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TVR 2010 Nr. 14

Gesamtleistungswettbewerb, Ermessen des Preisgerichts


Art. 12 Abs. 3 IVöB, § 16 VöB


Das Preisgericht muss sich an die im Wettbewerbsprogramm festgelegten Wettbewerbskriterien halten. Bei der Beurteilung, in welchem Mass ein Wettbewerbsbeitrag ein bestimmtes Kriterium erfüllt, verfügt das Preisgericht jedoch über ein weites Ermessen. Bei derartigen Gesamtleistungswettbewerben können auch objektiv nicht messbare Gesichtspunkte mitentscheiden. Diesbezüglich ist der Eindruck der Fachjury massgebend, der durch das Gericht praktisch nicht überprüft werden kann.


Die Stiftung L betreibt in O ein Wohnheim für behinderte Erwachsene. Sie beabsichtigt, ihren „Stammsitz“ mit einem neuen Beschäftigungstrakt für 40 Arbeitsplätze zu ergänzen und entschied sich hierfür zur Durchführung eines zweistufigen Gesamtleistungswettbewerbs. Im Wettbewerbsprogramm wurde mitunter vorgesehen, dass in der ersten Stufe sieben qualifizierte Architekturbüros zur Einreichung eines Projektes eingeladen würden. Das Preisgericht beurteile die Projekte anonym. In der zweiten Stufe, in der die Anonymität aufgehoben werde, würden zwei ausgewählte Teilnehmer aufgefordert, für ihr Projekt eine Totalunternehmerofferte einzureichen. Das Preisgericht empfehle alsdann der Auftraggeberin eines zur Ausführung.
Am 22. April 2009 setzte das Preisgericht beim Entscheid über die erste Stufe das von der B AG eingereichte Projekt „XX“ auf den dritten Platz. Die Projekte „QQ“ und „NN“ erhielten den ersten bzw. zweiten Rang und wurden für die Weiterbearbeitung in der zweiten Stufe vorgesehen. Am 12. August 2009 empfahl das Preisgericht in der zweiten Stufe des Wettbewerbs dem Stiftungsrat L das vom Projektteam UDO entwickelte Projekt „NN“ zur Auftragserteilung und Ausführung. Dieses Ergebnis wurde durch die Stiftung L mit Verfügung vom 20. August 2009 beschlossen und allen Teilnehmern eröffnet.
Am 28. August 2009 liess die B AG beim Verwaltungsgericht gegen die „Zuschlags-Mitteilung“ vom 20. August 2009, inkl. die vorgängig zugestellten Juryberichte der ersten und zweiten Stufe, Beschwerde erheben. Das Verwaltungsgericht weist ab.

Aus den Erwägungen:

2.
2.1 Wer einen Planungs- und Gesamtleistungswettbewerb veranstaltet, regelt gemäss Art. 12 Abs. 3 IVöB im Rahmen der Grundsätze dieser Vereinbarung das Verfahren im Einzelfall. Die Auftraggeberin oder der Auftraggeber kann dabei ganz oder teilweise auf einschlägige Bestimmungen von Fachverbänden verweisen, soweit solche Bestimmungen nicht gegen die Grundsätze der IVöB verstossen (§ 12 Abs. 3 IVöB). Auch § 16 VöB hält in Abs. 1 fest, dass bei einem Planungs- oder Gesamtleistungswettbewerb unter sinngemässer Anwendung der Grundsätze der IVöB das Verfahren im Einzelfall in den Wettbewerbsbedingungen zu regeln ist und dabei ganz oder teilweise auf einschlägige Bestimmungen von Fachverbänden verwiesen werden kann. Das am 17. Dezember 2008 durch das Preisgericht genehmigte Wettbewerbsprogramm erklärt die SIA-Ordnung 142, Ausgabe 1998, für die Auftraggeberin und die Teilnehmer als verbindlich.

2.2 Die - vorliegend nicht bestrittene - Unabhängigkeit des Preisgerichts bildet unabdingbare Voraussetzung eines Planungs- oder Gesamtleistungswettbewerbs (vgl. Galli/Moser/Lang/Clerc, Praxis des öffentlichen Beschaffungsrechts, 1. Band, 2. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2007, N. 672). Das Preisgericht hat sich bei der Beurteilung der Wettbewerbsbeiträge an das Wettbewerbsprogramm und die Fragenbeantwortung zu halten. Die Wettbewerbsbeiträge sind so zu beurteilen, wie sie vorliegen, und nicht, wie sie zu verbessern wären (Art. 20.1 und 20.2 der SIA-Norm 142, vgl. auch TVR 2002 Nr. 31, E. 2a). Der Jurybericht enthält die Begründung für den Entscheid des Preisgerichts. Zu berücksichtigen ist, dass bei Vergabeverfahren in Form von Wettbewerben mit anonymen Beiträgen und einer unabhängigen Jury aufgrund der durch diese Besonderheiten bereits weitgehend gewährleisteten Objektivität und Transparenz die Anforderungen an die Begründungspflicht weniger streng sind, als bei einer ordentlichen Beschaffung. So erachtete es etwa das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich als ausreichend, dass das Beurteilungsgremium festhielt, die Gründe für eine Nichtberücksichtigung seien sehr unterschiedlich gewesen, und zudem darlegte, weshalb die abgewiesenen Projekte für die zweite Stufe nicht ausgewählt worden seien (Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich VB.2000.00122 vom 2. November 2000, E. 5.1; vgl. Galli/Moser/Lang/Clerc, a.a.O., N. 677).

