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TVR 2009 Nr. 24

Voruntersuchung durch Inhaber oder Dritte bei einem mit Abfällen belasteten Standort


Art. 20 AltlV


1. Pflichtig zur Voruntersuchung eines mit Abfällen belasteten Standortes ist der Inhaber. Besteht Grund zur Annahme, dass eine Belastung durch das Verhalten eines Dritten verursacht worden ist, kann die Behörde diesen Dritten zur Durchführung der Voruntersuchung verpflichten (im Sinne einer Reallast).

2. Fall eines Eigentümers, der den Besitz eines belasteten Grundstückes 1988 im Rahmen einer GZ angetreten hat, auf dem bis 1975 ölhaltiger Schlamm abgelagert worden war und von dem er nichts wusste. Der Kanton, der die Sanierung dieser Ablagerung aufgrund rechtskräftiger Verfügung im Jahre 1980 hätte überwachen müssen und der an der GZ beteiligt war, über die Ablagerung aber nicht aufklärte, wird aufgrund seines Unterlassens zum Verhaltensstörer. Dadurch tritt er in Konkurrenz zum Inhaber und kann zur Durchführung der Voruntersuchung verpflichtet werden.


Nach Vorankündigung gegenüber dem Eigentümer S der Parzelle Nr. 782 verfügte das Amt für Umwelt (AfU) am 10. September 2007: «Objekt: Kehricht- und Putzfadenablagerung Auholz. 1. Die Parzelle Nr. 782 …. wird …. in den Kataster der mit Abfällen belasteten Standorte (KbS) des Kantons Thurgau aufgenommen. 2. Der Standort gilt im KbS als belastet und muss durch den Standorteigentümer mit einer Voruntersuchung gemäss der Altlastenverordnung abgeklärt werden. 3. Die Voruntersuchung ist prioritär durchzuführen. Die Ergebnisse der Voruntersuchung sind dem AfU bis spätestens 3 Jahre … einzureichen.» In den Erwägungen hielt das AfU fest, der Standorteigentümer habe die Voruntersuchung durchzuführen, da die Firma Z als Hauptverursacherin der Schlammablagerung erloschen sei. Gegen diese Verfügung des AfU liess S am 1. Oktober 2007 Rekurs beim DBU einlegen. Dieses wies ab. Dagegen gelangt S mit Beschwerde ans Verwaltungsgericht, das die Beschwerde in dem Sinne teilweise gutheisst, als es den Kanton zur Durchführung der Voruntersuchung bei Parzelle Nr. 782 verpflichtet.

Aus den Erwägungen:

3. Wenn der Beschwerdeführer Aufhebung des Rekursentscheides bzw. der Verfügung beantragt, so wohl nur deshalb, weil ihm das rechtliche Gehör verweigert worden sein soll. Materiell geht auch er davon aus, bei seiner Parzelle Nr. 782 gehe es um einen belasteten Standort, indem er zumindest zugibt, dass er (ersatzweise) Bauschutt zur Auffüllung der Giesse ablagern liess. Dazu macht er nicht geltend, es handle sich um einen Ablagerungsstandort, an dem ausschliesslich unverschmutztes Aushub-, Ausbruch- oder Abraummaterial gelagert ist (vgl. Art. 2 Abs.1 lit. a AltlV). Auch hält er dafür, dass der Standort mit grosser Wahrscheinlichkeit auf Grund der Absetzung von verschmutztem Abwasser aus der Fabrik Z belastet ist. Der Eintrag der Parzelle Nr. 782 in den Kataster ist somit grundsätzlich unbestritten und auch gerechtfertigt.

