TVR 2009 Nr. 29
Zumutbarkeit der Rückzahlung von Fürsorgeleistungen
Bezogene Fürsorgegelder sind zurück zu erstatten, wenn die Rückzahlung zumutbar ist. Im Thurgau sind die diesbezüglichen Richtlinien der SKOS nicht anwendbar.
Die Familie C erhielt von den Sozialdiensten Regensdorf und Kloten finanzielle Unterstützung. Da sie Bürger der Politischen Gemeinde R sind, wurde diese Gemeinde gemäss ZUG verpflichtet, Kosten in der Höhe von insgesamt Fr. 24'622.50 zu übernehmen. In der Folge verlangte die Gemeinde R Unterlagen zur Feststellung der finanziellen Situation. Ihre Berechnung ergab schliesslich einen Einnahmenüberschuss von monatlich Fr. 1'150.–. Dementsprechend verfügte sie, dass die Familie C monatlich Fr. 250.– zurückzubezahlen habe. Gegen diesen Entscheid liessen die Eheleute C beim DFS Rekurs erheben, der abgewiesen wurde, ebenso wie die darauf beim Verwaltungsgericht erhobene Beschwerde.
Aus den Erwägungen:
3.
3.1 Nach § 19 Abs. 2 SHG ist derjenige, der nach dem vollendeten achtzehnten Altersjahr Unterstützungsbeiträge bezogen hat, zur Rückerstattung verpflichtet, soweit ihm dies zumutbar ist. Der unbestimmte Rechtsbegriff der Zumutbarkeit in § 19 Abs. 2 SHG ist auslegungsbedürftig. Dabei ist einerseits von der systematischen Einordnung dieser Bestimmung im Gesetz auszugehen, andererseits nach dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung zu fragen (TVR 1996 Nr. 28). Bezüglich der Rückerstattungspflicht bestehen je nach Kanton unterschiedliche Regelungen, was aufgrund der Kompetenzzuweisung in Art. 26 ZUG nicht gegen übergeordnetes Recht verstösst. Einige Kantone verlangen die Rückerstattung nur, wenn sich die ehemals unterstützte Person in günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen befindet. Andere Kantone dagegen – so auch der Kanton Thurgau – gehen vom Grundsatz der Rückerstattung aller Leistungen aus, stellen im konkreten Fall jedoch auf das Kriterium der Zumutbarkeit ab. Unter thurgauischem Sozialhilferecht sind Fürsorgeleistungen mit anderen Worten eher zurückzuerstatten, als dies bei einer Regelung der Fall wäre, die «günstige wirtschaftliche Verhältnisse» voraussetzt. In den SKOS-Richtlinien wird mit Bezug auf die Zumutbarkeit gefordert, dass aus späterem Einkommen in der Regel keine Rückerstattung verlangt werden soll. In der Lehre wird ausgeführt, dass die Zumutbarkeit nicht gegeben sei, wenn die Rückerstattung mit einiger Wahrscheinlichkeit zu einer erneuten Bedürftigkeit des Pflichtigen und seiner Familie führen würde. Einkünfte, die nur wenig über dem Existenzminimum lägen, vermöchten die Rückerstattungspflicht noch nicht auszulösen, weil dadurch die Motivation zur Selbsthilfe untergraben würde (Wolffers, Grundriss des Sozialhilferechts, 2. Aufl., Bern 1999, S. 178 f.). Mit anderen Worten kann die Rückerstattungspflicht erst beginnen, wenn sich die wirtschaftliche Lage der unterstützten Person grundlegend verbessert hat. In diesem Rahmen hat sich das Ermessen der Fürsorgebehörde zu bewegen. Dabei steht es ihr frei, ob sie mit Bezug auf die Zumutbarkeit der Rückerstattung die SKOS-Richtlinien, die darüber ebenfalls Regelungen enthalten, anwenden will. Eine Verpflichtung der Gemeinde aus übergeordneter Gesetzgebung, die SKOS-Richtlinien auch bei der Prüfung der Zumutbarkeit der Rückzahlung heranzuziehen, besteht allerdings nicht. Die Regelung von § 8 SHV findet nur für die Berechnung der Bedürftigkeit zwingend Anwendung.
