TVR 2009 Nr. 13
Ausnahme der Abzugsfähigkeit für Einkäufe in die berufliche Vorsorge bei Steuerumgehung
Art. 79 b BVG, Art. 81 Abs. 2 BVG, Art. 33 Abs. 1 lit. d DBG, § 34 Abs. 1 Ziff. 6 StG
Ein Einkauf in die Pensionskasse wird steuerlich nicht zum Abzug zugelassen, wenn innerhalb von drei Jahren seit dem Einkauf eine Kapitalleistung aus der Vorsorge erfolgt und eine Steuerumgehung anzunehmen ist.
Der im Juni 1943 geborene A tätigte von 2004 bis 2006 drei Einkäufe in die Pensionskasse seiner Arbeitgeberin (2004: Fr. 20‘000.–; 2005 sowie 2006: jeweils Fr. 30‘000.–). Per 1. Juli 2007 zahlte ihm die Pensionskasse eine Kapitalleistung von Fr. 432‘884.– aus. Das restliche Alterskapital (Fr. 83‘636.–) bezieht A in Form einer monatlichen Rente von Fr. 460.–. Gemäss Angaben der Pensionskasse entspricht das Kapital von Fr. 83‘636.– den in den Jahren 2004 bis 2006 erfolgten Einkäufen zuzüglich Zins. In der Steuerveranlagung für die Jahre 2004 bis 2006 vom 14. März 2008 berücksichtigte die Steuerverwaltung die besagten Einkäufe in die berufliche Vorsorge von A nicht und verneinte damit deren Abzugsfähigkeit. Die dagegen geführten Einsprachen wies die Steuerverwaltung ab. Im darauffolgenden Rechtsmittelverfahren bejahte die Steuerrekurskommission die Abzugsfähigkeit der strittigen BVG-Einkäufe. Die Steuerverwaltung gelangte daraufhin ans Verwaltungsgericht, welches den Entscheid der Steuerrekurskommission wieder aufhebt.
Aus den Erwägungen:
2. Umstritten ist die steuerliche Behandlung der in den Jahren 2004 bis 2006 geleisteten Einkaufsbeiträge an die 2. Säule der Altersvorsorge. Während sich A und die Steuerrekurskommission auf den Standpunkt stellen, eine Kapitalauszahlung sei bis auf die innerhalb der letzten drei Jahre geleisteten Einkäufe möglich, ohne dass sich an der Abzugsfähigkeit der Einkaufsbeträge etwas ändere, qualifizierte die Beschwerdeführerin das Vorgehen von A als Steuerumgehung und verneinte die Abzugsfähigkeit der strittigen Einkaufsbeiträge.
4.
4.1
4.1.1 Laut Art. 81 Abs. 2 BVG sind die von den Arbeitnehmern an Vorsorgeeinrichtungen nach Gesetz oder reglementarischen Bestimmungen geleisteten Beiträge bei den direkten Steuern des Bundes, der Kantone und Gemeinden abziehbar. Dies gilt auch für ausserordentliche Beiträge. Der Einkauf, das heisst die Leistung von freiwilligen beziehungsweise ausserordentlichen Beiträgen in die berufliche Vorsorge wird seit 1. Januar 2001 begrenzt (vgl. Art. 79a BVG in der Fassung bis 31. Dezember 2005 bzw. Art. 79b BVG in der Fassung seit 1. Januar 2006). Aufgrund der Systematik handelt es sich bei Art. 79b BVG – im Gegensatz zu den Art. 80 bis 84 BVG – jedoch nicht um eine steuerrechtliche Bestimmung (Peter-Szerenyi, Der Begriff der Vorsorge im Steuerrecht, Schriften zum Steuerrecht, Hrsg. Markus Reich, 2001, S. 66). Die Eidg. Steuerverwaltung erklärte im Kreisschreiben Nr. 3 vom 22. Dezember 2000, es handle sich bei dieser Bestimmung um eine vorsorgerechtliche Regelung mit steuerlicher Zielsetzung. Sie empfahl daher, die steuerrechtliche Abzugsfähigkeit von Einkaufsbeiträgen in die berufliche Vorsorge nach Art. 79a BVG (in der damaligen Fassung) in Bezug auf die darin vorgesehene Höchstbegrenzung zu prüfen. In der Praxis wurde der Einkauf in die Vorsorgeeinrichtung zudem eingeschränkt, wenn eine Steuerumgehung vorlag. Dies war gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung dann der Fall, wenn die Einzahlung in eine Vorsorgeeinrichtung im konkreten Fall ungewöhnlich ist und dem wirtschaftlichen Sachverhalt nicht entspricht, nur aus Gründen der Steuerersparnis gewählt wurde und tatsächlich eine erhebliche Steuerersparnis bewirkt (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2A.389/2003 vom 10. März 2004, E. 3.1). So wurde der Abzug verweigert, wenn im Zeitpunkt des Einkaufes das Datum des Altersrücktritts bereits bekannt war und auch feststand, dass das Vorsorgeguthaben in Kapitalform bezogen wird (Richner/Frei/Kaufmann, Handkommentar zum DBG, Zürich 2003, Art. 33 N. 73). Die meisten Kantone nahmen regelmässig eine Steuerumgehung an, wenn innert fünf bzw. drei Jahren seit dem Einkauf der Kapitalbezug infolge Pensionierung erfolgte (vgl. Fischer/Räber, Persönliche Steuer- und Vorsorgeplanung, Muri 2002, Tabelle 27, S. 179).
4.1.2 Per 1. Januar 2006 wurde das BVG dahingehend ergänzt, dass nach getätigten Einkäufen die daraus resultierenden Leistungen innerhalb der nächsten drei Jahre nicht in Kapitalform aus der Vorsorge zurückgezogen werden dürfen (Art. 79b Abs. 3 BVG). Aus systematischen Gründen handelt es sich bei dieser Norm um eine vorsorgerechtliche Bestimmung, die für die Steuerbehörden nicht direkt anwendbar ist. Dass das Bundesamt für Sozialversicherungen sich gemäss Mitteilung über die berufliche Vorsorge Nr. 88 vom 28. November 2005 auf den Standpunkt stellte, nur der dem Einkauf entsprechende Betrag inklusive Zinsen könne während drei Jahren nicht in Kapitalform zurückgezogen werden, das ganze, vor dem Einkauf erworbene Vorsorgeguthaben sei demgegenüber durch diese neue Bestimmung nicht betroffen (Mitteilung über die berufliche Vorsorge Nr. 88 vom 28. November 2005, 511), ist daher steuerrechtlich nicht massgebend. Art. 79b Abs. 3 BVG begrenzt zudem nicht die Einkaufsmöglichkeiten sondern einzig die vorsorgerechtliche Option, das Altersguthaben in Kapitalform zu beziehen.
4.2
4.2.1 Gemäss Praxis der kantonalen Steuerverwaltung des Kantons Thurgau wird der Einkauf steuerlich nicht zum Abzug zugelassen, wenn innerhalb von drei Jahren seit dem Einkauf eine Kapitalleistung aus der Vorsorge erfolgt (StP 34 Nr. 14).
4.3
4.3.1 Aus vorsorgerechtlicher Sicht wird Art. 79b Abs. 3 BVG so ausgelegt, dass sich die Kapitalbezugssperre nach Einkäufen nur auf das eingekaufte Kapital bezieht. Deshalb konnte sich A das angesparte Alterskapital per 1. Juli 2007 im Umfang von Fr. 432‘884.– überhaupt auszahlen lassen. Bei dieser Bestimmung handelt es sich – wie bereits erwähnt – jedoch um eine rein vorsorgerechtliche Norm, welche angesichts der Systematik für die Steuerbehörden im Gegensatz zu den Art. 80 ff. BVG nicht verbindlich ist. Eine Änderung dieser Norm beeinflusst daher nicht die bisherige Steuerpraxis zur Abzugsfähigkeit der Einkäufe, sondern schränkt lediglich die vorsorgerechtliche Möglichkeit eines Kapitalbezuges ein. Diese Änderung kann allenfalls als eine Konkretisierung der bisherigen steuerrechtlichen Praxis berücksichtigt werden. Eine Kapitalauszahlung innerhalb von drei Jahren nach einem Einkauf ist vorsorgerechtlich zwar möglich, der Einkauf ist – wie vor der Gesetzesrevision per 1. Januar 2006 – in diesem Fall aber nur dann abzugsberechtigt, wenn die Voraussetzungen der Steuerumgehung nicht erfüllt sind.