4. Gemäss Art. 7 Abs. 1 AltlV verlangt die Behörde für die untersuchungsbedürftigen Standorte die Durchführung einer Voruntersuchung innert angemessener Frist. Die Voruntersuchung besteht in der Regel aus einer historischen und einer technischen Untersuchung. Damit werden die für die Beurteilung der Überwachungs- und Sanierungsbedürftigkeit erforderlichen Angaben ermittelt und im Hinblick auf die Gefährdung der Umwelt bewertet (Gefährdungsabschätzung). Mit der historischen Untersuchung werden die möglichen Ursachen für die Belastung des Standorts ermittelt, insbesondere die Vorkommnisse und die zeitliche und räumliche Entwicklung der Tätigkeiten am Standort sowie die Verfahren, nach denen am Standort mit umweltgefährdenden Stoffen umgegangen worden ist (Art. 7 Abs. 2 AltIV). Auf Grund der historischen Untersuchung wird ein Pflichtenheft über den Gegenstand, den Umfang und die Methoden der technischen Untersuchung erstellt. Dieses (Pflichtenheft) muss der Behörde zur Stellungnahme vorgelegt werden (Art. 7 Abs. 3 AltIV). Mit der technischen Untersuchung werden Art und Mengen der Stoffe am Standort, deren Freisetzungsmöglichkeiten und die Bedeutung der betroffenen Umweltbereiche ermittelt (Art. 7 Abs. 4 AltIV).
Betrachtet man die Angaben betreffend (mögliche) Belastung des Standorts in der Verfügung des AfU vom 10. September 2007, so ist die Rede von «Kehricht- und Putzfadenablagerung» (Verfügungstitel) sowie von «Schlammeinleitung in den Weiher am Standort bis Ende der 60er-Jahre» (Ziff. 2 der Feststellung). Weiter heisst es «in der Umgebung der verlandeten Giesse sind zusätzlich Gewerbeabfälle und Kehricht abgelagert worden. Über den Schlamm wurde später Bauschutt und zuletzt Grünabfälle abgelagert.» Schliesslich wird erwähnt, «der Anteil mineralischer Bauabfälle (Bauschutt) beträgt über 5 Gewichtsprozent.» (Ziff. 4 der Erwägungen). Abgesehen davon, dass diese Angaben kaum den Anforderungen betreffend Inhaltsangaben für den Eintrag der Parzelle Nr. 782 gemäss Art. 5 Abs. 3 AltlV (nämlich insbesondere hinsichtlich Lage [lit. a], Art und Menge der verschiedenen an den Standort gelangten Abfälle [lit. b] sowie entsprechende Zeiträume [lit. c]) entsprechen, zeigt sich, dass der Katalog der Materialien und die Zeiträume der Ablagerung im Laufe des Verfahrens teilweise ausgeweitet wurde.

5. Der Beschwerdeführer geht selbst davon aus, Hauptstreitpunkt sei der Subeventualantrag, also die Frage, ob er zu Recht zur Durchführung der Voruntersuchung verpflichtet worden ist (vgl. Ziff. 2 der Verfügung des AfU).Gemäss Art. 20 Abs. 1 AltlV sind die Untersuchungs-, Überwachungs- und Sanierungsmassnahmen vom Inhaber eines belasteten Standorts durchzuführen. Besteht Grund zur Annahme, dass eine Belastung durch das Verhalten eines Dritten verursacht worden ist, kann die Behörde diesen Dritten zur Durchführung der Voruntersuchung verpflichten (vgl. Art. 20 Abs. 2 AltlV). Unter den Begriff des «Dritten» fällt nicht nur der frühere Standortinhaber, der die Belastung als Verhaltensstörer bewirkt hat, sondern darüber hinaus jede weitere Person, die auf Grund ihres Verhaltens an der Belastung des Standortes beteiligt war. Der Beizug Dritter kann angebracht sein, wenn diese Personen über besondere Kenntnisse bezüglich jener Vorgänge verfügen, die zur Belastung des Standortes geführt haben. Er mag sich aus Gründen der Lasten-Gerechtigkeit ferner aufdrängen, wenn Dritte bei summarischer Würdigung der Umstände als hauptverantwortliche Störer erscheinen (Tschannen, Kommentar zum Umweltschutzgesetz, Zürich/Basel/Genf 2003, 2. Aufl., Art. 32c, N. 27). Soweit in Betracht fallende Störer zur Wiederherstellung des ordnungsgemässen Zustandes gleichermassen fähig sind, kann die Behörde bei ihrem Auswahlentscheid denjenigen Störer realleistungspflichtig erklären, der bei summarischer Würdigung der Umstände als der hauptverantwortliche Verursacher der Altlast erscheint und voraussichtlich den grössten Teil der Sanierungskosten wird tragen müssen (URP 1998 152, E. 4e/bb). Gemäss BGE 130 II 321 zu Art. 20 Abs. 2 AltlV kann eine Verpflichtung eines Dritten nur ausnahmsweise in Betracht gezogen werden.
Die AltlV differenziert wie folgt: Massnahmen zur Voruntersuchung, zur Überwachung und Detailuntersuchung können Dritten überbunden werden, «wenn Grund zur Annahme besteht», dass sie Verhaltensstörer waren (Art. 20 Abs. 2 AltlV). Gewissheit über die polizeirechtliche Verantwortlichkeit der Dritten lässt sich in diesem Stadium der Altlastenbearbeitung mitunter noch nicht erlangen. Es müssen aber Anhaltspunkte vorliegen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine Polizeipflicht des Dritten schliessen lassen (URP 1998 631, E. 4a). Zur Ausarbeitung des Sanierungsprojekts und zur Durchführung der Sanierungsmassnahmen können Dritte verpflichtet werden, «wenn diese die Belastung des Standorts durch ihr Verhalten verursacht haben» und die Zustimmung des Standortinhabers vorliegt (Art. 20 Abs. 3 AltlV). Weil regelmässig kostspielige Massnahmen in Frage stehen, darf ein Dritter nur dann realleistungspflichtig erklärt werden, wenn er den polizeiwidrigen Zustand nachweislich verursacht hat. Die Zustimmung des Standortinhabers ist aus Gründen des Eigentums- und Besitzesschutzes erforderlich (Tschannen, a.a.O., N. 27).
Der Beschwerdeführer hält im Wesentlichen dafür, auf Grund der Rolle des Staates bei der Landumlegung (Korporationsgründung am 26. Februar 1983) sei nicht er, sondern der Staat – allenfalls die Gemeinde – zur Durchführung der Voruntersuchung zu verpflichten.

