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TVR 2007 Nr. 1

Kündigungsschutz infolge Krankheit/Unfall und Lohnfortzahlungspflicht


§ 33 GemG


1. Da der zeitliche Kündigungsschutz und die Lohnfortzahlungspflicht im schweizerischen Recht nicht koordiniert sind, ist es an sich möglich, dass eine Kündigung zulässig ist, obgleich die Lohnfortzahlungspflicht andauert. Zu fragen ist, ob die Parteien vertraglich eine Versicherungslösung (Taggeldleistungen alsVerdienstersatz) oder blosse Lohnfortzahlungspflicht derArbeitgeberin vereinbart haben. Ist Letzteres vereinbart, muss im Zweifel davon ausgegangen werden, dass diese Pflicht den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses voraussetzt, nicht so bei einer Versicherungslösung (E. 3b).

2. Berechnung der Sperrfrist bei unterschiedlichem Grad der Arbeitsfähigkeit (E. 4b).

3. Berechnung der Dauer der Lohnfortzahlungspflicht aufgrund einerVersicherungslösung (E. 5b).


H war seit dem 1. Januar 2001 von der Gemeinde K als Mitarbeiterin im Werkhof angestellt. Ihr Arbeitseinsatz erfolgte in erster Linie in der Gärtnerei, ausserdem bei Reinigungsarbeiten und im Winterdienst. Seit dem 7. Mai 2004 ist sie wegen schwerer Rückenbeschwerden in ärztlicher Behandlung. Am 12. Mai 2004 erlitt sie bei einem Arbeitsunfall (Verkehrsunfall) ein Stauchungs- und Distorsionstrauma der HWS. Ab 19. Juli 2004 war sie nur noch vom 7. November 2005 bis zum 23. Januar 2006 zu 100% arbeitsfähig. Wegen diverser Probleme im Werkhof fand vom Februar bis zum August 2006 eine Mediation statt, an welcher neben H auch der Leiter des Werkhofs und der Bauverwalter der Gemeinde K beteiligt waren. Am 17. August 2006 wurde von den Beteiligten betreffend Auflösung des Arbeitsverhältnisses unter anderem folgendes festgehalten:
«... Die Kündigung erfolgt durch die Gemeinde. Das Arbeitsverhältnis wird nach 720 Krankheitstagen aufgelöst (Herbst 2006).» Mit Schreiben vom 25. Oktober 2006 kündigte die Gemeinde K das Arbeitsverhältnis per 31. Januar 2007. Dagegen liess H am 26. Januar 2007 Rekurs erheben und beantragen, die Kündigung sei nichtig zu erklären beziehungsweise aufzuheben und die Gemeinde sei zur Lohnfortzahlung über den 31. Januar 2007 hinaus zu verpflichten. Es sei festzustellen, dass die Sperrfrist gemäss Art. 12 Abs. 1 lit. b des Personal- und Besoldungsreglements der Gemeinde K Ende Januar 2008 beziehungsweise Ende Dezember 2007 auslaufe und demnach die Kündigung erst nach diesem beziehungsweise jenem Termin möglich sei. Mit Entscheid vom 28. Juni/20. August 2007 hiess die Personalrekurskommission den Rekurs teilweise gut und stellte fest, dass das Anstellungsverhältnis zwischen H und der Gemeinde per 31. Januar 2007 aufgelöst sei. Es bestehe indessen über den 31. Januar 2007 hinaus noch eine Lohnfortzahlungsverpflichtung für 51 Tage (bis zum 23. März 2007). Das mit Beschwerde angegangene Verwaltungsgericht weist ab.

