TVR 2009 Nr. 6
Ortsbildschutz, Ermessensbereich der Gemeinde
Die Errichtung einer Holzterrasse mit Absturzsicherung auf einem Flachdach kann aus Gründen des Ortsbildschutzes verboten werden.
L reichte bei der Gemeinde ein Baugesuch ein. Darin wurde hinsichtlich des Bauprojekts Folgendes beschrieben: «Kamindurchbruch für Schwedenofen, Faltverglasung der Dachterrasse (Wintergarten), Erneuerung der Pergola mit Glasdach (begehbar).» Das schriftliche Einverständnis der Mitglieder der Stockwerkeigentümergemeinschaft lag vor. Die Gemeinde erteilte die Baubewilligung im vereinfachten Verfahren. Nach Hinweisen aus der Nachbarschaft erfuhr die Baubewilligungsbehörde jedoch, dass auf der Pergolakonstruktion eine Terrasse aus Holz mit Geländer aufgebaut und eine bestehende Kaminanlage verlängert worden sei. Die Gemeinde führte ein ordentliches Baubewilligungsverfahren mit Planauflage durch. Hiergegen gingen vier Einsprachen ein. Die Gemeinde bewilligte danach zwar die geringfügige Höherlegung der Pergolakonstruktion, verweigerte jedoch den nachträglichen Aufbau der Dachterrasse und ordnete an, dass die Ausstiegsöffnung zu verschliessen und das Geländer zu demontieren sei. Den hiegegen erhobenen Rekurs hiess das DBU gut. Die Gemeinde gelangte daher an das Verwaltungsgericht, das die Beschwerde gutheisst.
Aus den Erwägungen:
3.
3.1 In Anwendung von § 12 PBG hat die Gemeinde das Baureglement zu erlassen und darin insbesondere auch die Gestaltung und Einordnung von Bauten und Anlagen zu regeln (§ 12 Abs. 2 Ziff. 9 PBG). Gestaltungsvorschriften für Bauten und Anlagen sind in Art. 64 und 65 BauR enthalten. Nach diesen Vorschriften haben sich Bauten und Anlagen in Stellung, Farbgebung, Materialwahl und Gestaltung bestmöglichst in das Orts- und Landschaftsbild einzuordnen. Umbauten und Renovationen sind baustilgerecht auszuführen. Dach- und Fassadenflächen sind mit einem auf die Umgebung abgestimmten Farbton zu versehen. Firstrichtungen, Dachform und Eindeckung sowie Dachaufbauten sind auf das Gebäude, den Ortsteil und die Nachbarbauten abzustimmen (Art. 64 sowie Art. 65 Abs. 1 BauR). Zum Ortsbildschutz hält TVR 1989 Nr. 23 fest, dass die diesbezüglichen kommunalen Vorschriften als Generalklausel im Rahmen aller öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften insofern besondere Bedeutung haben, als sie auch angerufen und angewendet werden können, wenn sämtliche anderen Vorschriften eingehalten sind. Sie gehen in diesem Sinne den übrigen baurechtlichen Normen vor. Die Ablehnung einer Baubewilligung aus Gründen des Ortsbildschutzes setzt allerdings einen Gegensatz zum Bestehenden voraus, der so erheblich stört, dass sich ein Eingriff in die Eigentumsfreiheit des Bauherrn rechtfertigt. Die Beeinträchtigung ist daher stets an der Qualität des zu schützenden Orts- bzw. Quartierbildes zu messen. Je höher der Schutzwert einzustufen ist, desto grösser wird die Empfindlichkeit gegenüber Einwirkungen. Der so ermittelte «Schutzwert» ist sodann gegen das Nutzungsinteresse des Grundeigentümers abzuwägen. Massstab bildet damit immer der bestehende bauliche Zustand.
