Schadenereignissen auszugehen. Wenn die Beschwerdeführerin dennoch den Abfallhaufen angezündet hat, dann hat sie die daraus entstandenen Folgen ohne Zweifel mindestens in Kauf genommen. Ein anderer Schluss lässt sich vernünftigerweise nicht ziehen. Zu Recht hat daher die Vorinstanz den Entscheid der Gebäudeversicherung im Ergebnis bestätigt, wenn auch mit anderer Begründung.

Entscheid vom 15. Februar 2006

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