Aus den Erwägungen:

2. Gegenstand des Verfahrens bilden die Fragen, ob die Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom 25. Oktober 2006 per 31. Januar 2007 gültig ist und ob H einen Anspruch auf Lohnfortzahlung über den 31. Januar 2007 beziehungsweise den 23. März 2007 hinaus hat. Unbestritten ist, dass diese Fragen in erster Linie anhand des Personal- und Besoldungsreglements der Gemeinde K vom 1. Januar 2001 (nachfolgend Reglement) zu beantworten sind. Gemäss § 33 GemG gelten für das Gemeindepersonal die Bestimmungen für das Staatspersonal sinngemäss, soweit keine kantonalen Regelungen zur Anwendung kommen und die Gemeinde keine eigenen vorsehen (vgl. TVR 2006 Nr. 4). Subsidiär kommen die Bestimmungen des OR zur Anwendung (Art. 1 Abs. 4 des Reglements). Umstritten sind vorliegend die Auslegung und der Zusammenhang der konkret anwendbaren Bestimmungen. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um Art. 12 (Kündigungsschutz) und Art. 49 (Krankheit und Unfall) des Reglements. Diese Bestimmungen lauten auszugsweise wie folgt:

Art. 12
1Angestellten kann nicht gekündigt werden:
a) (...)
b) während sie ohne eigenes Verschulden durch Krankheit oder Unfall ganz oder teilweise an der Arbeitsleistung verhindert sind, und zwar während längstens zwei Jahren;
2 Ist die Kündigung vor Beginn einer solchen Sperrfrist erfolgt, so wird der Ablauf der Kündigungsfrist unterbrochen und erst nach Beendigung der Sperrfrist fortgesetzt.

Art. 49
1Bei Arbeitsunfähigkeit infolge von Krankheit oder Unfall werden während zwei Jahren Leistungen in der Höhe der bisherigen Besoldung ausgerichtet. Die Sozialabzüge werden nicht herabgesetzt.
2 Bei Arbeitsunfähigkeit infolge eines Berufsunfalls besteht für die gesamte Dauer, längstens jedoch bis zur Rentenfestsetzung, Anspruch auf die volle Besoldung.
3 Eine wenigstens 50%-Wiederaufnahme der Arbeit während mindestens einem Monat gilt als Unterbrechung der Arbeitsunfähigkeit.

3. a) H lässt im Wesentlichen vorbringen, die Sperrfristenregelung nach Art. 12 Abs. 1 lit. b des Reglements müsse im Zusammenhang mit Art. 49 Abs. 3 des Reglements gesehen werden. Demnach unterbreche eine wenigstens 50%ige Wiederaufnahme der Arbeit auch die Sperrfrist für die Kündigung, was zu einer entsprechenden Verlängerung des Kündigungsschutzes führe. Andernfalls müsste bei Art. 12 Abs. 1 lit. b des Reglements analog zur kantonalen Regelung in § 25 Abs. 1 Ziff. 2 RSV nach «längstens zwei Jahren» noch «beziehungsweise bis der Lohnfortzahlungsanspruch bei Krankheit und Unfall erlischt» angefügt werden. Auf diesen Zusatz sei verzichtet worden, weil der kommunale Gesetzgeber Art. 49 Abs. 3 des Reglements auch in Bezug auf die Sperrfrist bei Kündigungen angewendet haben wolle.

b) Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Dem Wortlaut von Art. 12 Abs. 1 lit. b des Reglements kann klar entnommen werden, dass die Sperrfrist sowohl bei vollständiger als auch teilweiser Verhinderung an der Arbeitsleistung gilt. Eine Veränderung im Umfang der Arbeitsunfähigkeit hat also keinen Einfluss auf den Lauf der Sperrfrist. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte, die für die sinngemässe Anwendung von Art. 49 Abs. 3 des Reglements sprechen. Insbesondere muss die Dauer des Kündigungsschutzes nicht mit derjenigen der Lohnfortzahlung übereinstimmen. Zudem bedeutet eine «Unterbrechung » gemäss Art. 12 Abs. 2 und Art. 49 Abs. 3 des Reglements nicht, dass die entsprechende Frist neu zu laufen beginnt, sondern dass sie während einer gewissen Zeit stillsteht und danach fortgesetzt wird. Der zeitliche Kündigungsschutz und die Lohnfortzahlungspflicht sind im schweizerischen Recht nicht koordiniert. Es ist sehr wohl möglich, dass eine Kündigung zulässig ist, obgleich die Lohnfortzahlungspflicht andauert. Wegen dieser fehlenden gesetzlichen Koordination stellt sich regelmässig die Frage, wie die Parteien das Verhältnis zwischen Kündigungsschutz und Lohnfortzahlungspflicht regeln wollten, wenn sie eine vertragliche Verlängerung der Lohnfortzahlungspflicht vereinbart haben. Soll diese durch eine Versicherung gewährleistet werden, indem nicht der Lohn weiterbezahlt wird, sondern Taggeldleistungen als Verdienstersatz erbracht werden, darf davon ausgegangen werden, dass die Versicherungsleistungen auch über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus erbracht werden sollen, sei es, dass die Kollektivtaggeldversicherung unverändert weiter besteht oder dass ein Übertritt in eine gleichwertige Einzeltaggeldversicherung erfolgen kann. Anders verhält es sich, wenn keine Versicherung, sondern eine blosse Lohnfortzahlungspflicht der Arbeitgeberin vereinbart ist. Weil es sich diesfalls um Lohn handelt, muss im Zweifel angenommen werden, dass die Verpflichtung den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses voraussetzt und ohne entsprechende abweichende Vereinbarung der zeitliche Kündigungsschutz nicht entsprechend ausgedehnt worden ist (Urteil des Bundesgerichts 4C.315/2006 vom 10. Januar 2007, E. 3.1. m.w.H.).

4. a) Gemäss dem ärztlichen Attest präsentiert sich die Arbeitsunfähigkeit von H infolge Krankheit folgendermassen:

50 %

19. Juli 2004

bis

17. August 2004

100 %

18. August 2004

bis

19. Juni 2005

50 %

20. Juni 2005

bis

6. November 2005

0 %

7. November 2005

bis

23. Januar 2006

100 %

24. Januar 2006

bis

29. Januar 2006

50 %

30. Januar 2006

bis

12. Februar 2006

100 %

13. Februar 2006

bis

auf weiteres

b) Die Sperrfrist, während welcher bei Krankheit oder Unfall keine Kündigung ausgesprochen werden darf, beträgt gemäss Art. 12 Abs. 1 lit. b des Reglements zwei Jahre. Dies entspricht 730 Tagen. Die Kündigung durch die Gemeinde erfolgte am 25. Oktober 2006. Zu diesem Zeitpunkt war H bereits seit 751 Tagen krank (19. Juli 2004 bis 6. November 2005 = 476 Tage, 24. Januar 2006 bis 25. Oktober 2006 = 275 Tage). Hierbei ist es entgegen der Auffassung von H irrelevant, dass sie in der Zeit vom 19. Juli 2004 bis zum 17. August 2004 neben der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit auch noch wegen ihres Arbeitsunfalls zu 50% krank war. Der Unfall fiel in eine Phase, in der H bereits krankheitshalber arbeitsunfähig war. Während die Unfallfolgen erfolgreich behandelt werden konnten und daraus nach dem 17. August 2004 keine Arbeitsunfähigkeit mehr resultierte, bestand die Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit mit kleinen Unterbrechungen weiterhin. Ebenso wenig spielt es eine Rolle, dass nicht sämtliche Perioden der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit auf ihr Rückenleiden zurückzuführen sind. Die Zweijahresfrist von Art. 12 Abs. 1 lit. b des Reglements ist äusserst grosszügig bemessen, so dass sämtliche Tage, an denen eine durch Krankheit oder Unfall bedingte (teilweise) Arbeitsunfähigkeit besteht, unabhängig von ihrer konkreten Ursache zu addieren sind. Für diese Lösung spricht auch die in der Mediationsvereinbarung getroffene Lösung, welche sich an die Regelung im Reglement anlehnt und nochmals verdeutlicht, dass die Kündigung nach zwei Jahren Krankheit ausgesprochen werde. Entsprechend wurde der Herbst 2006 als Kündigungszeitpunkt in die Vereinbarung aufgenommen. In dieser Mediationsvereinbarung wurden die gesetzlichen Bestimmungen übernommen und auf den konkreten Fall umgemünzt. Diese Vereinbarung ist gültig, wurden H doch dieselben Rechte zugestanden, die ihr von Gesetzes wegen zukamen. Die Kündigung durch die Gemeinde wurde vereinbarungsgemäss nach zweijähriger Krankheit ausgesprochen. Die Sperrfrist von Art. 12 Abs. 1 lit. b des Reglements war am 25. Oktober 2006 bereits abgelaufen. Die Kündigung durch die Gemeinde K ist somit nicht in der Sperrfrist erfolgt.

