TVR 2009 Nr. 5
Wiedererwägung und Revision
§ 22 VRG, § 23 VRG, § 70 VRG, § 246 ZPO
Die Voraussetzungen der Wiedererwägung bzw. der Revision bei einem Entscheid über die Kostenverlegung sind vorliegend nicht erfüllt. Zum einen bildet die Kostenverlegung Teil des Rechtsmittelentscheides und ist daher per se der Wiedererwägung nicht zugänglich. Zum andern stellen Tatsachen, die sich erst nach Fällung des betreffenden Entscheides ereignet haben, keinen Revisionsgrund im Sinne von § 246 ZPO dar.
Mit Entscheid vom 18. Oktober 2006 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau die Beschwerde von A ab, mit welcher sich dieser gegen Beschlüsse der Gemeindeversammlung der Gemeinde T gewehrt hatte. Eine gegen diesen Entscheid angehobene staatsrechtliche Beschwerde wies das Bundesgericht am 9. März 2007 ab, soweit es überhaupt darauf eintrat. In der Folge wurde A am 19. März 2007 und 23. April 2007 durch das Verwaltungsgericht zur Bezahlung der Verfahrenskosten für das verwaltungsgerichtliche Verfahren von Fr. 1‘800.– aufgefordert. Am 21. November 2007 stellte A dem Verwaltungsgericht den Antrag, es seien ihm die Kosten zu erlassen. Dieses Gesuch wurde dem DFS zur Behandlung weitergeleitet. Nachdem sich A innert angesetzter Frist nicht mehr vernehmen liess, wurde das Kostenerlassgesuch zufolge (stillschweigenden) Rückzugs mit Entscheid des DFS vom 23. April 2008 als erledigt am Protokoll abgeschrieben.
Mit Eingabe vom 19. Dezember 2008 ersuchte A das Verwaltungsgericht erneut um Erlass der Gerichtskosten. Zur Begründung führte er im Wesentlichen an, dass gemäss entsprechenden Publikationen in der Thurgauer Zeitung bzw. im Gemeindeblatt die an der Q-strasse erstellten Parkplätze gänzlich und uneingeschränkt der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen würden. Die Gemeinde T habe damit seine Rüge genau so verstanden, wie er sie an der Gemeindeversammlung vorgebracht habe. Damit liege ein anderer Sachverhalt vor, als derjenige, der vormals dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu Grunde gelegt worden sei. Diese Eingabe wurde am 5. Januar 2009 zuständigkeitshalber ebenfalls dem DFS weitergeleitet. Mit einer an das DFS gerichteten Eingabe vom 12. Februar 2009 liess A sinngemäss vorbringen, dass die Zuständigkeit zur Beurteilung seiner Eingabe beim Verwaltungsgericht liege. Das DFS retournierte daraufhin das fragliche Gesuch an das Verwaltungsgericht, mit dem Hinweis, dass A offenbar kein Erlassgesuch stellen möchte, sondern stattdessen an der «Revision» des Verwaltungsgerichtsentscheides vom 18. Oktober 2006 festzuhalten scheine. Hierfür sei nicht das DFS, sondern das Verwaltungsgericht zuständig. Das Verwaltungsgericht tritt auf die Eingabe von A nicht ein.
Aus den Erwägungen:
1. (…) Vorliegend ist fraglich, welchen Rechtsbehelf bzw. welches Rechtsmittel der Gesuchsteller tatsächlich mit seinen Eingaben zu ergreifen beabsichtigte. Auf jeden Fall richtet sich sein Begehren gegen die mit Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 18. Oktober 2006 verfügte Auflage der Gerichtskosten in Höhe von Fr. 1‘800.–. (…)
2.
2.1 Als Erstes ist zu prüfen, ob die Grundlagen für eine Wiedererwägung gegeben sind. Gemäss § 22 VRG sind Wiedererwägungsgesuche grundsätzlich zulässig; sie begründen jedoch keinen Anspruch auf Eintreten und hemmen den Fristenlauf nicht. Auf ein Wiedererwägungsgesuch ist nur dann einzutreten, wenn die Voraussetzungen des Widerrufs gemäss § 23 VRG erfüllt sind. Dies ist dann der Fall, wenn wichtige öffentliche Interessen dies erfordern, oder sich die Verhältnisse wesentlich geändert haben. Ein Widerruf ist zum Beispiel dann gerechtfertigt, wenn neue wesentliche Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden, sich seit Erlass des Verwaltungsaktes die Rechtslage verändert hat, der Verwaltungsakt offensichtlich unrichtig, mithin qualifiziert falsch, ist, eine Verfügung nichtig und damit unbeachtlich ist oder die verfügende Instanz sich ausdrücklich und zulässigerweise das Recht vorbehalten hat, eine Verfügung zu widerrufen (vgl. Haubensak/Litschgi/Stähelin, Kommentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege des Kantons Thurgau, Frauenfeld 1984, § 23 N. 4). Ein Wiedererwägungsgesuch kann sich nur auf erstinstanzliche Verfügungen beziehen; Rechtsmittelentscheide sind der Wiedererwägung grundsätzlich nicht zugänglich (vgl. Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2006, N. 1830; sowie Kölz/Bosshart/Röhl, Kommentar zum VRG des Kantons Zürich, 2. Aufl., Zürich 1999, Vorbem. zu §§ 86a bis 86d N. 8). (...)
