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TVR 2010 Nr. 34

Einkommenssteuer; Nichtanwendbarkeit der Dreieckstheorie bei geldwerten Leistungen zwischen Vereinen


§ 18 StG, § 22 Ziff. 4 StG


Auch wenn eine Person gleichzeitig in zwei Vereinen als Präsident amtet bzw. im Vorstand Einsitz hat, können Zahlungen vom einen Verein an den anderen dieser Person nicht unter Anwendung der sog. Dreieckstheorie als Einkommen angerechnet werden. Im Gegensatz zu Genossenschaften oder Kapitalgesellschaften stellen Mitglieder ihrem Verein mithin kein (Eigen-)Kapital zur Verfügung. Eine Besteuerung darf nur erfolgen, sofern einem Mitglied effektiv ein geldwerter Vorteil zugeflossen ist (Direktbegünstigungstheorie).


X ist sowohl Präsidentin des Vereins A mit Sitz in G (TG) als auch Präsidentin des Vereins B mit Sitz in W (SZ). Ihr Ehemann Y ist zudem Vorstandsmitglied im Verein B. Der Verein A leistete diverse Zahlungen an den Verein B, und zwar im Jahr 2003 total Fr. 146'940.--, im Jahr 2004 total Fr. 220’560.-- und im Jahr 2005 total Fr. 148'830.--. Das Gemeindesteueramt M erachtete die Zahlungen als geschäftsmässig nicht begründet und rechnete den geltend gemachten Aufwand deshalb beim Gewinn auf. Die Steuerrekurskommission schützte diese Auffassung jeweils in ihren Rekursentscheiden.
Am 20. April 2009 leitete das Gemeindesteueramt M sodann ein Nachsteuerverfahren gegen X und Y ein mit der Begründung, die Zahlungen an den Verein B stellten einen geldwerten Vorteil (aus Beteiligungen aller Art) dar und seien aufgrund der bereits rechtskräftigen Veranlagungen mit einer Nachsteuer zu belegen. Am 24. August 2009 wurden entsprechende Nachsteuerverfügungen erlassen. Dagegen reichten X und Y erfolglos Einsprache ein. Einen gegen den Einspracheentscheid erhobenen Rekurs heisst die Steuerrekurskommission gut.

Aus den Erwägungen:

3. Die Vorinstanz führt an, die geschäftsmässig nicht begründeten Zahlungen des Vereins A an den nahestehenden Verein B stellten in Anwendung der sogenannten Dreieckstheorie einen geldwerten Vorteil an die Vereinspräsidentin dar und unterlägen somit der Einkommenssteuer. Die Grundlage für die Besteuerung erblickt sie in § 22 Ziff. 4 StG.

3.1 Sowohl das DBG als auch die (meisten) kantonalen Steuergesetze folgen beim Ertrag aus Beteiligungsrechten (derzeit noch) dem Nennwertprinzip. Danach bildet jeder geldwerte Vorteil steuerbaren Vermögensertrag, der keine Rückzahlung von nominellem Kapital darstellt. Aufgrund dessen gehören etwa auch Gratisaktien oder Gratisnennwerterhöhungen zum steuerbaren Einkommen aus beweglichem Vermögen, obwohl dies auf Seiten der Gesellschaft nur zu einer Umschichtung im Eigenkapital führt und die Anteilseigner dadurch nicht reicher werden. Des Weiteren gilt im Bund und in den Kantonen überwiegend eine objektbezogene Betrachtungsweise. Das bedeutet, dass der Vermögensertrag streng aus der Perspektive der Gesellschaft beurteilt und nicht darauf abgestellt wird, ob die Leistungen der Gesellschaft bei den empfangenden Anteilseignern Einkommen im wirtschaftlichen Sinn darstellen (vgl. dazu Reich, in: Zweifel/Athanas [Hrsg.], Kommentar zum schweizerischen Steuerrecht, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, Band I/2a, 2. Aufl., Basel 2008, N. 30 zu Art. 20 DBG). Diese Betrachtungsweise kann etwa bei verdeckten Vorteilszuwendungen zwischen Schwestergesellschaften dazu führen, dass die Zuwendung einer mehrfachen Besteuerung bei den Anteilseignern unterliegt: einmal anlässlich der entsprechenden Zuwendung an die nahe stehende Gesellschaft, indem die Dreieckstheorie zur Anwendung gelangt und die geldwerte Leistung über die Beteiligten zufliesst, welche dadurch Vermögensertrag erzielen, und ein zweites Mal bei der späteren Liquidation der bereicherten Gesellschaft. Dies ist nur konsequent und Ausfluss dessen, dass sämtliche von der Gesellschaft erwirtschafteten Mittel im Zeitpunkt ihrer Ausschüttung als Entgelt für die Nutzungsüberlassung des Kapitals anzusehen sind, das der Gesellschaft von den Anteilseignern zur Verfügung gestellt wird.

