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TVR 2009 Nr. 22

Strassenabstand für Neubauten nach Umlegung eines öffentlichen Fusswegs, Koordinationspflicht


§ 62 Abs. 1 aPBG, § 44 StrWG


Wird ein kommunaler öffentlicher Fussweg so umgelegt, dass er neu die Grenze zwischen einer überbauten und einer unüberbauten, aber baureifen Parzelle bildet, so ist das Strassenbauprojekt gleichzeitig mit dem sistierten Neubauprojekt für die unüberbaute Parzelle zu behandeln.


Der Metzgerweg in der Gemeinde F verbindet die Buchenstrasse mit der Lindenstrasse. Der Weg verläuft im Osten zwischen den Parzellen Nrn. 1112 und 1118 und durchschneidet im Westen die Parzellen Nrn. 1114 und 4796. Am 10. März 2003 ersuchte die Genossenschaft T die Gemeinde F, den westlichen Abschnitt des Metzgerwegs an die nördliche Grenze zum Nachbargrundstück Parzelle Nr. 1109 zu verlegen, um die der Genossenschaft T gehörenden Parzellen Nrn. 1114 und 4796 besser überbaubar zu machen. In der Folge wurde ein entsprechender Landabtausch mit der Gemeinde vollzogen, der Metzgerweg selbst verläuft jedoch bis heute wie vor dem Landabtausch. In der Folge wurde das Projekt «Neubau Trottoir Lindenstrasse / Umlegung Metzgerweg», mit dem der Metzgerweg an die Grenze zur Parzelle 1109 verschoben werden soll, öffentlich aufgelegt, wogegen verschiedene Einsprachen, insbesondere von Miteigentümern der Parzelle Nr. 1109, eingereicht wurden. Den gegen den abweisenden Einspracheentscheid erhobenen Rekurs wies das DBU ab. Das Verwaltungsgericht heisst die dagegen erhobene Beschwerde im Wesentlichen gut.

Aus den Erwägungen:

3.
3.1 Den Beschwerdeführern geht es vorliegend in erster Linie darum, dass das bisher geltende kommunale Grenzabstandsrecht durch die Verlegung des Metzgerwegs nicht unterlaufen wird. Grundsätzlich ist es Sache der Gemeinden, das Baureglement zu erlassen (§ 12 Abs. 1 PBG), wobei insbesondere auch die Grenzabstände für Bauten und Anlagen zu regeln sind (§ 12 Abs. 2 Ziff. 6 PBG). Das Grundstück der Beschwerdeführer, wie auch die Parzellen Nrn. 1114 und 4796, gehören gemäss gültigem Zonenplan der Gemeinde F zur Kernerweiterungszone 3 (KE3), in der gemäss Art. 23b des Baureglements der Gemeinde F (BauR) ein Grenzabstand von 7,5 Meter sowie ein Mehrlängenzuschlag von 20% gilt (Art. 31 BauR). Vor der Umlegung der Parzelle Nr. 1112, die bisher südlich direkt an die Parzelle Nr. 1109 grenzte, galt dieser Grenzabstand zweifellos. In der Zwischenzeit fand jedoch ein Landabtausch statt und der Metzgerweg soll neu auf die Parzelle Nr. 1113 verlegt werden, welche als Wegparzelle nun südlich an die Parzelle Nr. 1109 grenzt.
Nach § 4 PBV legt der Grenzabstand die kürzeste Entfernung zwischen Fassade und Nachbargrenze fest. Laut § 62 PBG richtet sich der Abstand von Bauten und Anlagen gegenüber öffentlichen Verkehrsflächen nach dem StrWG und dieses bestimmt in § 44 Abs. 1, dass der Grenzabstand bei der Erstellung oder Erweiterung von Gebäuden oder Gebäudeteilen gegenüber Gemeindestrassen oder -wegen 3 Meter zu betragen hat. Vorbehalten bleiben durch Baulinien festgelegte Abstände (§ 44 Abs. 3 StrWG).