Was die Überprüfungsbefugnis gegenüber der Rekursinstanz betrifft, sofern es um ortsbildschützerische Angelegenheiten geht, wurde in TVR 1989 Nr. 22, E. 1c, festgehalten, bei der Überprüfung eines vorinstanzlichen Entscheids beschränke sich das Verwaltungsgericht nach § 56 Abs. 1 und 2 VRG auf eine Kontrolle der Rechtmässigkeit. Zur Rechtskontrolle gehört indessen insbesondere auch die Bandbreite der Kognition der Vorinstanz. Unbestritten steht der Gemeinde bei der Beurteilung einer Baubewilligung unter dem Gesichtspunkt des kantonalen Ortsbildschutzes und den diese Bestimmungen verstärkenden kommunalen Normen eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit zu, welche die Rekursinstanz nach § 47 Abs. 2 VRG durch eine auf Rechtskontrolle beschränkte Überprüfung zu wahren hat. Jedoch besteht kein «freies» Ermessen der Gemeinde. Ein Baugesuch darf nicht jedes noch so geringen Anforderungsmangels wegen abgewiesen werden; vielmehr muss ein hinreichendes öffentliches Interesse an der Bauverweigerung bestehen.
3.2 Der verfahrensbeteiligte C stellt sich auf den Standpunkt, er habe mit seinem Baugesuch klar dargelegt, dass die Erneuerung der Pergola mit einem begehbaren Glasdach erfolge, was bedeute, dass dieses als Terrasse benutzt werden könne. Im Baugesuch werden als «Umbau» drei Bauvorhaben angeführt, nämlich «Kamindurchbruch für Schwedenofen, Faltverglasung der Dachterrasse (Wintergarten) sowie Erneuerung der Pergola mit Glasdach (begehbar)». Betrachtet man die im Recht liegenden Fotos des erstellten Bauobjekts so entspricht dies nach Auffassung des Gerichts nicht dem, was im Baugesuchsverfahren nachgesucht wurde. Auf das Glasdach wurde ein Holzrost gelegt. Die Öffnung ist mit einer Aluminiumleiter erschlossen, um den Rost wurde ein Geländer erstellt. Aus den Akten, insbesondere aus dem Baugesuch lässt sich nach Auffassung des Gerichts gerade nicht erkennen, was der Bauherr tatsächlich beabsichtigte. Die Gemeinde durfte die Bewilligung für eine solche Konstruktion verweigern, denn der Aufbau wirkt nicht nur in Bezug auf das gesamte Objekt (Mehrfamilienhaus) wie ein Fremdkörper, sondern insbesondere auch mit Bezug auf die übrige Dachlandschaft. Zwar ist zutreffend, dass in einiger Entfernung (ca. 250 m) bereits ein entsprechendes Referenzobjekt besteht. Die Gemeinde hat aber glaubhaft dargelegt, dass es sich dabei um einen einmaligen Sündenfall handelt, für den gerade nicht noch weitere Präjudizien geschaffen werden sollen. Die Gemeinde verweist auch zu Recht darauf, dass die vom verfahrensbeteiligten C eingereichten weiteren (Foto-)Beispiele für Dachbalkone mit dem hier zu beurteilenden eindeutig nicht zu vergleichen sind. Zu Recht hat daher die Gemeinde festgestellt, dass das Bauvorhaben nicht dem Baugesuch entspricht, und durfte aus Gründen des Ortsbildschutzes auch die Bewilligung verweigern. Unmassgeblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Bauamtsleiter dem Beschwerdeführer andere Auskünfte erteilt hat. Nicht er ist Baubewilligungsbehörde, sondern der Stadtrat. Ob die Aussage des Bauamtsleiters Vertrauen schaffen kann, auf das sich der Beschwerdeführer berufen kann, ist nicht im vorliegenden Baubewilligungsverfahren zu prüfen, sondern in einem allfälligen Prozess betreffend Schadenersatz. Festzustellen ist jedoch an dieser Stelle, dass der Rückbau dieser Konstruktion ohne weiteres zumutbar und verhältnismässig ist. Es muss lediglich das Geländer abmontiert, die Dachluke geschlossen und die Leiter wieder entfernt werden. Wenn die Gemeinde die vorliegende Dachkonstruktion aus Ortsbildschutzgründen nicht bewilligen wollte, so ist dies nicht zu beanstanden. Indem die Vorinstanz den diesbezüglichen Entscheid der Gemeinde aufgehoben hat, hat sie in unzulässiger Weise in das Ermessen der Gemeinde eingegriffen, weshalb der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und die Baubewilligungsverweigerung der Gemeinde zu bestätigen ist.
Entscheid vom 11. März 2009