3.2 Solches (Eigen-)Kapital stellen nun aber die Mitglieder ihrem Verein nicht zur Verfügung. Sie besitzen weder ein Kapitalanteilsrecht (Aktie, Stammanteil, Partizipationsschein oder Genossenschaftsanteil) noch ein blosses Gewinnanteilsrecht (Genussschein). Die «Beteiligung» am Verein umfasst einzig Rechte und Pflichten, die mitgliedschaftlicher Natur sind. Es liegt somit kein Beteiligungsrecht im Sinne von § 22 Ziff. 4 StG vor. Die gegenteilige Auffassung von Meuter (Besteuerung des Vereins mit Blick auf das neue Revisionsrecht, in: ZStP 2007, S. 27), der geldwerte Leistungen vom Verein auf ein Gewinnanteilsrecht und somit auf einen Genussschein zurückführen will, erweist sich als verfehlt. Die Vereinsmitglieder sind an den Vereinsreserven nicht berechtigt, und sie besitzen auch keinen Anspruch auf einen Anteil am Gewinn. Entsprechend fällt im Unterschied zum Genussschein auf der Ausgabe von Mitgliedschaftsrechten im Verein auch nicht die Emissionsabgabe an (Art. 1 Abs. 1 lit. a Bundesgesetz über die Stempelabgaben vom 27. Juni 1973), und eine geldwerte Leistung unterliegt nicht der Verrechnungssteuer (Art. 4 Abs. 1 lit. b Bundesgesetz über die Verrechnungssteuer vom 13. Oktober 1965). Hierfür fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage.

3.3 Die Anwendung der Dreieckstheorie bei geldwerten Leistungen von Vereinen fällt ebenfalls ausser Betracht (a.M. wiederum Meuter, a.a.O., S. 28). Es geht beim Verein nicht darum, die konsequente Durchführung der wirtschaftlichen Doppelbelastung sicherzustellen. Der Gesetzgeber will dies offensichtlich nur bei den Genossenschaften sowie Kapitalgesellschaften. Entsprechend gibt es auch nur dort Massnahmen, um Zwei- oder Mehrfachbelastungen zu mildern. So ist es beispielsweise Vereinen nicht möglich, den Beteiligungsabzug im Sinn von § 86 StG geltend zu machen, und auf Stufe der Mitglieder steht bei Erhalt von geldwerten Leistungen das Teilsatzverfahren gemäss § 37 Abs. 3 StG nicht offen, denn im einen wie im anderen Fall fehlt es an einer «Beteiligung». Eine wirtschaftliche Doppelbelastung besteht bei Vereinen nur dann und insoweit, als die Statuten vorsehen, dass der Aktivenüberschuss nach durchgeführter Liquidation an die Vereinsmitglieder ausgeschüttet wird. Dies ändert allerdings nichts daran, dass ein Vereinsmitglied an den (Gewinn-) Reserven nicht berechtigt ist.Daraus darf freilich nicht der Schluss gezogen werden, dass geldwerte Leistungen von Vereinen an ihre Mitglieder nicht der Besteuerung unterliegen. Eine Besteuerung darf nach Meinung der Steuerrekurskommission jedoch nur erfolgen, sofern einem Mitglied effektiv ein geldwerter Vorteil zugeflossen ist. Mit anderen Worten muss im Verhältnis zwischen Verein und Mitglied (bzw. nahe stehender Person) die Direktbegünstigungstheorie gelten; insoweit ist dem Vertreter der Rekurrenten beizupflichten. Die gesetzliche Grundlage für eine Besteuerung kann diesfalls in der Einkommensgeneralklausel von § 18 StG erblickt werden; sofern das Mitglied zudem in einem Arbeitsverhältnis zum Verein steht, kann allenfalls auch auf § 19 StG zurückgegriffen werden.

3.4 Aus dem Gesagten folgt, dass die Zahlungen, welche der Verein A in den Jahren 2003 - 2005 an den Verein B geleistet hat, nicht der Einkommenssteuer unterliegen. Daran ändert nichts, dass die Ehefrau der Rekurrenten als Präsidentin beider Vereine offensichtlich einen massgebenden Einfluss auf deren Tätigkeit ausübt. Sie ist jedoch am Kapital bzw. an den Reserven des Vereins B nicht direkt (und auch nicht allein) berechtigt. Entsprechend kann ihr der geldwerte Vorteil nicht zugerechnet werden. Dies würde selbst im Fall einer späteren Liquidation des Vereins gelten. Gemäss den Statuten des Vereins B wird ein Liquidationserlös an die Mitglieder ausgeschüttet. (…)

Entscheid der Steuerrekurskommission vom 10. Dezember 2010

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