2.3 Das Preisgericht muss sich an die im Wettbewerbsprogramm festgelegten Wettbewerbskriterien halten. Bei der Beurteilung, in welchem Mass ein Wettbewerbsbeitrag ein bestimmtes Kriterium erfüllt, verfügt das Preisgericht jedoch über ein weites Ermessen (Messerli, Der Planungs- und Gesamtleistungswettbewerb im öffentlichen Beschaffungsrecht, 2. Aufl., Bern 2007, S. 145). Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Auftraggeberin nicht verpflichtet, die Wettbewerbskriterien in der Ausschreibung zu gewichten (Messerli, a.a.O., S. 146), was vorliegend auch nicht der Fall ist. Zudem sind namentlich die Grundsätze der Transparenz, der Fairness und der Gleichbehandlung aller Wettbewerbsteilnehmer sowie die wirtschaftliche Verwendung öffentlicher Mittel zu beachten (vgl. Art. 12 Abs. 3 i.V. mit Art. 1 Abs. 3 und Art. 11 IVöB sowie § 16 Abs. 1 VöB).

3.
3.1 (…)

3.2 Im Jurybericht zur ersten Stufe vom 8. Mai 2009 wird auf Seite 12 das Projekt der Beschwerdeführerin beurteilt. Zum einen werden dabei die Qualitäten des Projektes herausgestrichen; insbesondere wird die architektonische Gestaltung als „bestechend“ angesehen. Zum andern hebt das Preisgericht jedoch auch hervor, dass die Zweigeschossigkeit überall spürbar sei. Erwähnt werden die zu erwartenden Kosten bzw. die „kostengenerierenden Massnahmen“, wie in den Baukörper integrierte Aussenräume in Form von Loggien, ein relativ grosser Stützenraster von 6,8 x 7,5 m mit Holzdecken, durchgehend verglaste Innenwände der Beschäftigungsräume, die Brandschutzanforderungen, durchgehend abgehängte Decken und horizontale Glas-Oberlichter. Das Preisgericht stellte fest, dass diese Elemente bei einer allfälligen Überarbeitung nicht weggelassen werden könnten, ohne dem Entwurf empfindlich zu schaden. Aus diesem Grunde seien zu hohe Baukosten zu befürchten. Des Weiteren wurde aber auch auf betriebliche Aspekte hingewiesen. So sei durch die konsequent zweigeschossige Bauweise mit einem höheren Aufwand zu rechnen, so etwa für den Lift und für das Personal. (…)
Die Beurteilung des Preisgerichts als Grundlage für den Entscheid der Beschwerdegegnerin ist insgesamt nicht zu beanstanden. Bei der Beurteilung der massgeblichen Kriterien und insbesondere mit der Feststellung, dass letztendlich wesentliche Gründe gegen die Zweigeschossigkeit des beschwerdeführerischen Projektes gesprochen hätten, haben das Preisgericht und die Beschwerdegegnerin ihr Ermessen korrekt ausgeübt und ihren Entscheid nachvollziehbar begründet.

3.3 Dem vermag auch die Beschwerdeführerin mit ihren Vorbringen, wie nachfolgend ausgeführt, nichts Entscheidrelevantes entgegenzusetzen.

3.3.1 Von vornherein ins Leere stösst der Einwand, dass die Beschwerdegegnerin die Variante eines zweigeschossigen Neubaus im Wettbewerbsprogramm hätte ausschliessen müssen. In einem Planungs- bzw. Gesamtleistungswettbewerb ist die Formulierung von Wettbewerbskriterien schwieriger als in einer ordentlichen Beschaffung. Dies hängt damit zusammen, dass gerade von einem derartigen Wettbewerb eine Lösungsvielfalt - etwa bezüglich Funktionalität, Qualität und Ökologie - erwartet wird, die namentlich auch den wirtschaftlichen Einsatz öffentlicher Mittel gewährleistet. Deshalb kann die Auftraggeberin häufig nicht im Voraus abschliessend und präzis formulieren, welchen konkreten Zielvorgaben eine Lösung in konzeptioneller Hinsicht zu entsprechen hat. Die Praxis trägt diesen Besonderheiten Rechnung, indem sie für derartige Verfahren keine Gewichtung der Wettbewerbskriterien vorschreibt, ja nicht einmal die Verwendung eines Punktesystems bei der Rangierung verlangt, und ferner das weite Ermessen der Auftraggeberin bei der Formulierung der Wettbewerbskriterien und des Preisgerichts bei der Jurierung betont. Vorausgesetzt wird einzig, dass das Preisgericht die bekannt gegebenen Kriterien tatsächlich berücksichtigt (vgl. Messerli, a.a.O., S. 153 f., mit weiteren Hinweisen).
Auch vorliegend vermochte die Beschwerdegegnerin bzw. das Preisgericht erst nach dem Vorliegen der unterschiedlichen Projekte die Vor- und Nachteile der zweigeschossigen Konzeption zu bewerten, weshalb eine solche zu Recht nicht von vornherein im Wettbewerbsprogramm ausgeschlossen wurde.