4.3.2 Grundsätzlich ist jedermann frei, sich wirtschaftlich so zu betätigen, dass eine möglichst geringe Steuerlast anfällt; Steuerpflichtige dürfen sich so einrichten, dass sie möglichst wenig Steuern zahlen müssen. Das Steuerrecht erlaubt es dem Steuerpflichtigen, durch Planung die Höhe der Steuerbelastung zu beeinflussen. Steuerplanung ist grundsätzlich nicht anstössig und hat auch nichts mit Steuermoral zu tun. Ein Übermass an Steuerplanung ist häufig lediglich ein Indiz dafür, dass die betreffende Steuergesetzgebung mangelhaft und nicht – was grundsätzlich anzustreben ist – gestaltungsneutral ist. Wird jedoch bei der Steuerplanung der Bogen überspannt und ein allzu ausgefallener Sachverhalt konstruiert, der – wenn auf die zivilrechtlich gewählten Formen abgestellt wird – an sich die Voraussetzungen der Steuerbarkeit durch Ausnützung einer unbeabsichtigten Unvollständigkeit der Rechtsordnung nicht erfüllt, wirtschaftlich indessen mit dem Steuerbaren gleich ist, so gilt die Reizschwelle zwischen zulässiger und unzulässiger Steuerersparnis als überschritten. Diesfalls handelt es sich um eine unerlaubte Steuerumgehung (Richner/Frei/Kaufmann, a.a.O., VB zu Art. 109-121 N. 37 f).
Gemäss konstanter Rechtsprechung kann deshalb auch vom Grundsatz, dass Beiträge (inklusive ausserordentliche Einkäufe) gemäss Art. 33 Abs. 1 lit. d DBG an Einrichtungen der beruflichen Vorsorge abzugsberechtigt sind, abgewichen werden, wenn die Steuerpflichtigen nur um der Steuerersparnis willen ein ungewöhnliches Vorgehen gewählt haben, das heisst wenn eine Steuerumgehung vorliegt. Eine solche wird nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung angenommen wenn:
1. eine von den Beteiligten gewählte Rechtsgestaltung als ungewöhnlich (insolite), sachwidrig oder absonderlich, jedenfalls den wirtschaftlichen Gegebenheiten völlig unangemessen erscheint,
2. anzunehmen ist, dass die gewählte Rechtsgestaltung missbräuchlich lediglich deshalb getroffen wurde, um Steuern einzusparen, die bei sachgemässer Ordnung der Verhältnisse geschuldet wären, und
3. das gewählte Vorgehen tatsächlich zu einer erheblichen Steuerersparnis führen würde, sofern es von den Steuerbehörden hingenommen würde.
Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Wird eine Steuerumgehung bejaht, ist der Besteuerung die Rechtsgestaltung zugrunde zu legen, die sachgemäss gewesen wäre, um den erstrebten wirtschaftlichen Zweck zu erreichen (Urteil des Bundesgerichts 2A.123/2006 vom 10. Juli 2006, E. 2.2). Dabei tragen grundsätzlich die Veranlagungsbehörden die Beweislast für das Vorliegen sämtlicher objektiver und subjektiver Voraussetzungen der Steuerumgehung. An den Nachweis der Umgehungsabsicht sind allerdings keine allzu strengen Anforderungen zu stellen. Er ist erbracht, wenn für die vom Steuerpflichtigen getroffene ungewöhnliche, sachwidrige oder absonderliche Rechtswahl kein anderes Motiv als dasjenige der Steuerersparnis erkennbar ist. Immerhin muss die Veranlagungsbehörde aber darlegen, welche Rechtsgestaltung der Steuerpflichtige bei sachgemässem Vorgehen hätte wählen müssen und dass die stattdessen getroffene Regelung ausschliesslich aus Gründen der Steuerersparnis erfolgte (Richner/Frei/Kaufmann, a.a.O., VB zu Art. 109-121 N. 46).