5.1 Der Beschwerdeführer hat das Land 1988 angetreten. Er wäre jedoch mit der Durchführung der Voruntersuchung im erwähnten Sinne (vgl. Art. 7 AltlV) völlig überfordert. Ihn dazu zu verpflichten – ohne die Rolle des Staates zu prüfen – geht an der Sache vorbei, da er allein Inhaber (Zustandsstörer) des Standorts ist und – abgesehen von seiner Bauschuttablagerung – keine einigermassen gesicherte Ahnung vom Geschehen haben kann.

5.2 Angesichts von Art. 20 Abs. 2 AltlV ist der Hinweis des AfU keineswegs sachgerecht, die Firma Z sei erloschen und darum der Inhaber der Parzelle zur Voruntersuchung (im Sinne einer Reallast) verpflichtet. Die Frage, ob gleichwohl ein Dritter hiezu verpflichtet werden kann, stellt sich angesichts des Besitzesantritts der Parzelle Nr. 782 durch S im Jahre 1988 alleweil. Aber auch das DBU begründet die Abweisung des Rekurses in dieser Hinsicht nicht richtig, wenn es hiezu schreibt, S übersehe, dass zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht feststehe, ob Parzelle Nr. 782 sanierungsbedürftig sei. Sanierungsbedürftigkeit und Pflicht zur Durchführung der Voruntersuchung sind nicht verbunden. Wenn das DBU lapidar meint, der Entscheid des AfU liege in dessen Ermessen, so verkennt es, dass seine Überprüfungspflicht nicht beschränkt ist (vgl. § 47 VRG). Eine solche Begründung läuft auf eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs hinaus.

5.3 Es kommt hinzu, dass im Zusammenhang mit der Sanierung des Absetzweihers der Firma Z sich auch Fragen über die weitere Sanierung der ganzen Versickerungsstrecke (noch rund 700 m) über dem Grundwassergebiet der Thur stellen. Ohne die Rolle des Staates zu prüfen, vom Beschwerdeführer diese Angaben im Rahmen der Voruntersuchung zu verlangen (vgl. Art. 5 Abs. 3 lit. d AltlV), geht – wie gesagt – an der Sache vorbei. Aus der Stellungnahme des AfU zur Rekurseingabe ans DBU geht hervor, dass das Amt über detaillierte Unterlagen betreffend der auf der ganzen Versickerungsstrecke von rund 1'000 m festgestellten Grundwasserverschmutzung verfügt.