3.2 Der heute als Fussweg benutzte, 1,2 Meter breite und beidseitig eingezäunte Metzgerweg trennt die beiden Parzellen Nrn. 1114 und 4796, die erst durch eine private Landumlegung gebildet wurden, je in zwei Hälften. Künftig soll der westliche Teil des Metzgerwegs nicht mehr quer durch die Bauparzelle verlaufen, sondern entlang der nördlichen Grenze der beiden genannten Parzellen und entlang der südlichen Grenze der Wohnliegenschaft der Beschwerdeführer. Ein Baugesuch für die Erstellung eines Mehrfamilienhauses auf den Parzellen Nrn. 1114 und 4796 ist bei der Gemeinde F hängig. Es wurde jedoch im Hinblick auf den Ausgang dieses Verfahrens sistiert. Zweifellos ist es aus Sicht der Beschwerdeführer – und nicht nur aus ihrer Sicht – von entscheidender Bedeutung, ob nach der Umlegung des Wegs auf den Parzellen Nrn. 1114 und 4796 neu nur noch der für kommunale Strassen und Wege gültige Abstand von 3 Metern nach § 44 Abs. 1 StrWG oder der ordentliche nach Art. 23b BauR geltende Abstand von 7,5 Meter plus Mehrlängenzuschlag von 20% zur Anwendung gelangt. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz sowie der Beschwerdegegner ist nicht von vorneherein klar, dass der kommunale Grenzabstand auch gegenüber den Beschwerdeführern weiterhin Gültigkeit hat. Grundsätzlich bestimmt § 62 PBG, dass der Abstand sich gegenüber öffentlichen Verkehrsflächen, wozu der Metzgerweg ohne Zweifel gehört, nach dem StrWG richtet. Hinzu kommt, dass gemäss § 4 PBV ein Grenzabstand immer nur zu den Nachbargrenzen festgelegt wird.
Nach § 4 StrWG, der die Grundsätze für Planung, Bau und Unterhalt von Strassen festlegt, sind die Bedürfnisse der Benützer und Anwohner angemessen zu berücksichtigen. Der Einwand der Beschwerdeführer, ohne eindeutige Stellungnahme der Vorinstanz bzw. ohne entsprechende Anordnung von Baulinien werde möglicherweise ein für sie ungünstiges Präjudiz geschaffen, ist daher nicht von der Hand zu weisen. Für die Überbauung der Parzellen Nrn. 1114 und 4796 ist bereits ein Baugesuch hängig. Es hätte sich nach Auffassung des Gerichts vorliegend durchaus aufgedrängt, die beiden Gesuche gleichzeitig zu behandeln, denn sie hängen offensichtlich miteinander zusammen, auch wenn in der Tat durch die Verlegung des Metzgerwegs generell eine bessere Überbaubarkeit der Parzellen Nrn. 1114 und 4796 erreicht wird. Zweifelsfrei liegt hier kein eigentlicher Fall von Art. 25a Abs. 1 RPG vor. Dennoch ist nicht zu verkennen, dass die sinnvolle Überbauung der Parzelle mit einem Mehrfamilienhaus nur im Zusammenhang mit der Umlegung des Metzgerwegs möglich ist. Die Beschwerdeführer monieren mehrfach, die Vorinstanzen hätten in ungerechtfertigter Weise zur Frage, ob der Grenzabstand nicht bereits im Rahmen des Strassenprojekts auf irgendeine Weise rechtsgültig festgelegt werden müsse, nicht Stellung genommen. Dies ist zutreffend. Das rechtliche Gehör als persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht verlangt, dass die Behörde die Vorbringen des vom Entscheid in seiner Rechtsstellung Betroffenen auch tatsächlich hört, sorgfältig und ernsthaft prüft und in der Entscheidfällung berücksichtigt. Je grösser der Spielraum, welcher der Behörde infolge Ermessen und unbestimmter Rechtsbegriffe eingeräumt ist, und je stärker ein Entscheid in die individuellen Rechte eingreift, desto höhere Anforderungen sind auch an die Begründung eines Entscheids zu stellen (BGE 112 Ia 110 E. 2b). Hinzu kommt, dass das Bundesgericht den Begriff der Koordination im Raumplanungs- und Baurecht im Rahmen der neuesten Rechtsprechung immer umfassender auslegt (vgl. hierzu die Urteile des Bundesgerichts 1C_422/2008 vom 23. Dezember 2008 [BGE 135 II 22], 1C_361/2008 sowie 1C_362/2008 vom 27. April 2009). Tatsächlich hängt für die Beschwerdeführer – je nach Stellungnahme der Vorinstanzen – einiges davon ab, wie sie sich in Zukunft verhalten sollen. Das vorliegende Projekt kann daher nicht beurteilt werden, ohne dass gleichzeitig sowohl das Strassenprojekt und das vorliegend offensichtlich damit zusammenhängende Bauprojekt aufgelegt und beurteilt werden. Die Sache ist daher zur Koordination der Verfahren an die Gemeinde zurückzuweisen.

Entscheid vom 2. September 2009

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