Die Prüfung der Zumutbarkeit besteht grundsätzlich in einer Gegenüberstellung von Einkommen und Ausgaben, was letztlich eine Antwort auf die Frage ermöglichen soll, ob ein ehemaliger Sozialhilfebezüger genügend freie Mittel hat, um Rückzahlungen zu leisten. Dabei ist grundsätzlich vom aktuellen Einkommen auszugehen. Für die Anrechnung eines fiktiven Einkommens besteht grundsätzlich kein Raum, jedenfalls solange nicht, als davon ausgegangen werden muss, dass dieses Einkommen zufolge eines Verhaltens wider Treu und Glauben künstlich niedrig gehalten wird, um so Rückzahlungen zu vermeiden.
Bei den anrechenbaren Kosten können selbstverständlich nicht die selbst gewählten Kosten eines hohen Lebensstandards berücksichtigt werden. Vielmehr ist für die Frage der Rückzahlung danach zu fragen, ob in Anbetracht des generierten Einkommens und der daran zu erkennenden Ausgaben erneut eine Sozialhilfebedürftigkeit droht. Dabei soll in der Tat ein eher grosszügiger Massstab angelegt werden, weil dem ehemaligen Sozialhilfebezüger durch eine latente Rückzahlungspflicht nicht die Motivation genommen werden soll, sich in wirtschaftlich bessere Verhältnisse zu begeben. Die Anrechenbarkeit eines doppelten Grundbedarfs oder eines gemessen am Einkommen überrissenen Mietzinses sprengt jedoch den grosszügigen Massstab klarerweise (TVR 2007 Nr. 36).
3.2.1 Die Beschwerdeführer stellten sich auf den Standpunkt, die Voraussetzungen für eine Rückerstattungspflicht seien nicht gegeben, da sie bereits vom Sommer 2000 bis ins Jahr 2004 ununterbrochen in Kloten Wohnsitz gehabt hätten und erst nach ihrer Rückkehr von Puerto Rico am 1. Oktober 2005 daselbst wieder Wohnsitz genommen hätten.
Art. 16 ZUG bestimmt, dass der Heimatkanton dem Wohnkanton Kosten für die Unterstützung eines Bedürftigen zurückerstatten muss, wenn der Bedürftige noch nicht zwei Jahre im Wohnkanton Wohnsitz hatte. Die Vorinstanz verweist diesbezüglich zu Recht darauf, dass es bei jeder Unterstützungsmassnahme darum gehe, zu prüfen, ob der Bedürftige tatsächlich ununterbrochen Wohnsitz in der entsprechenden Gemeinde gehabt habe. Wenn dies tatsächlich der Fall sei, müsse der Heimatkanton für die entsprechenden Kosten aufkommen. Die Dauer eines früheren Aufenthalts in der gleichen Gemeinde werde nicht angerechnet (Thomet, Kommentar zum Bundesgesetz über die Zuständigkeit für die Unterstützung Bedürftiger, 2. Aufl., Zürich 1994, S. 130).
Vorliegend bedeutet dies, dass die Beschwerdeführer nach ihrer Rückkehr aus Puerto Rico nach Kloten aufgrund der erneuten Unterstützung durch die Wohnsitzgemeinde entsprechende Kosten für die Heimatgemeinde verursacht haben. Dementsprechend hat sich die Gemeinde R korrekterweise dazu verpflichtet, die in den ersten beiden Jahren nach ihrer Rückkehr bezogenen Fürsorgegelder von insgesamt Fr. 24'622.50 an die Wohnsitzgemeinde Kloten zu erstatten. Der Betrag wird denn auch von den Beschwerdeführern in der Replik ausdrücklich als richtig anerkannt.