5.4 Zu prüfen ist also die Rolle des Staates, bzw. ob er durch sein «Verhalten» die Belastung des Standortes verursacht hat. Dabei steht von vornherein fest, dass es nur darum gehen kann, ob der Staat allenfalls aufgrund Unterlassens zum Verhaltensstörer wurde. Ein Unterlassen begründet Verhaltenshaftung nur dann, wenn eine besondere Rechtspflicht zu sicherheits- und ordnungswahrendem Handeln besteht (Urteil des Bundesgerichts 1A.178/2003 vom 27. August 2004). Der Staat kann auch für sein hoheitliches Handeln als Verursacher betrachtet werden, so namentlich bei einer rechtswidrigen Verletzung seiner Aufsichtspflicht. Eine solche ist aber nicht immer schon dann anzunehmen, wenn eine bestimmte Schädigung mit einer entsprechenden Aufsichtstätigkeit vermeidbar gewesen wäre, sondern – in Anlehnung an das allgemeine Staatshaftungsrecht – erst dann, wenn eine wesentliche Amtspflicht verletzt, eine zwingend vorgeschriebene konkrete Aufsichtsmassnahme unterlassen oder der Ermessensspielraum fehlerhaft oder in Missachtung allgemeiner Rechtsgrundsätze ausgeübt wurde (BGE 114 Ib 44 E. 2c/dd). Nachdem bei der Belastung der Parzelle Nr. 782 klar die Schlammversickerung des Abwassers der Firma Z im Vordergrund steht und damit die Rolle des Staates bei der Sanierung angesprochen ist, besteht «Grund zur Annahme» (so Art. 20 Abs. 2 AltlV), dass ein Unterlassen des Staates im Sinne der erwähnten Praxis des Bundesgerichts gegeben sein kann. Hinzuweisen ist hiezu auf die Verfügung des damaligen Amtes für Umweltschutz und Wasserwirtschaft vom 16. Oktober 1974 an die Adresse der Firma Z, worin es – soweit hier von Interesse – heisst:
«Die Versickerung ist auf der ganzen Länge (1'000 m) aufzuheben. Zu diesem Zwecke ist der bestehende Fabrikauslauf dicht zu verschliessen: Das Abwasser muss der zu diesem Zeitpunkt erstellten Ableitung (Verbindungsleitung) zugeführt werden. Der abgesetzte, ölhaltige Schlamm muss aus allen Versickerungsgräben und -weihern entfernt und einer Ausbrennanlage zugeführt werden (z. B. Drehofen). Anschliessend muss die ölverschmutzte Erdschicht auf der gesamten Versickerungsstrecke ausgebaggert werden. Die Tiefe der Ausbaggerung wird fortlaufend im Zuge der Sanierungsarbeiten bestimmt. Die Durchführung von weiteren Grundwasserschutzmassnahmen erfolgt aufgrund einer hydro-geologischen Expertise.»
Die dagegen erhobene Beschwerde der Firma Z wies der Regierungsrat ab (3. Dezember 1974). 1975 erklärte sich die Z bereit, ihre Abwasseranlage zuzubetonieren. Um 1980 soll es zu einer teilweisen Aushebung des Schlammes gekommen sein. 1985 erfolgte dann die Sanierung des Absetzweihers der Z, gemäss Aktenlage nicht jedoch die vollständige Sanierung der weiteren 700 m Versicherungsstrecke jenseits der Strasse. Solches wird auch nicht behauptet. Wenn dann der Kanton darüber hinaus seiner Aufklärungspflicht über die Belastung des Bodens im Rahmen der Landumlegung (bei der er nota bene sogar unmittelbar mitbeteiligt war [Zubringer zur A7 und Strassenverkehrsamt]) nicht nachgekommen ist, so wird er durch diese Unterlassung vollends zum Verhaltensstörer im erwähnten Sinne und steht damit in Konkurrenz zum Zustandsstörer. Verhält es sich so, ist aufgrund dieses Sonderfalles ein Ausserachtlassen des Kantons gemäss Art. 20 AltlV unhaltbar. Anzumerken ist, dass damit kein Entscheid gemäss Art. 32d Abs. 4 USG verbunden ist.

Entscheid vom 4. Februar 2009

Das vom Kanton angerufene Bundesgericht trat auf die Beschwerde mit Urteil 1C_126/2009 vom 20. August 2009 nicht ein, da es sich um einen Zwischenentscheid handle und die Voraussetzungen für dessen Anfechtbarkeit nicht gegeben seien. Es hielt fest, dass in einem späteren Zeitpunkt ein Endentscheid über die endgültige Kostentragungspflicht zu fällen sei, der dannzumal bei den zuständigen Instanzen angefochten werden könne.

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