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TVR 2009 Nr. 26

Bewilligung zur Führung eines Heims


§ 6 a SHG, § 6 b SHG


Die Erteilung einer Heimbewilligung darf an die Bedingung geknüpft werden, dass zwei langjährige Bewohnerinnen nicht mehr in dieses Heim aufgenommen werden.


Mit Eingabe vom 28. Juli 2008 ersuchte R um eine Heimbewilligung für sieben Personen mit psychischer Behinderung. Gemäss dem Konzept sollten fünf Frauen in einer Frauengruppe und zwei im sogenannten Übergangswohnheim, d.h. an externen Wohnplätzen, betreut werden. Zudem sollten zwei bis drei Tagesstättenplätze für extern wohnende Frauen angeboten werden.
Das kantonale Fürsorgeamt wies auf verschiedene Mängel hin und stellte die Bedingung, dass die Auflösung der Betreuungsverhältnisse mit drei langjährigen Bewohnerinnen nachgewiesen werden müsse. In der Folge wurde das Gesuch abgewiesen. Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, dass das Gesuch nicht ungeachtet der Vorgeschichte unter der Trägerschaft der Wohngemeinschaft «S» mit identischer Heimleitung beurteilt werden könne. Ein Gutachten habe zutage gebracht, dass bei drei Frauen eine «Gefahr der Überbehütung» und «eine ausgeprägte Beschützerrolle» festgestellt worden sei. Dies habe zu einem ungünstigen Beziehungs- und Abhängigkeitsverhältnis geführt. Bereits im Jahr 2006 habe man die Empfehlung ausgesprochen, einen Wechsel von drei Bewohnerinnen in eine andere Institution vorzusehen. Wegen der zu engen Beziehung zwischen den ehemaligen Heimleiterinnen und zwei langjährigen Bewohnerinnen müsse eine professionelle Betreuung verneint werden. Eine geordnete Betriebsführung des neuen Heims mit Belastungen aus dem früheren Heimbetrieb sei nicht möglich. Es fehle somit an einer grundlegenden Voraussetzung für die Erteilung einer Heimbewilligung. Die dagegen erhobene Beschwerde weist das Verwaltungsgericht ab.

Aus den Erwägungen:

2.2 Nach § 6a SHG wird unter einem Heim ein von einer oder mehreren Personen geleiteter Kollektivhaushalt verstanden, der bezweckt, mehr als vier Personen für die Dauer von mindestens fünf Tagen in der Woche, in der Regel gegen Entgelt, Unterkunft, Verpflegung, Betreuung oder weitere Dienstleistungen zu gewähren. Vorab kann somit festgestellt werden, dass es sich beim Gesuch des R klarerweise um das Gesuch für eine Heimbewilligung handelt. Die Bewilligung wird nach § 6b SHG erteilt, wenn eine ausreichende Betreuung sichergestellt ist, die Räumlichkeiten und Einrichtungen zweckmässig sind sowie eine einwandfreie Betriebsführung gewährleistet ist. Zur Beurteilung dieser Kriterien wurden in Nachachtung von § 6d SHG vom Departement Richtlinien erlassen (Richtlinien und Kriterien für die Erteilung einer Bewilligung für den Betrieb von Institutionen für erwachsene Menschen im Kanton Thurgau sowie über die Aufsicht und das Vorgehen bei Beanstandungen und Anzeigen vom 15. September 2006).

2.3 Wie bereits festgestellt wurde, geht es im vorliegenden Fall insbesondere um die Frage, ob eine einwandfreie Betriebsführung gewährleistet ist, selbst wenn die beiden langjährigen Bewohnerinnen weiterhin im Heim verbleiben würden. Dabei ist sicherlich korrekt, dass die bisherige Geschichte des Wohnheims mit berücksichtigt wird, da es sich um dieselben Betreuungspersonen und Räumlichkeiten handelt. Das neue Gesuch kann somit nicht losgelöst von der Vorgeschichte geprüft werden. Mit Entscheid vom 24. Juni 2005 war der Wohngemeinschaft «S» bereits eine Bewilligung zur Führung eines Heims im Sinne von § 6a SHG erteilt worden. Da die Trägerschaft die Belegung aber auf maximal vier Personen reduzierte, wurde diese Bewilligung mit Entscheid des DFS vom 12. Dezember 2007 widerrufen und eine entsprechende Bewilligung für ein Kleinheim von der Gemeinde erteilt. Die Verweigerung der neuen Heimbewilligung wird vor allem auf ein Gutachten der Psychiatrischen Klinik L aus dem Jahr 2004 gestützt. Der Beschwerdeführer hat gerügt, dass er dieses Gutachten nie zur Einsicht erhalten habe. Die Vorinstanz reicht als actorum 16 die Seiten 88, 91 und 92 des Expertenberichtes vom 2. Dezember 2004 ein. Da davon ausgegangen werden muss, dass der Expertenbericht entsprechende vertrauliche Informationen der beteiligten Heimbewohnerinnen enthält, ist es grundsätzlich vertretbar, wenn nicht der gesamte Expertenbericht zur Kenntnis gebracht wird. Darin kann keine Verletzung des rechtlichen Gehörs erblickt werden, sofern gestützt auf die entsprechenden Auszüge ein umfassendes Bild möglich ist. In diesem Gutachten wurde festgestellt, dass keine konzeptuellen Eigenheiten oder eingesetzten «Psychotechniken» eruiert worden seien, welche zum Ziel hätten, die Bewohnerinnen in Abhängigkeit zu halten, resp. ihre Selbständigwerdung zu erschweren. Dennoch lasse sich nicht verhehlen, dass einzelne Bewohnerinnen deutlich länger als geplant im «S» lebten und dass die Beziehungsqualitäten in diesen Fällen etwas über das hinausgegangen seien, was für psychosoziale Betreuung unbedingt erforderlich wäre. Weiter wird auf Seite 91 aufgeführt, dass man gegenüber dem «S»-Team den Vorschlag gemacht habe, dass das Thema Abschied/Ablösung zum Vornherein zum Bestandteil des Betreuungsprozesses gemacht werden sollte. Es sollten fixe zeitliche Marksteine gesetzt werden. So könnte gewährleistet werden, dass sich ein Aufenthalt im geschützten Rahmen nicht unbeabsichtigt verewigen würde. Im Oktober 2006 wurde zudem ein Aufsichtsbericht des Fürsorgeamtes erstellt. Als Empfehlung wird darin festgehalten, dass die drei Bewohnerinnen, die das übliche Mass von drei Jahren Aufenthaltsdauer wesentlich überschritten hätten, bis spätestens Ende 2007 entweder umplatziert oder das Angebot für ein Dauerwohnheim erweitert werden müsse.