3.3.2 Unzutreffend ist der Einwand der Beschwerdeführerin, ihr Projekt sei hauptsächlich vom Kostenargument „gekillt“ worden.
Dem hält die Beschwerdegegnerin nachvollziehbar und schlüssig entgegen, das Projekt „XX“ sei in erster Linie wegen funktioneller Nachteile, die mit der Zweigeschossigkeit des Projektes zusammenhingen, nicht weiter empfohlen worden. Im Hinblick auf die Kosten habe nicht die Kubatur, sondern vielmehr die Tatsache, dass mit aufwändigen Baumassnahmen und Teilen geplant worden sei, zu Bedenken Anlass gegeben. Die Beurteilung des Preisgerichts, ein zweigeschossiges Werkstattgebäude mit übergrosser Eingangshalle und mit im Obergeschoss angeordneten Werkstatt- und Lagerräumlichkeiten habe grosse betriebliche Nachteile, ist - selbst wenn andernorts derartige Bauten realisiert worden sind - durchaus begründet. (…) Eine Erweiterung von im Obergeschoss installierten Werkstatt- und Lagerräumen ist, verglichen mit den prämierten (eingeschossigen) Projekten, aufwändiger und komplizierter, zumal derartige Erweiterungen regelmässig zweigeschossig erfolgen müssten.
In diesem Zusammenhang ist zudem nicht zu beanstanden, dass die Beschwerdegegnerin auch dem Kostenargument bereits im Rahmen der Beurteilung in der ersten Stufe eine gewisse Bedeutung beigemessen hat, zumal das Kriterium der Wirtschaftlichkeit auch für diese Stufe galt. Bei der Beschwerdegegnerin handelt es sich um eine Sozialinstitution, die durch den Kanton mit öffentlichen Geldern unterstützt wird. Der wirtschaftlichen Verwendung öffentlicher Mittel hat die Beschwerdegegnerin somit grundsätzlich in jeder Phase des Verfahrens Rechnung zu tragen (vgl. Art. 1 Abs. 3 lit. d IVöB). (…)

4. Sinn und Zweck eines Gesamtleistungswettbewerbes besteht darin, ein möglichst breites „Angebot“ an Vorschlägen zu erhalten, die möglichst viele ästhetische, wirtschaftliche und funktionale Seiten eines Vorhabens sichtbar machen. Die Beschwerdegegnerin bzw. das Preisgericht hat die eingereichten Wettbewerbsprojekte umfassend geprüft und die Vor- und Nachteile gegeneinander abgewogen. Bei der Auswahl des geeigneten Projektes im Rahmen eines Gesamtleistungswettbewerbes stand der Beschwerdegegnerin ein relativ erheblicher Ermessensspielraum zu. Mit ihren zahlreichen und detailliert vorgetragenen Einwänden scheint die Beschwerdeführerin zu verkennen, dass das Verwaltungsgericht kein „Oberpreisgericht“ darstellt. Gerade bei derartigen Gesamtleistungswettbewerben können auch objektiv nicht messbare Gesichtspunkte mitentscheiden. Diesbezüglich ist der Eindruck der Fachjury massgebend, der durch das Gericht praktisch nicht überprüft werden kann (vgl. TVR 2002 Nr. 31, E. 2a/cc, sowie Messerli, a.a.O., S. 154, mit Verweisen auf die Rechtsprechung). Mit der im Vordergrund stehenden Feststellung, dass die zweigeschossige Konzeption des beschwerdeführerischen Projektes vor allem die funktionalen Anforderungen einer entsprechenden Behinderteninstitution nicht ausreichend oder zumindest nicht im selben Masse, wie die beiden erstrangierten, eingeschossigen Projekte, zu erfüllen vermag, hat die Beschwerdegegnerin ihrem Entscheid ein objektives Argument zugrunde gelegt. Zwar lassen sich diverse (Detail-)Punkte durchaus diskutieren, jedoch vermögen die Einwände der Beschwerdeführerin an der Rechtmässigkeit des (Ermessens-)Entscheides der Beschwerdegegnerin, welcher gestützt auf die nachvollziehbare und schlüssige Beurteilung des Preisgerichts und dessen Empfehlung erfolgte, nichts zu ändern.

Entscheid vom 14. April 2010

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