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TVR 2010 Nr. 29

Betrag für persönliche Auslagen


Art. 10 Abs. 2 lit. b ELG , § 6 TG ELG, § 6 TG ELV (in der bis 31. Dezember 2010 geltenden Fassung)


Ein Abstellen auf das Kriterium der ärztlich festgestellten Pflegebedürftigkeit und das Vorliegen einer Pflegeheimbewilligung für die Frage der Anwendbarkeit von § 6 Ziff. 2 TG ELG in Abgrenzung zu § 6 Ziff. 1 TG ELG ist nur dann sachgerecht, wenn eine Bezügerin von Ergänzungsleistungen als Folge ihrer Pflegebedürftigkeit von einem höheren Entschädigungsanspruch im Sinne von § 6 Ziff. 5 TG ELV profitiert. Ist dies nicht der Fall, ist es dagegen nicht angezeigt, den reduzierten Betrag für persönliche Auslagen zur Anwendung zu bringen; dies zumindest dann nicht, wenn - wie vorliegend - die Bezügerin von Ergänzungsleistungen in ihrer Alltagsgestaltung weitestgehend unbehindert ist und dadurch, dass sie für einen Teil ihrer Mahlzeiten selbst aufkommt, unmittelbar zu einer Reduktion der Heimtaxe beiträgt.


H meldete seine Mutter R im Zusammenhang mit deren Eintritt in die Alterswohnstätte I in S zum Bezug von Ergänzungsleistungen zu ihrer AHV-Rente an. Das Amt für AHV und IV sprach R eine Ergänzungsleistung zu. Die persönlichen Auslagen für Heimbewohner wurden vom Amt dabei mit Fr. 2'808.-- eingerechnet. Einspracheweise machte H in Vertretung von R geltend, statt Fr. 2'808.-- sei R ein Betrag von Fr. 4'680.-- für persönliche Auslagen zuzugestehen. Die Einsprache wurde abgewiesen. H reichte für seine Mutter R gegen den Einspracheentscheid Beschwerde ein. Dabei beantragte er, seiner Mutter seien höhere Ergänzungsleistungen auszurichten, indem ihr für die persönlichen Auslagen ein Betrag von Fr. 4'680.-- zuzugestehen sei. Das Versicherungsgericht heisst die Beschwerde gut.

Aus den Erwägungen:

2.
2.1 Gemäss Art. 10 Abs. 2 lit. b ELG vom 6. Oktober 2006 wird bei Personen, die dauernd oder längere Zeit in einem Heim oder Spital leben, neben der anrechenbaren Tagestaxe (Art. 10 Abs. 2 lit. a ELG) ein vom Kanton zu bestimmender Betrag für persönliche Auslagen als Ausgabe anerkannt.

2.2 Der Betrag für persönliche Auslagen im Sinne von Art. 10 Abs. 2 lit. b ELG wird entsprechend von den Kantonen festgesetzt. Gemäss § 6 TG ELG werden bei einem Aufenthalt in einem Altersheim oder Invalidenheim 25% (§ 6 Ziff. 1 TG ELG) und bei einem Aufenthalt in einem Pflegeheim oder Spital 15% (§ 6 Ziff. 2 TG ELG) des Betrages für den allgemeinen Lebensbedarf für Alleinstehende als persönliche Auslagen anerkannt. Der durch Art. 10 Abs 1 lit. a Ziff. 1 ELG festgelegte Betrag für den allgemeinen Lebensbedarf alleinstehender Personen beläuft sich derzeit auf Fr. 18'720.--. (...)

2.3 § 6 TG ELG liegt die gesetzgeberische Überlegung zugrunde, dass, wer pflegebedürftig ist und sich daher in einem Pflegeheim oder Spital aufhält, in der Gestaltung seines Lebensalltags eingeschränkt ist. Die möglichen Alltagsaktivitäten pflegebedürftiger Heimbewohner sind im Vergleich zu nicht pflegebedürftigen Heimbewohnern als Folge der mit der Pflegebedürftigkeit korrespondierenden Einschränkungen in Bezug auf die Alltagsbewältigung und die Selbständigkeit der Lebensgestaltung fraglos reduziert. Damit sind auch die persönlichen Auslagen der pflegebedürftigen Heimbewohner in der Regel tiefer als jene der nicht pflegebedürftigen Heimbewohner. Entsprechend ist es grundsätzlich sachgerecht, den nicht pflegebedürftigen Heimbewohnern einen höheren Betrag für persönliche Auslagen zuzugestehen als den pflegebedürftigen Heimbewohnern.

2.4 Anders als von Seiten der Beschwerdeführerin vorgebracht und anders als in der für das Sozialversicherungsgericht nicht verbindlichen (vgl. BGE 122 V 19 E. 5b/bb) Wegleitung des Bundesamtes für Sozialversicherungen über die Ergänzungsleistungen zur AHV und IV (Stand 1. Januar 2010) festgehalten, sind die Steuern nämlich nicht zum EL-rechtlich relevanten Bedarf zu rechnen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 9C_196/2010 vom 12. Mai 2010, E. 2, unter Hinweis auf Art. 10 ELG). Die diesbezüglichen, weitestgehend unabhängig vom Ausmass der Pflegebedürftigkeit anfallenden Auslagen bieten daher keinen Anlass, die von § 6 Ziff. 1 und § 6 Ziff 2 TG ELG vorgenommene Differenzierung im Grundsatz als nicht sachgerecht zu qualifizieren.

