TVR 2010 Nr. 3
Anfechtbarkeit einer Zwischenverfügung
Art. 13 AltlV, Art. 14 AltlV, § 35 Abs. 2 VRG
Die Anordnung einer Detailuntersuchung für einen belasteten Standort stellt jedenfalls dann eine anfechtbare Verfügung dar, wenn der Standortinhaber bereits eine Untersuchung eingereicht hat, diese aber vom Amt für Umwelt als unzureichend eingestuft wird.
Die X GmbH ist seit 1999 Eigentümerin der Parzelle Nr. 373 in L, worauf von 1905 bis 1954 eine Kleiderfärberei und eine Waschanstalt betrieben wurden. Von 1954 bis 1989 befand sich an dieser Stelle eine chemische Reinigung. Da die Branche der chemischen Reinigung als altlastenrelevant gilt, wurde das Grundstück in den Verdachtsflächenplan des Kantons Thurgau aufgenommen. Im Auftrag der X GmbH reichte das Geologiebüro P beim Amt für Umwelt (AfU) eine Detailuntersuchung ein. Der Bericht des Geologiebüros P wurde jedoch als ungenügend zurückgewiesen und daher in überarbeiteter Form erneut eingereicht und mit Eingaben zum Standort sowie Erläuterungen ergänzt. Nach einer weiteren Besprechung erliess das AfU eine Verfügung, laut welcher die X GmbH verpflichtet wurde, eine Detailuntersuchung nach Art. 14 Abs. 1 AltlV durch ein qualifiziertes Gutachterbüro erstellen zu lassen und die Resultate der Untersuchungsmassnahmen bis drei Monate nach Rechtskraft des Entscheids vorzulegen. Gegen diesen Entscheid erhob die X GmbH beim DBU Rekurs und beantragte neben der Aufhebung der angefochtenen Verfügung, das AfU sei zu verpflichten, über das weitere Vorgehen aufgrund der bereits vorliegenden Detailuntersuchung zu verfügen und zudem einen Entscheid über die Kostenverteilung zu fällen. Der Rekurs wurde abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde heisst das Verwaltungsgericht teilweise gut und weist die Sache zum Neuentscheid an das DBU zurück.
Aus den Erwägungen:
2.
2.1 Ist ein belasteter Standort sanierungsbedürftig, verlangt die Behörde gemäss Art. 13 Abs. 2 lit. a AltlV, dass innert angemessener Frist eine Detailuntersuchung durchgeführt wird. Zur Beurteilung der Ziele und der Dringlichkeit der Sanierung werden in der Detailuntersuchung gemäss Art. 14 Abs. 1 AltlV folgende Angaben ermittelt und aufgrund einer Gefährdungsabschätzung bewertet: Art, Lage, Menge und Konzentration der am belasteten Standort vorhandenen umweltgefährdenden Stoffe (lit. a), Art, Fracht und zeitlicher Aufwand der tatsächlichen und möglichen Einwirkungen auf die Umwelt (lit. b) sowie Lage und Bedeutung der gefährdeten Umweltbereiche (lit. c). Aufgrund der Detailuntersuchung beurteilt die Behörde die Ziele und die Dringlichkeit der Sanierung (Art. 15 Abs. 5 AltlV). Gemäss Art. 4 AltlV müssen Untersuchungs-, Überwachungs- und Sanierungsmassnahmen dem Stand der Technik entsprechen und von den Pflichtigen dokumentiert werden.
Pflichtiger im Zusammenhang mit Überwachungs-, Untersuchungs- und Sanierungsmassnahmen ist - zumindest bis zum Zeitpunkt des Erlasses einer Kostenteilungsverfügung - der Grundeigentümer. Dies ergibt sich aus Art. 20 Abs. 1 AltlV, wonach als Regelfall der Inhaber des belasteten Standortes die Untersuchungsmassnahmen durchzuführen hat. Die Behörde kann in Ausnahmefällen Dritte verpflichten, wenn Grund zur Annahme besteht, dass diese die Belastung des Standortes durch ihr Verhalten verursacht haben (Art. 20 Abs. 2 AltlV). Art. 32c Abs. 3 USG legt zudem fest, dass die Kantone die Untersuchung, Überwachung oder Sanierung belasteter Standorte selber durchführen oder Dritte damit beauftragen können, wenn dies zur Abwehr einer unmittelbar drohenden Einwirkung notwendig ist, der Pflichtige nicht in der Lage ist, für die Durchführung der Massnahmen zu sorgen oder der Pflichtige trotz Mahnung und Fristansetzung untätig bleibt.