Diese Rechtsprechung zum DBG gilt auch für die Staats- und Gemeindesteuern, denn das StG sieht in § 34 Abs. 1 Ziff. 6 eine dem DBG entsprechende Regelung vor.
4.3.3 A zahlte in den letzten drei Jahren insgesamt Fr. 80‘000.– ein und liess sich im Zeitpunkt der Pensionierung das gesamte verfügbare Alterskapital von Fr. 432‘884.– auszahlen. Aus vorsorgerechtlicher Sicht macht dieses Vorgehen keinen Sinn. Mit einem Einkauf soll der Vorsorgeschutz verbessert werden. Einen solchen Effekt hatten die hier zu beurteilenden Einkäufe aber gerade nicht. A hätte sich nämlich auch ohne Einkäufe eine Rente von Fr. 460.– pro Monat auszahlen lassen können. Die Kapitalauszahlung wäre in diesem Fall einfach um Fr. 80‘000.– bzw. 18,5% tiefer ausgefallen. Demgegenüber hätte er jedoch über ein um Fr. 80‘000.– grösseres Barvermögen verfügt. Der Einkauf von insgesamt Fr. 80‘000.– wirkt sich vorsorgerechtlich einzig und allein dahingehend aus, dass die Verfahrensbeteiligten im Umfang dieser aufgezinsten Einkaufssumme gebunden waren und keine Kapitalauszahlung verlangen konnten.
Setzt man das durch die Einkäufe gebundene Kapital in Beziehung mit der finanziellen Situation von A, der per 31. Dezember 2006 über ein steuerbares Vermögen von insgesamt Fr. 5‘276‘600.– (gemäss Steuerveranlagung vom 14. März 2008) verfügte, dürfte das gebundene Kapital von Fr. 83‘606.75 per 1. Juli 2007 zu keiner bedeutenden Verfügungseinschränkung geführt haben. Bei diesen Verhältnissen fällt auch eine Jahresrente von Fr. 5‘520.– kaum ins Gewicht.
Da aus vorsorgerechtlicher Sicht die Einkäufe so kurz vor der Pensionierung keinen Sinn machten, wäre es sachgerecht gewesen, die für den Einkauf benötigten Geldsummen anderweitig, möglicherweise mit einem höheren Zinssatz zu investieren und den Barbezug um diese Fr. 80‘000.– zu kürzen. A’s Vorgehen ist unter diesen Umständen sachwidrig und den wirtschaftlichen Gegebenheiten unangemessen. Es macht vorsorgerechtlich überhaupt keinen Sinn. Es ist vielmehr anzunehmen, dass damit einzig Steuern gespart werden sollten.
4.3.4 Auch die Voraussetzung des Vorliegens einer erheblichen Steuerersparnis ist erfüllt. Die von der kantonalen Steuerverwaltung errechnete Einsparung der Steuerpflicht für die direkte Bundessteuer (insgesamt Fr. 3‘064.–) und bezüglich Staats- und Gemeindesteuern (Fr. 11‘877.65) von total Fr. 14‘941.65 ist zweifelsohne erheblich. A und die kantonale Steuerrekurskommission wenden zwar ein, A hätte die Rentenleistungen wiederum zu versteuern. Dem ist indessen entgegenzuhalten, dass sich A’s Einkommenssteuer nach dessen Pensionierung erheblich reduziert und die Steuerlast in Bezug auf diese Rente deshalb wesentlich tiefer ist, als die Steuerersparnis. Zum andern müsste er, würde er den Betrag von Fr. 83‘606.75 als Kapital zur Verfügung haben, dieses und dessen Ertrag ebenfalls versteuern. Die Steuerersparnis wird zwar letztlich etwas weniger als Fr. 15‘000.– ausmachen, ist aber nach wie vor als erheblich zu bezeichnen.
5. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass die Steuerverwaltung zu Recht von einer Steuerumgehung ausgegangen ist und den Abzug für die Einkäufe in den Jahren 2004 bis 2006 nicht zugelassen hat.
Entscheid vom 12. August 2009
Das Bundesgericht wies die dagegen erhobenen Beschwerden mit Entscheid 2C_658/2009 und 2C_659/2009 vom 12. März 2010 ab.