c) Die Personalrekurskommission kommt im angefochtenen Entscheid zum Schluss, dass die Gemeinde die Kündigung mit einer Rechtsmittelbelehrung hätte versehen müssen, da jede Kündigung eine Verfügung darstelle. Dieser Mangel sei erst durch das Schreiben der Gemeinde vom 16. Januar 2007 geheilt worden. Dieser Auffassung ist grundsätzlich zuzustimmen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob dies zur Folge hat, dass die dreimonatige Kündigungsfrist gemäss Art. 9 Abs. 1 des Reglements erst am 16. Januar 2007 zu laufen begann und das Arbeitsverhältnis demnach am 30. April 2007 endete. Dies ist nicht der Fall. Indem der Rekurs gegen die Kündigung am 26. Januar 2006 als rechtzeitig erachtet wurde, hat die mangelhafte Eröffnung der Kündigung keinerlei Nachteile für H entfaltet. Dies umso weniger, als sich die Beteiligten ja bereits in der Mediationsvereinbarung vom 17. August 2006 auf eine Kündigung durch die Gemeinde K im Herbst 2006 geeinigt hatten und H daher mit einer baldigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechnen musste. Die mangelhafte Eröffnung der Kündigung vom 25. Oktober 2006 hat daher lediglich Auswirkungen auf die Rekurs- nicht aber auf die Kündigungsfrist. Folglich wurde das Arbeitsverhältnis gültig per 31. Januar 2007 aufgelöst.

5. a) Wie dargelegt, endet die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers grundsätzlich mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Der Rekursduplik der Gemeinde ist jedoch zu entnehmen, dass sie für die Lohnfortzahlung eine Versicherung abgeschlossen hat, welche für 730 Tage Versicherungsleistungen im Krankheitsfall erbringt. Unter diesen Umständen hat H unabhängig vom Ende des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf Lohnfortzahlung beziehungsweise Taggeldleistungen während 730 Tagen.

b) Gemäss Art. 49 Abs. 1 und 3 des Reglements dauert die Lohnfortzahlungspflicht im Krankheitsfall zwei Jahre, wobei eine wenigstens 50%ige Wiederaufnahme der Arbeit während mindestens einem Monat als Unterbrechung der Arbeitsunfähigkeit gilt. Dabei ist der Auffassung der Personalrekurskommission, wonach die Zweijahresfrist bei Wiederaufnahme der Arbeitstätigkeit in einem Pensum von 50% während mindestens einem Monat lediglich ruht und nicht jedes Mal wieder neu ausgelöst wird, zu folgen (vgl. Art. 12 Abs. 2 Reglement).Gemäss der obigen Darstellung der Zeiträume und Grade der Arbeitsunfähigkeit von H berechnen sich die zwei Jahre beziehungsweise 730 Tage, an denen sie nicht während mindestens einem Monat zu 50% arbeitsfähig war, folgendermassen: Auf die 100%ige Arbeitsunfähigkeit (50% Krankheit, 50% Unfall) vom 18. August 2004 bis zum 19. Juni 2005 entfallen 306 Tage. Danach bestand während einer gewissen Zeit eine (teilweise) Arbeitsfähigkeit. Seit dem 24. Januar 2006 war H nie mehr während mindestens einem Monat zu wenigstens 50%arbeitsfähig. Die verbleibende Frist von 424 Tagen endete somit am 23. März 2007. Die Lohnfortzahlungspflicht dauert somit länger als das Arbeitsverhältnis. Die Personalrekurskommission hat H daher zu Recht bis zu diesem Datum Lohnfortzahlungen beziehungsweise Taggelder zugesprochen.

Entscheid vom 7. November 2007

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