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TVR 2008 Nr. 26

Unentgeltlichkeit von Feuerwehreinsätzen


§ 19 GebG, § 20 GebG


Die Unentgeltlichkeit von Feuerwehreinsätzen ist abhängig von der Art des Gefahrenereignisses (Feuer/Rauch, Hitze, Blitzschlag, Explosion/Elementarereignisse) und nicht vom Objekt. Das den Einsatz auslösende Ereignis muss mit anderen Worten nicht notwendigerweise ein Gebäude betreffen (in casu Brand eines Staplers).


Am 11. April 2007 musste die Feuerwehr der Gemeinde Y nach einem Aufgebot durch die Einsatzzentrale Frauenfeld wegen eines Staplerbrandes ausrücken. Der Stapler der Firma A war auf der Gemeindestrasse in Y in Brand geraten. Zudem zog sich eine Ölspur bis auf die Höhe der Verzweigung. Mit Schreiben vom 7. Mai 2007 wurde der Firma A der Feuerwehreinsatz mit Fr. 2’722.10 in Rechnung gestellt. Als die Firma A sich weigerte, diesen Betrag zu bezahlen, erging am 23. Januar 2008 ein anfechtbarer Entscheid mit einer entsprechenden Zahlungsverpflichtung. Den dagegen erhobenen Rekurs wies das DJS ab. Die Firma A liess gegen den Rekursentscheid Beschwerde erheben, welche das Verwaltungsgericht gutheisst.

Aus den Erwägungen:

2. a) Im Zentrum der Auseinandersetzung steht die Frage, ob der Beschwerdeführerin die Kosten des Feuerwehreinsatzes vom 11. April 2007 in der Höhe von Fr. 2’722.10 für die Löschung eines Staplerbrandes in Rechnung gestellt werden kann oder nicht.

b) § 35 Abs. 1 FSG hält fest, dass Einsätze der Feuerwehr im Zusammenhang mit versicherten Gefahren gemäss den §§ 19 und 20 GebG unentgeltlich sind. In § 19 GebG sind die Gefahren unter dem Titel «Versicherte Gefahren» aufgelistet. Strittig ist, ob der Feuerwehreinsatz – unabhängig vom Brandobjekt – immer dann kostenlos ist, wenn ein in den §§ 19 und 20 GebG genanntes Gefahrenereignis eintritt (Feuer/Rauch, Hitze, Blitzschlag, Explosion/Elementarereignisse), oder ob der Einsatz nur dann kostenlos ist, wenn ein Gebäude im Sinne des GebG betroffen ist, die Kostenpflicht also vom Brandobjekt abhängig ist.

c) (…)

d) Gestützt auf die ursprünglichen Ziele der Reform des FSG interpretiert die Vorinstanz den «tatsächlichen Sinn» von § 35 FSG mit Hilfe der regierungsrätlichen Botschaft. Eine Norm solle so gelten, wie sie vom Gesetzgeber vorgesehen worden sei. Die teleologische Auslegung stelle dabei auf die Zweck-vorstellung ab, die mit einer Rechtsnorm verbunden sei. Von einer isolierten Betrachtungsweise sei abzusehen. Dabei stützt sich die Vorinstanz auf die in der regierungsrätlichen Botschaft klar geäusserte Vorstellung einer Beschränkung der Kostenlosigkeit der Feuerwehreinsätze auf versicherte Gefahren und Objekte der Gebäudeversicherung ab – alles im Zusammenhang mit der Finanzierung der Feuerwehr.

3. a) Geht man, wie die Vorinstanz vorschlägt, einzig von der Botschaft des Regierungsrates aus, so wäre der Fall klar. Die Finanzierung der Feuerwehr und die Beschränkung der Unentgeltlichkeit stellen einen klaren Zusammenhang dar. Sinn der Gesetzesrevision war es, die Feuerwehr primär durch eine obligatorische Brandschutzabgabe der Gebäudeeigentümer (plus die Ersatzabgabe betreffend Feuerwehrpflicht) zu finanzieren, und im Gegenzug die Kostenlosigkeit der Feuerwehreinsätze auf Feuer und Elementarschäden an Gebäuden zu beschränken. Ohne diese Botschaft ist umgekehrt aufgrund von § 35 FSG klar, dass ein Einsatz dann kostenlos ist, wenn ein Gefahrenereignis gemäss den §§ 19 und 20 GebG vorliegt. Offensichtlich handelt es sich hier um eine Unsorgfältigkeit bei der Gesetzesredaktion. Es stellt sich die Frage, ob angesichts des klaren gesetzlichen Wortlauts überhaupt ein Interpretationsspielraum existiert und ob ein Bedarf, eine vermeintliche Unklarheit durch Interpretation zu beseitigen, besteht.

b) Obwohl es keine Reihenfolge der Interpretationsmethoden gibt, so stellt sich doch primär die Frage, ob eine Interpretation erlaubt ist, wenn eine Gesetzesbestimmung per se klar und eigentlich nicht ungewöhnlich ist. Dafür nämlich, dass diese Regelung keineswegs besonders absonderlich ist, spricht, dass die generelle Kostenlosigkeit der früheren Regelung entsprach und offenbar in anderen Kantonen immer noch Gültigkeit hat. Dazu kommt, dass es sich bei dieser Rechnung der Feuerwehr Y um eine Gebühr handelt. Zur Erhebung von Gebühren ist immer eine gesetzliche Grundlage nötig. Diese Grundlage ebenfalls nur mittels teleologischer Auslegung aufgrund der regierungsrätlichen Botschaft zu ermitteln, ist äusserst fraglich.

c) Zudem führen die Vorinstanz und die Beschwerdeführer richtig aus, dass eine Gesetzesbestimmung primär nach ihrem Wortlaut auszulegen ist. An einen klaren und unzweideutigen Gesetzeswortlaut ist die rechtsanwendende Behörde gebunden, solange der Wortlaut einer Norm den wirklichen Sinn wiedergibt, beziehungsweise keinen absonderlichen oder abstrusen Sinn ergibt.

4. Aus diesen Gründen ist zu Gunsten des Wortlautes der Gesetzesbestimmungen zu entscheiden. Der Rechtsuchende muss sich darauf verlassen können, dass das Gesetz, so wie es geschrieben ist, auch angewendet wird und nicht durch die regierungsrätliche Botschaft uminterpretiert werden kann, zumal die regierungsrätliche Botschaft keine gesetzliche Grundlage für die Erhebung einer Gebühr ist. Der Richter hat das Gesetz seinem Wortlaut entsprechend anzuwenden. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Gesetzeswort107 laut absolut klar und keineswegs absonderlich ist, wie dies vorliegend der Fall ist, und eine gesetzliche Grundlage zur Erhebung einer Gebühr nicht gegeben ist. Wenn der Gesetzgeber die wortwörtliche Interpretation als falsch erachtet, so liegt es an ihm und ist nicht Sache des Gerichts, dies zu korrigieren. Für eine rein teleologische Auslegung, auch wenn eine solche durchaus Sinn machen würde, bleibt aus diesen Gründen kein Spielraum. Der Einsatz der Feuerwehr zur Löschung des Staplerbrandes hätte deshalb kostenlos sein müssen.

5. (Feststellung, dass die Massnahmen der Ölwehr nicht unter die versicherten Ereignisse gemäss §§ 19 und 20 GebB fallen und diese Kosten durch die Beschwerdeführerin zu bezahlen sind.)

Entscheid vom 1. Oktober 2008

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