2.5 Die Regelung von § 6 TG ELG ist auch im Zusammenhang mit § 6 TG ELV zu sehen. Gemäss § 6 Ziff. 2 TG ELV wird bei Aufenthalt in einem Alters- und Pflegeheim ohne BESA- oder RAI/RUG-Einstufung eine Tagestaxe von maximal Fr. 110.-- vergütet. Bei Pflegebedürftigkeit ab BESA-Stufe 1 liegt die maximal zu vergütende Tagestaxe dagegen im Bereich von Fr. 150.-- bis Fr. 300.-- (§ 6 Ziff. 5 TG ELV). Das kantonale Recht gesteht den pflegebedürftigen Bewohnern eines Pflegeheims im Vergleich zu den nicht pflegebedürftigen Bewohnern eines Altersheims also eine um mindestens Fr. 40.-- pro Tag höher liegende maximale Tagestaxe zu. Da der reduzierte Betrag für persönliche Auslagen im Sinne von § 6 Ziff. 1 TG ELG lediglich Fr. 1'872.-- unter dem den pflegebedürftigen Pflegeheimbewohnern im Sinne von § 6 Ziff. 2 TG ELG zugestandenen Betrag für persönliche Auslagen liegt, ist der Ergänzungsleistungsanspruch der pflegebedürftigen Pflegeheimbewohner gesamthaft betrachtet häufig höher als jener der Alters- und Invalidenwohnheimbewohner im Sinne von § 6 Ziff. 1 TG ELG. Eine Ungleichbehandlung zulasten der pflegebedürftigen Heimbewohner resultiert also offensichtlich nicht. Von einer sachlich nicht haltbaren Benachteiligung dieser Gruppe von EL-Bezügern kann daher dann, wenn ihnen über die erhöhte Tagestaxe ein höherer Ergänzungsleistungsanspruch als den nicht pflegebedürftigen EL-Bezügern zugestanden wird, erst recht nicht gesprochen werden.

2.6 Der vorliegend zu beurteilende Fall ist allerdings anders gelagert: Der Beschwerdeführerin wird von der Genossenschaft A eine Tagestaxe von total Fr. 103.50 belastet. Trotz ihrer Pflegebedürftigkeit löst die Beschwerdeführerin durch ihren Aufenthalt im Altersheim also keine Tagestaxe im Sinne von § 6 Ziff. 5 TG ELV aus, welche über Fr. 110.-- liegt. Eine Einschränkung des Betrages für persönliche Auslagen wird also im Fall der Beschwerdeführerin nicht durch eine entsprechend erhöhte Tagestaxe ausgeglichen. Gleichzeitig ist die Beschwerdeführerin in ihrer Alltagsgestaltung noch relativ frei, zumal sich ihr Pflegebedarf unbestrittenermassen in einer Hilfestellung beim Duschen und einer wöchentlichen Spritze erschöpft. Entsprechend lässt sich aber auch die Anwendung des reduzierten Betrages im Sinne von § 6 Ziff. 2 TG ELG nicht rechtfertigen.
Dies ist umso weniger der Fall, wenn zusätzlich berücksichtigt wird, dass die Beschwerdeführerin ihr Frühstück selbst zubereitet. Dies führt zu einer Reduktion des Pensionspreises und damit auch zu einer Reduktion der Heimkosten im Umfang von Fr. 100.-- pro Monat. Aufgerechnet auf ein Jahr entspricht diese Preisreduktion einem Betrag von Fr. 1'200.--. Diese Preisreduktion schlägt sich in der der Beschwerdeführerin in Rechnung gestellten Tagestaxe nieder. Gleichzeitig befindet sich die Beschwerdeführerin in der Situation, dass sie mit dem ihr zugestandenen Betrag für persönliche Auslagen auch die Kosten ihres Frühstücks zu bestreiten hat. Würde ihr nun - wie dies der Beschwerdegegner entschieden hat - lediglich der reduzierte Betrag für persönliche Auslagen im Sinne von § 6 Ziff. 2 TG ELG in Höhe von Fr. 2'808.-- zugestanden, verbliebe der Beschwerdeführerin nach Bestreitung ihrer Auslagen für das von ihr selbständig zubereitete Frühstück gerade einmal ein Betrag von rund Fr. 1'600.-- pro Jahr oder Fr. 130.-- pro Monat für ihre weiteren persönlichen Auslagen. Damit kann sie ihre neben den Ausgaben für ihr Frühstück anfallenden persönlichen Auslagen aber offensichtlich nicht decken.

2.7 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass ein Abstellen auf das Kriterium der ärztlich festgestellten Pflegebedürftigkeit und das Vorliegen einer Pflegeheimbewilligung für die Frage der Anwendbarkeit von § 6 Ziff. 2 TG ELG in Abgrenzung zu § 6 Ziff. 1 TG ELG nur dann sachgerecht ist, wenn eine Person als Folge ihrer Pflegebedürftigkeit von einem höheren Entschädigungsanspruch im Sinne von § 6 Ziff. 5 TG ELV profitiert. Andernfalls ist es nicht sachgerecht, den reduzierten Betrag für die persönlichen Auslagen zur Anwendung zu bringen. Dies ist zumindest dann nicht der Fall, wenn - wie vorliegend - die Bezügerin von Ergänzungsleistungen in ihrer Alltagsgestaltung weitgehend unbehindert ist und dadurch unmittelbar zu einer Reduktion der Heimtaxe beiträgt, dass sie für einen Teil ihrer Essensauslagen selbst aufkommt. Der Beschwerdeführerin steht daher ein Betrag für persönliche Auslagen im Umfang von 25% des Betrages für den allgemeinen Lebensbedarf von Fr. 18'720.-- (Art. 10 Abs. 1 lit. a ELG) also Fr. 4'680.-- pro Jahr zu.

Entscheid vom 15. September 2010

Das Bundesgericht ist auf die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid 9C_849/2010 vom 10. November 2010 nicht eingetreten.

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