2.4 Auf den ersten Blick mutet es vielleicht seltsam an, dass die Erteilung einer Heimbewilligung, für die die objektiven Voraussetzungen grundsätzlich erfüllt sind, an die Bedingung geknüpft wird, dass zwei langjährige Bewohnerinnen nicht mehr in dieses Heim aufgenommen werden dürfen. Dazu gilt es aber zu beachten, dass der Kanton eine Bedarfsplanung durchzuführen und Richtlinien für die Erteilung einer Bewilligung aufgestellt hat. Die von den Gesuchstellern eingereichten Konzepte werden auf Wirksamkeit und aktuellen Wissenstand überprüft und jegliche Konzeptänderungen sind dem Fürsorgeamt unaufgefordert zuzustellen (Ziff. 4.4 der Richtlinien und Kriterien für die Erteilung einer Bewilligung). Dem Leitgedanken des Beschwerdeführers ist zu entnehmen, dass die bereits vorhandenen Ressourcen der psychisch beeinträchtigten Frauen gefördert und die Leistungs- und Belastungsfähigkeit der Klientinnen trainiert werden sollen. Ziel sei eine möglichst selbständige Lebensgestaltung sowie die soziale und berufliche Integration (Ziff. 1 des Organisationshandbuches). Die gemeinsam erarbeiteten Ziele seien immer entwicklungsorientiert und würden bezwecken, dass die Bewohnerinnen ihre Selbständigkeit in der Lebensgestaltung erlangen (Ziff. 2 des Konzepts der Frauenwohngruppe). Die Zielgruppe seien Frauen, welche ein Belastungs- und/oder Arbeitstraining benötigen würden, sich in einer beruflichen Massnahme befinden oder eine Rente beziehen. Sie würden für eine gewisse Zeit einen geschützten Ort benötigen, wo sie von Fachpersonen unterstützt und begleitet würden, ihre Persönlichkeit entwickeln und Stabilität erlangen könnten (Ziff. 6 des Konzepts). Aus diesem Konzept zeigt sich klar, dass das vom Beschwerdeführer geplante Heim lediglich als vorübergehende Wohn- und Aufenthaltsmöglichkeit für psychisch beeinträchtigte Frauen zur Vorbereitung der Integration gedacht ist, jedoch keine dauerhafte und jahrelange Betreuung sicherstellen will. Diesem Konzept widerspricht das tatsächliche Vorgehen bezüglich der beiden beherbergten Frauen aber eindeutig, was den Beschwerdeführer unglaubwürdig erscheinen und Zweifel an einer geordneten Betriebsführung aufkommen lässt. Gerade auch im Hinblick auf die umfangreiche Vorgeschichte mit massiven Vorwürfen der zu engen Bindung der betreuten Frauen und den Leiterinnen, ist nicht von der Hand zu weisen, dass vorliegend kein echter Neuanfang gelungen ist, was umso mehr die Gefahr in sich birgt, dass die früheren Probleme erneut auftreten und die Interessen der neu zu betreuenden Frauen massiv tangieren könnten. Zudem wäre ein erneutes Interesse der Medien unter diesen Umständen kaum zu vermeiden, was einen reibungslosen Neubeginn ebenfalls negativ beeinflussen würde. Dass die Gemeinde U die Erteilung des Gesuchs unterstützt, dürfte nicht zuletzt auch am geplanten Dorfladen liegen, was jedoch ebenfalls als Indiz gewertet werden kann, dass der Aufenthalt dieser beiden Frauen als Dauerlösung gedacht ist und somit dem eigentlichen Konzept des Beschwerdeführers zuwiderläuft. Dass die Vorinstanz das Gesuch um Erteilung der Heimbewilligung abgewiesen hat, erscheint unter diesen Umständen als vertretbar und sachgerecht. Sollte der Beschwerdeführer in Zukunft nachweisen können, dass es ihm seinem Konzept entsprechend gelingt, die von ihm betreuten Frauen nach einer gewissen Zeit ins selbständige Leben zu integrieren und den Ablösungsprozess zu vollziehen, was sich insbesondere an der Auflösung des Betreuungsverhältnisses mit den beiden zur Diskussion stehenden Frauen zeigen dürfte, so wäre ein erneutes Gesuch von der Vorinstanz unter dieser Prämisse neu zu beurteilen und dann auch gutzuheissen, soweit die übrigen Voraussetzungen nach wie vor gegeben sind.

Entscheid vom 21. Oktober 2009

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