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TVR 2010 Nr. 17

Bewilligung eines Kleinheims


§ 6 c SHG


Richtlinien eines Departements sind keine verbindlichen Rechtssätze. Daher kann der Beweis, dass eine Person in der Lage ist, ein Kleinheim zu führen, auch auf anderem Weg erbracht werden, als er in der Richtlinie des DFS gefordert wird. Namentlich langjährige, entsprechende Berufserfahrung in Pflegeberufen kann den Nachweis einer bestimmten Ausbildung ersetzen.


L nahm ab November 2008 den bevormundeten W, der sich im Massnahmenvollzug befindet, bei sich auf. Im März 2009 erhielt die Gemeinde N den Hinweis, dass bei L ein Betreuungsverhältnis bestehe. In der Folge ging die Gemeinde der Sache nach und schliesslich wurde L aufgefordert, der Gemeinde ein Gesuch um Bewilligung zur Betreuung von bis zu vier mündigen Personen einzureichen. Die Gemeinde wies das Gesuch um Erteilung einer entsprechenden Bewilligung ab. Gegen diesen Entscheid rekurrierte L, doch wurde ihr Rechtsmittel vom DFS abgewiesen. Das Verwaltungsgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.

Aus den Erwägungen:

2.
2.1 Laut § 6c SHG bedürfen die Errichtung und der Betrieb von Betreuungs- und Pflegeangeboten, in denen bis zu vier mündigen Personen gegen Entgelt Unterkunft, Verpflegung, Betreuung oder weitere Dienstleistungen gewährt werden, einer Bewilligung der Politischen Gemeinde und unterstehen deren Aufsicht. Gemäss § 6d SHG erlässt das zuständige Departement (hier das DFS) die für die Heime sowie die Betreuungs- und Pflegeangebote notwendigen Richtlinien, was es am 1. Dezember 2008 getan hat (Richtlinien für die Politischen Gemeinden zur Erteilung einer Bewilligung und für die Aufsicht betreffend Betreuungs- und Pflegeangebote, in denen bis zu vier mündige Personen betreut werden, nachfolgend nur „Richtlinie“ zitiert).
Richtlinien sind Verwaltungsverordnungen und somit generelle Dienstanweisungen einer Behörde an ihr untergeordnete Behörden. Dabei kann es sich um Amtsstellen des gleichen Gemeinwesens handeln. Möglich sind aber auch Weisungen von Bundesbehörden an die mit dem Vollzug von Bundesrecht betrauten kantonalen oder kommunalen Behörden. Die Hauptfunktion der Verwaltungsverordnung besteht darin, eine einheitliche, gleichmässige und sachrichtige Praxis des Gesetzesvollzugs sicherzustellen. Sie kann auch organisatorische Anordnungen enthalten. Es wird deshalb zwischen vollzugslenkenden und organisatorischen Verwaltungsverordnungen unterschieden. Verwaltungsverordnungen sind nach herrschender Ansicht keine Rechtsquellen des Verwaltungsrechts, da sie keine Rechtsnormen enthalten, insbesondere keine Pflichten oder Rechte der Privaten statuieren. Trotz ihrer Verbindlichkeit für die Behörden werden sie in der Regel nicht in den offiziellen Gesetzessammlungen publiziert. Dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts nur Rechtsverordnungen, nicht aber Verwaltungsverordnungen, Rechtsquellen des Verwaltungsrechts darstellen, hat zur Konsequenz, dass die Privaten die Verletzung von Verwaltungsverordnungen nicht mit Rechtsmitteln geltend machen können. Verwaltungsgerichte sind auch nicht an Verwaltungsverordnungen gebunden. Im Falle der Anfechtung prüft das Verwaltungsgericht nur, ob eine Verfügung mit dem übergeordneten Gesetz und den Vollziehungsverordnungen übereinstimmt, aber nicht, ob sie der Verwaltungsverordnung entspricht. Das Gericht berücksichtigt sie bei seiner Entscheidung allerdings, soweit sie eine dem Einzelfall gerecht werdende Auslegung der massgebenden Bestimmung zulässt, weil es nicht ohne Not von einer einheitlichen Praxis der Verwaltungsbehörden abweichen will (Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2006, N. 123 ff.).

2.2 Das SHG bzw. deren § 6c enthält keine Hinweise bzw. Normen, unter welchen Umständen die Bewilligung für ein Heim mit bis zu vier pflegebedürftigen Personen erteilt werden muss. Die Entscheidung darüber hat der Gesetzgeber bewusst in die Kompetenz der Gemeinden gelegt. Allerdings sieht § 6d SHG ausdrücklich vor, dass das Departement hinsichtlich der Erteilung einer Heimbewilligung Richtlinien erlassen kann. Gemäss der Botschaft zur Änderung des Gesetzes über die öffentliche Sozialhilfe vom 4. Februar 2003, Erläuterung zu § 6d SHG, wurde der Kanton ermächtigt, für sämtliche Betreuungseinrichtungen in Form von Richtlinien Qualitätsstandards zu definieren. Für die Betreuungseinrichtungen gemäss § 6c SHG übertrug der Kanton die Anwendung im Bewilligungsverfahren und die Durchsetzung bei der Aufsicht den Gemeinden. Die kantonalen Richtlinien haben im Zusammenhang mit der Heimbewilligung eine wesentliche Bedeutung und die Gemeinden müssen ihren Entscheid in den Punkten, in denen sie von diesen Richtlinien abweichen wollen, entsprechend begründen (TVR 2008 Nr. 29, E. 3c).