2.2
2.2.1 Während die Beschwerdeführerin geltend macht, die von ihr eingereichten Unterlagen des Geologiebüros P seien als genügende Detailuntersuchungen im Sinne von Art. 14 Abs. 1 AltlV anzusehen, hat die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid ausgeführt, diese Frage könne nicht geprüft werden, da der angefochtene Entscheid des AfU vom 6. Januar 2009 ein nicht anfechtbarer Zwischenentscheid sei, der keine nicht wieder gutzumachenden Nachteile bewirke.Laut § 35 Abs. 2 VRG sind verfahrensleitende und andere Zwischenentscheide selbständig weiterziehbar, sofern sie für den Betroffenen einen Nachteil zur Folge hätten, der sich später voraussichtlich nicht mehr beheben lässt. Der nicht wieder gutzumachende Nachteil muss dabei nicht rechtlicher Natur sein. Es genügt, wenn ein schutzwürdiges Interesse an der sofortigen Aufhebung oder Abänderung der Anordnung gegeben ist, wobei auch ein rein wirtschaftliches Interesse genügt (TVR 2007 Nr. 7, E. 1a; BGE 120 Ib 100). Das Erfordernis des nicht wieder gutzumachenden Nachteils ist etwa bejaht worden in Entscheiden, die sich auf die Parteistellung auswirken, im Bereich der unentgeltlichen Rechtspflege, wenn es um Kautionen und Kostenvorschüsse geht, bei Rückweisungen, mit denen gleichzeitig ein für die Vorinstanz verbindlicher materiellrechtlicher Grundsatzentscheid gefällt wird, bei grundlegenden prozessleitenden Anordnungen, wie etwa der Entscheid über die Wahl eines bestimmten Verfahrens, die Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung, Akteneinsicht etc. (Kayser in: Auer/Müller/Schindler [Hrsg.], VwVG Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, Zürich/St. Gallen 2008, Art. 46 N. 12). Ein Nachteil gilt als wieder gutzumachend, wenn er nur vorübergehend besteht und durch einen günstigen Entscheid vollständig behoben bzw. rückgängig gemacht werden kann, also etwa bei Rückweisung zu ergänzender Abklärung und zum Neuentscheid, bei Sistierungen, bei Vorentscheiden von untergeordneter Bedeutung, bei Sachverhaltsabklärungen (Anordnung von Gutachten, auf Antrag oder von Amtes wegen durchgeführten bzw. verweigerten Beweismassnahmen, wobei ausnahmsweise eine selbständige Anfechtung möglich ist, wenn gefährdete erhebliche Beweise nicht abgenommen werden oder wenn die Anordnung mit beträchtlichen Kosten verbunden ist) oder bei Verweigerung der Akteneinsicht (Kayser, a.a.O., Art. 46 N. 13).
2.2.2 Das AfU hat die von der Beschwerdeführerin eingereichten Unterlagen als unzureichend angesehen und verfügt, dass eine weitere Untersuchung (Detailuntersuchung nach Art. 14 AltlV) durchzuführen sei. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kann nicht gesagt werden, dass es sich dabei um einen nicht anfechtbaren Zwischenentscheid handelt. Zum einen ist zu beachten, dass die Durchführung einer Detailuntersuchung für die Beschwerdeführerin zunächst einmal mit ganz erheblichen Kosten verbunden ist, zumal für sie bis heute nicht feststeht, wer später die Kosten zu tragen hat. Die Beschwerdeführerin hat beim AfU ein Gesuch um Erlass einer Kostenverfügung eingereicht, worüber jedoch bis heute nicht entschieden wurde. Zum andern ist darauf hinzuweisen, dass dann, wenn sich die von der Beschwerdeführerin eingereichten Unterlagen als genügend erweisen sollten, ein Entscheid betreffend weiterer Sanierungsmassnahmen getroffen und damit materiell entschieden werden könnte. Ein solcher Entscheid würde zweifelsfrei eine erhebliche Einsparung an Zeit und Aufwand mit sich bringen. Es ist daher unverständlich, wenn die Vorinstanz versucht, über formelle Ausführungen sich der eigentlichen Problematik zu entziehen. Wenn die Beschwerdeführerin die Verfügung des AfU anficht und geltend macht, die von ihrer Seite eingereichten Unterlagen seien genügend, hat sich die Rekursinstanz damit auseinander zu setzen und detailliert darzulegen, inwiefern aus ihrer Sicht der angefochtene Entscheid richtig oder falsch ist, und allenfalls im Detail darzutun, warum die vom Geologiebüro P bzw. der Beschwerdeführerin eingereichten Unterlagen für eine Detailuntersuchung im Sinne von Art. 14 AltlV nicht ausreichen. Die Vorinstanz hätte auch zu prüfen, ob der bereits eingereichte Bericht ergänzt werden kann. Selbst für diesen Fall aber hat die Vorinstanz darzulegen, wie genau eine solche Detailuntersuchung auszusehen hat, auf welche Stoffe allenfalls zu prüfen ist und wo diese Proben zu entnehmen sind. Der allgemeine Hinweis darauf, dass ein qualifiziertes Büro gemäss der Liste des AfU dies auszuführen hat, genügt zweifelsfrei nicht. Da sich die Vorinstanz mit diesen Fragen nicht auseinander gesetzt hat, kann das Verwaltungsgericht die Beschwerde im Kern, nämlich mit Bezug auf die Frage, ob überhaupt eine weitere Detailuntersuchung notwendig ist, nicht beurteilen oder überprüfen lassen. Die Beschwerde ist daher insofern teilweise gutzuheissen, als der vorinstanzliche Entscheid aufgehoben und die Sache zur materiellen Prüfung, inwiefern die bisher von der Beschwerdeführerin eingereichten Unterlagen einer Detailuntersuchung im Sinne von Art. 14 AltlV nicht entsprechen bzw. wo sie allenfalls wie zu ergänzen sind, zurückgewiesen wird.
Entscheid vom 17. Februar 2010