3.2.2 Zu prüfen gilt es somit, ob die Rückerstattungspflicht im Umfang von monatlich Fr. 250.– angemessen und verhältnismässig, damit also zumutbar ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Verwaltungsgericht eine Abzahlungsverpflichtung über einen Zeitraum von zehn Jahren ohne weiteres als zumutbar erachtet. Vorliegend haben die Beschwerdeführer in ihrer Beschwerdeschrift den monatlichen Bedarf auf Fr. 9'155.– beziffert, wobei der Grundbedarf von Fr. 2'054.– doppelt angesetzt und zudem eine Schuldentilgung von Fr. 447.05 einbezogen wurde. In einer weiteren Berechnung vom 27. Januar 2009 stehen Einnahmen von Fr. 7'696.45 Ausgaben von Fr. 7'517.85 gegenüber. Die von den Beschwerdeführern geltend gemachten Ausgaben bedürfen jedoch einer näheren Betrachtung. Grundsätzlich gilt, dass entgegen den Ausführungen in der Beschwerdeschrift nicht ein doppelter Grundbetrag geltend gemacht werden kann. Das betreibungsrechtliche Existenzminimum der Familie wurde im Zwischenentscheid VL 196 vom 3. Dezember 2008 mit Fr. 5'117.20 berechnet. Darin enthalten sind bereits alle notwendigen Ausgaben für Wohnung, allgemeine Lebenskosten sowie Krankenkassenbeiträge. Selbst wenn man diesen Betrag um Fr. 2'000.– erweitert, was nach Ansicht des Verwaltungsgerichts äussert grosszügig bemessen ist, ergibt sich ein Betrag von Fr. 7'117.20. Dem stehen Einnahmen von Fr. 7'696.75 gegenüber. Dies ergibt eine Differenz von über Fr. 500.–. Unter diesen Umständen ist es ohne weiteres zumutbar, dass die Beschwerdeführer einen monatlichen Betrag von Fr. 250.– zurückbezahlen. Abgesehen davon ist zu bemerken, dass selbst gemäss der Aufstellung der Beschwerdeführer vom 27. Januar 2009 pro Monat selbstverständlich nicht Ferienkosten in der Höhe von Fr. 750.– geltend gemacht werden können. Ebenso wenig ist es Sache des Staates, aufgrund einer aktuellen Schuldentilgung im Ausland auf die Rückzahlung zu verzichten. Der Betrag für «Ferien/ Lager/Schule» müsste mindestens auf Fr. 6'000.– gekürzt und der Schuldentilgungsbetrag ganz gestrichen werden. Gemäss der Berechnung vom 27. Januar 2009 würde das dann einen Überschuss von beinahe Fr. 900.– pro Monat ausmachen. Auch so gesehen ergibt sich, dass die Rückzahlung von Fr. 250.– pro Monat ohne weiteres zumutbar ist.
3.2.3 Soweit geltend gemacht wird, dass die IV-Rente wegfallen würde, sofern eine erfolgreiche Nierentransplantation erfolgen könne, ist diese Argumentation nicht ganz nachvollziehbar. Sollte die Nierentransplantation gelingen, ist es der Beschwerdeführerin ohne weiteres möglich und zumutbar, wieder zum Erwerbseinkommen der Familie beizutragen und dieses womöglich noch erheblich zu verbessern. Soweit sich hinsichtlich höherer Steuerbeträge oder anderer unvorhergesehener finanzieller Ausgaben Schwierigkeiten bei der Rückzahlung ergeben sollten, haben die Beschwerdeführer immer noch die Möglichkeit, sich wiederum an die Gemeinde R zu wenden. Unter den derzeit gegebenen Bedingungen ist jedoch – wie bereits erwähnt – die Rückzahlung zumutbar.
Entscheid vom 25. März 2009