2.3 Die Kostenauflage bildet Bestandteil des Beschwerdeentscheides des Verwaltungsgerichts vom 18. Oktober 2006. Diese Kostenauflage erfolgte in Abhängigkeit vom Prozessausgang des Rechtsmittelverfahrens. Nachdem der rechtskräftige Beschwerdeentscheid des Verwaltungsgerichts keinen erstinstanzlichen Verwaltungsentscheid darstellt und daher nicht in Wiedererwägung gezogen werden kann (Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., N. 1830; vgl. vorstehend E. 2.1), ist auch die Kostenauflage, als Teil dieses Rechtsmittelentscheides, einer Wiedererwägung von vornherein nicht zugänglich. Auf das Wiedererwägungsgesuch, soweit der Gesuchsteller seine Eingabe als solches behandelt haben will, ist somit bereits aus diesem Grunde nicht einzutreten.
2.4 Die Vorbringen des Gesuchstellers sind jedoch auch aus anderen Gründen unbehelflich. Das Verwaltungsgericht trat in seinem Entscheid vom 18. Oktober 2006 auf die Stimmrechtsbeschwerde gegen den betreffenden Budgetposten im Zusammenhang mit dem Kredit für den Abbruch des bestehenden Gebäudes auf der Liegenschaft T-strasse 2 und den Bau von Parkplätzen aus formellen Gründen nicht ein. Die Gemeindebeschwerde gemäss § 53 Abs. 1 GemG wurde abgewiesen, wobei festgestellt wurde, dass der Beschluss diesbezüglich kein übergeordnetes Recht verletze. Die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge wurde auch vom Bundesgericht als unbegründet erachtet. (…) Für die Kostenauflage durch das Verwaltungsgericht im betreffenden Entscheid vom 18. Oktober 2006 war der vom Gesuchsteller heute geltend gemachte Umstand, dass die fraglichen Parkplätze der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden sollen, somit in keiner Art und Weise von Bedeutung. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse oder wichtiger öffentlicher Interessen gemäss § 22 i.V. mit § 23 Abs. 1 VRG, die eine Wiedererwägung der Kostenauflage rechtfertigen würden, ist nicht ersichtlich. Auf das (Wiedererwägungs-)Gesuch ist somit auch aus diesem Grunde nicht einzutreten.
3.
3.1 Zu prüfen gilt es weiter, ob die Voraussetzungen für eine Revision im Sinne von § 70 VRG gegeben sind. Diese Bestimmung verweist hierfür auf die ZPO. Einer der in § 246 ZPO umschriebenen Revisionsgründe besteht darin, dass ein Gesuchsteller nachträglich erhebliche Tatsachen oder Beweismittel entdeckt hat, deren Geltendmachung vor Eintritt der Rechtskraft des angefochtenen Erkenntnisses selbst unter Aufwendung der erforderlichen Sorgfalt nicht möglich gewesen wäre (§ 246 Ziff. 2 lit. a ZPO). Unter zwischenzeitlich entdeckten erheblichen Tatsachen im Sinne dieser Bestimmung sind allerdings nur Geschehnisse zu verstehen, die für den vom Richter zu beurteilenden Tatbestand von Bedeutung sind und bei Fällung des angefochtenen Entscheides bereits bestanden haben. Revision kann nur im Hinblick auf Tatsachen, die sich in dem für die Entscheidung massgebenden Zeitpunkt bereits verwirklicht hatten, verlangt werden. Die (sinngemässe) Berufung darauf, die Verhältnisse hätten sich anders gestaltet, als es das Gericht dannzumal erwartet habe, bzw. sie hätten sich zwischenzeitlich geändert, berechtigt deshalb nicht zur Revision (vgl. Merz, Die Praxis zur thurgauischen Zivilprozessordnung, 2. Aufl., Bern 2007, § 246 N. 4.a; sowie Kölz/Bosshart/Röhl, a.a.O., § 86a N. 13).
3.2 Der Gesuchsteller stützt sich zur Begründung seines Gesuches auf die Ende 2008 erfolgte Erstellung der betreffenden Parkplätze im Dorfzentrum von Q und den offenbar in jenem Zeitraum getroffenen Entscheid der Gemeindebehörde, diese Parkplätze der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Dies betrifft einen Sachverhalt, der sich erst nach Fällung des Verwaltungsgerichtsentscheides vom 18. Oktober 2006 und nach Bestätigung desselben durch das Bundesgericht mit Urteil vom 9. März 2007 ereignet hat. Derartige Tatsachen bilden jedoch keinen Revisionsgrund nach § 246 Ziff. 2 lit. a ZPO (vgl. Merz, a.a.O., § 246 N. 4.a).
3.3 Das Revisionsgesuch, soweit der Gesuchsteller seine Eingabe als solches verstanden haben will, erweist sich somit von vornherein als «unstatthaft» im Sinne von § 249 Abs. 1 ZPO, weshalb auf das Gesuch auch aus diesem Grunde nicht einzutreten ist.
Entscheid vom 25. März 2009