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TVR 2009 Nr. 44

Anrechenbarer Arbeitsausfall bei Temporärarbeitsverhältnis


Art. 11 Abs. 1 und 3 AVIG


Die Gefahr, dass ein Entleiher von Arbeitskräften keine Arbeit hat oder einen Arbeitnehmer aus anderen Gründen nicht beschäftigen will, gehört zum Betriebsrisiko einer Temporärfirma. Wenn die Temporärfirma eigenmächtig die Arbeitsstunden reduziert, ohne einen neuen Arbeitsvertrag abzuschliessen oder eine Änderungskündigung vorzunehmen, schuldet sie dem Arbeitnehmer den vollen Lohn. Er ist daher weder als arbeitslos zu betrachten, noch erleidet er einen anrechenbaren Arbeitsausfall.


L arbeitete ab Juli 2004 als Mechaniker für die K AG (Temporärfirma) mit Einsatz bei der Firma E. Am 23. März 2009 meldete er sich bei der Arbeitslosenversicherung zum Leistungsbezug ab dem 1. April 2009 an. In der Folge verneinte die Arbeitslosenkasse die Anspruchsberechtigung, da kein anrechenbarer Arbeits- und Verdienstausfall gegeben sei. Am 20. Mai 2009 kündigte die K AG das Arbeitsverhältnis per 20. Juni 2009. In der Folge bejahte die Arbeitslosenkasse den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ab dem 21. Juni 2009. Nach rechtlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der K AG könne der damit einhergehende Verdienstausfall von der Arbeitslosenversicherung entschädigt werden.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde Arbeitslosenentschädigung für die Zeit vom 1. April bis 20. Juni 2009 verlangt. Das Versicherungsgericht weist die Beschwerde ab.

Aus den Erwägungen:

2. Die versicherte Person hat Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, wenn sie ganz oder teilweise arbeitslos ist und einen anrechenbaren Arbeitsausfall erlitten hat (Art. 8 Abs. 1 lit. a und b AVIG). Der Arbeitsausfall ist anrechenbar, wenn er einen Verdienstausfall zur Folge hat und mindestens zwei aufeinander folgende volle Arbeitstage dauert. Nicht anrechenbar ist ein Arbeitsausfall, für den dem Arbeitslosen Lohnansprüche oder wegen vorzeitiger Auflösung des Arbeitsverhältnisses Entschädigungsansprüche zustehen (Art. 11 Abs. 1 und 3 AVIG).

3. Aufgrund des gültigen Einsatzvertrages war der Beschwerdeführer seit Juli 2004 zuerst mit einer Arbeitszeit von 40 Stunden und ab dem 1. Mai 2005 mit einer solchen von 45 Stunden pro Woche bei der K AG angestellt. Die Einsätze erfolgten fortlaufend, und eine Kündigung wurde erst per 20. Juni 2009 ausgesprochen. Gemäss Art. 39 der Allgemeinen Vertragsbestimmungen der K AG vom März 2003 beträgt die Kündigungsfrist ab dem 7. Monat eines ununterbrochenen Arbeitsverhältnisses einen Monat. Dies entspricht im Übrigen der gesetzlichen Regelung von Art. 335c Abs. 2 OR, welche auch für ein Temporärarbeitsverhältnis ab dem 7. Monat zur Anwendung gelangt (Rehbinder, Das Bundesgesetz über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih mit Verordnungen, Nebengesetzen, weiteren Materialien und Sachregister, Zürich 1992, N. 14 zu Art. 19, und Ritter, Das revidierte Arbeitsvermittlungsgesetz und dessen Auswirkungen auf die betroffenen Wirtschaftszweige, Diss. Zürich 1994, S. 136). Massgebend ist diesbezüglich die Dauer jedes einzelnen Einsatzes (Ritter, a.a.O, S. 145), wobei der Beschwerdeführer seit Juli 2004 ununterbrochen bei der Firma E im Einsatz stand und der letzte, vorliegend massgebende Einsatzvertrag stillschweigend verlängert wurde. Soweit der Beschwerdeführer von der K AG bis zum 20. Juni 2009 nicht im vertraglich vereinbarten Umfang von 45 Stunden pro Woche beschäftigt wurde, gelangte die K AG als Arbeitgeberin somit gemäss Art. 324 Abs. 1 OR in Annahmeverzug. Nachdem sich der Beschwerdeführer zudem im bisherigen Umfang vollschichtig zur Verfügung halten musste, kann ihm auch nicht vorgeworfen werden, dass er es absichtlich unterlassen habe, anderweitig Arbeit zu suchen (Art. 324 Abs. 2 OR). Die Gefahr, dass ein Entleiher von Arbeitskräften keine Arbeit hat oder einen Arbeitnehmer aus anderen Gründen nicht beschäftigen will, gehört zum Betriebsrisiko einer Temporärfirma (Streiff/von Kaenel, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319-362 OR, 6. Aufl., Zürich 2006, N. 5 zu Art. 324). Es geht somit nicht an, dass die K AG in einem laufenden Arbeitsverhältnis eigenmächtig die Arbeitsstunden reduziert, ohne unter Einhalten der Kündigungsfrist einen neuen Einsatzvertrag abzuschliessen oder eine Änderungskündigung vorzunehmen, was vorliegend nicht geschehen ist. Die K AG schuldet dem Beschwerdeführer somit bis zum 20. Juni 2009 den vollen Lohn, basierend auf einer vereinbarten Arbeitszeit von 45 Stunden pro Woche. Der Beschwerdeführer wird seine diesbezüglichen Forderungen gegenüber der K AG geltend zu machen haben. Er ist bis zum 20. Juni 2009 aber weder als arbeitslos zu betrachten, noch erleidet er einen anrechenbaren Arbeitsausfall. Nachdem zudem keine Zweifel an den vertraglichen Ansprüchen gegenüber der K AG bestehen, wird die Arbeitslosenversicherung auch nicht aus Art. 29 Abs. 1 AVIG vorleistungspflichtig. Die Arbeitslosenkasse hat somit den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung vom 1. April bis 20. Juni 2009 zu Recht verneint.

Entscheid vom 18. November 2009

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