2.3 Vorliegend geht es um die Frage, ob die Gemeinde der Beschwerdeführerin eine Bewilligung im Sinne von § 6c SHG hätte erteilen müssen. Die Gemeinde, insbesondere aber auch die Vorinstanz, begründen ihren Entscheid unter Hinweis auf Ziff. 5.4 der Richtlinien. Danach werden von der hauptverantwortlichen Betreuungsperson ein anerkannter Abschluss mindestens auf Sekundarstufe II und mindestens 2-jährige Berufserfahrungen im Erziehungs-, Gesundheits- oder Sozialbereich vorausgesetzt. Das Verwaltungsgericht hält es allerdings für fragwürdig, ob - wie dies die Vorinstanzen getan haben - so apodiktisch an diesen Voraussetzungen festgehalten werden darf. Zweifelsfrei muss im Sinne von Ziff. 5.1 Abs. 1 der Richtlinien die Person, welche die Verantwortung für die Betreuung übernimmt, aufgrund ihrer Ausbildung sowie charakterlich und gesundheitlich dafür geeignet sein. Auch ist durchaus nachvollziehbar, dass das DFS durch das Vorschreiben einer bestimmten Ausbildung eine gewisse Qualitätssicherung erreichen will. Allerdings sind Richtlinien eben letztlich Verwaltungsverordnungen, die kein formelles Recht darstellen. Entscheidend muss für die Frage der Betriebsbewilligung sein, ob die das Heim führende Person hierzu fachlich und charakterlich in der Lage ist. Sinn und Zweck der Vorschriften und Richtlinien im Heimwesen sind letztlich der Schutz der Insassen und die Sicherung von gewissen Standards. Dabei ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob diese Voraussetzungen gegeben sind. Die Prüfung hat anhand des eingereichten Betriebskonzepts zu erfolgen. Je nach dem, welche Art von Insassen das Heim beherbergen soll, werden für das Heimpersonal andere Anforderungen gestellt. Die Betreuung schwerbehinderter Personen bedarf anderer Qualitäten und Qualifikationen als die Betreuung älterer Menschen, die nur mit Bezug auf gewisse Handlungen oder Tätigkeiten Unterstützung brauchen und deswegen nicht mehr alleine Leben können oder wollen. Ein stures Festhalten an einer fixen Ausbildungsstufe macht vor allem auch dann wenig Sinn, wenn den Heimleitern aufgrund ihrer Lebens- und Berufserfahrung attestiert werden muss, dass die Fertigkeiten, die mit einem bestimmten Abschluss erreicht werden, durch die praktisch gemachten Erfahrungen längst erworben wurden. Indizien, dass dies bei der Beschwerdeführerin der Fall ist, liegen durchaus vor, nachdem sie mehrere Jahrzehnte im Betreuungs- und Pflegebereich gearbeitet hat. Ihr Ehemann hat einen landwirtschaftlichen Betrieb geführt und entweder er selbst oder die Beschwerdeführerin dürften über die notwendigen buchhalterischen und betriebswirtschaftlichen Fähigkeiten verfügen, um das beabsichtigte Kleinheim zu führen. Wie das Verwaltungsgericht in TVR 2008 Nr. 29 ausgeführt hat, dürfen die Gemeinden nicht ohne Not von den kantonalen Richtlinien abweichen. Allerdings ging es in jenem Fall insbesondere um bauliche Voraussetzungen, welche bereits durch Weisungen auf Bundesebene konkretisiert worden waren. Gerade wenn es um die Einrichtung von solchen Kleinheimen geht, darf durchaus ein gewisser Standard verlangt werden, zumal die Heimtaxen mit Fr. 135.-- pro Tag, wie dies von den Beschwerdeführern beabsichtigt wird, einen gewissen Einrichtungsstandard gewährleisten müssen. Von den Vorinstanzen wird aber nicht behauptet, dass die baulichen Voraussetzungen für die Führung eines Kleinheims vorliegend nicht gegeben seien. Hätte der Gesetzgeber tatsächlich feste formelle Kriterien einführen und eine allfällige Bewilligung bei Nichterfüllen dieser Voraussetzungen scheitern lassen wollen, so hätte er dies mindestens auf Verordnungsstufe regeln müssen. Gerade dies ist aber vorliegend nicht geschehen. Aus den genannten Gründen kann somit der Nachweis der fachlichen Qualifikation zur Betreuung eines Heims bzw. seiner Insassen auch auf anderem Weg erbracht werden. Die Vorinstanzen haben nicht geprüft, ob dies bei der Beschwerdeführerin bzw. ihrem Ehemann der Fall ist. Nachdem die Kompetenz hierfür bei den Gemeinden liegt, wäre es aber ihre Sache gewesen, dieser Frage vertieft nachzugehen. Auszugehen ist dabei - wie bereits erwähnt - vom Konzept, das die Beschwerdeführerin bezüglich des von ihr zu betreibenden Heims aufgestellt hat. Sofern sich die Vertreter der Gemeinde nicht in der Lage fühlen, diese Voraussetzungen in fachlicher Hinsicht selbst zu prüfen, steht es ihnen frei, einen entsprechenden - unabhängigen - Experten hierfür einzusetzen und die Fähigkeiten der Beschwerdeführerin bzw. ihres Ehemannes von diesem überprüfen zu lassen. Nur so lässt sich abschliessend beurteilen, ob die Beschwerdeführerin die notwendigen Voraussetzungen mitbringt und demnach ihr die Bewilligung zur Führung eines Kleinheims mit bis zu vier mündigen Personen erteilt werden kann. Diese Frage wurde jedoch von den Vorinstanzen nicht geprüft, weshalb der vorliegende Entscheid aufzuheben ist.

Entscheid vom 16. Juni 2010

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