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TVR 2011 Nr. 2

Ehegatten von Schweizerinnen und Schweizern, Anspruch auf Erteilung der Niederlassungsbewilligung


Art. 42 Abs. 3 AuG


Diese Bestimmung ist nur auf bei Gesuchseinreichung (noch) verheiratete Ehegatten anwendbar und findet daher auf ein Gesuch, das zwar nach einer fünfjährigen Ehedauer, aber erst nach Rechtskraft der Scheidung gestellt wurde, keine Anwendung.


Die Schweizer Bürgerin M heiratete 2003 in Serbien den serbischen Staatsangehörigen V. Dieser reiste am 14. Dezember 2003 in die Schweiz ein. Am 9. Januar 2004 wurde der gemeinsame Sohn S (Schweizer Bürger) geboren. V erhielt am 17. März 2004 gestützt auf ein Familiennachzugsgesuch eine Aufenthaltsbewilligung des Kantons Thurgau. Am 7. April 2009 wurde die Ehe der Eheleute V geschieden und der Sohn S unter die elterliche Sorge der Mutter gestellt. Das Scheidungsurteil wurde am 16. Mai 2009 rechtskräftig. Am 29. April 2010 teilte das Migrationsamt V mit, gegen ihn werde die Anordnung fremdenpolizeilicher Massnahmen (Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung und Wegweisung aus der Schweiz) geprüft. Mit Eingabe vom 13. Juli 2010 liess V die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung beantragen. Mit Entscheid vom 2. August 2010 lehnte das Migrationsamt dieses Gesuch ab und verweigerte V den weiteren Aufenthalt im Kanton Thurgau. Er wurde aus der Schweiz weggewiesen, und ihm wurde für das Verlassen des Landes Frist bis 30. September 2010 angesetzt. Gegen diesen Entscheid liess V Rekurs beim DJS erheben. Er beantragte die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung, eventuell die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung. Mit Entscheid vom 18. Oktober 2010 wies das DJS den Rekurs ab. Das Verwaltungsgericht heisst die hiergegen erhobene Beschwerde in dem Sinne teilweise gut, als es die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung unter erneuter Verwarnung und unter Auflagen anordnet; ein Anspruch auf eine Niederlassungsbewilligung wird hingegen verneint.

Aus den Erwägungen:

3.
3.1 Zunächst ist zu prüfen, ob der Beschwerdeführer Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung hat. Er beruft sich in diesem Zusammenhang auf Art. 42 i.V. mit Art. 50 AuG.

3.2 Gemäss Art. 42 Abs. 1 AuG haben ausländische Ehegatten von Schweizerinnen Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, wenn sie mit diesen zusammenwohnen. Nach einem ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalt von fünf Jahren haben die Ehegatten Anspruch auf Erteilung der Niederlassungsbewilligung (Art. 42 Abs. 3 AuG). Laut Art. 50 Abs. 1 AuG besteht der Anspruch des Ehegatten auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nach Art. 42 AuG nach Auflösung der Ehe oder der Familiengemeinschaft weiter, wenn die Ehegemeinschaft mindestens drei Jahre bestanden hat und eine erfolgreiche Integration besteht oder wichtige persönliche Gründe einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen. Die Frist zur Erteilung der Niederlassungsbewilligung richtet sich nach Art. 34 AuG (Art. 50 Abs. 3 AuG).

3.3 Der Beschwerdeführer weist zu Recht darauf hin, dass sein eheliches Zusammenleben in der Schweiz fünf Jahre gedauert hat. Dennoch kann er sich vorliegend nicht auf Art. 42 Abs. 3 AuG berufen. Diese Bestimmung verschafft einem mit einer Schweizerin verheirateten Ausländer einen privilegierten Anspruch auf eine Niederlassungsbewilligung und dient in diesem Sinne dem Familienleben. Entsprechend ist diese Bestimmung nur auf (noch) verheiratete Ehegatten anwendbar; die Situation bei Auflösung der Familiengemeinschaft wird demgegenüber in Art. 50 AuG geregelt. Am 30. Oktober 2008, als der Beschwerdeführer das Gesuch um Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung gestellt hatte, war er zwar noch verheiratet, aber er stellte - da die fünfjährige Ehedauer in der Schweiz zu jenem Zeitpunkt noch nicht absolviert war - kein Gesuch um Erteilung der Niederlassungsbewilligung, sondern um Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung. Einen Antrag auf Erteilung der Niederlassungsbewilligung hat der Beschwerdeführer erst im Rahmen der Rekurserhebung an das DJS am 24. August 2010 gestellt. Zu diesem Zeitpunkt war er aber nicht mehr verheiratet, weshalb er sich damals nicht mehr auf Art. 42 Abs. 3 AuG berufen konnte. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer durch die fünfjährige Ehedauer in der Schweiz an sich einen Anspruch auf Erteilung der Niederlassungsbewilligung erlangt hatte, vermag daran nichts zu ändern. Entscheidend ist vielmehr, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung einer „privilegierten“ Niederlassungsbewilligung gemäss Art. 42 Abs. 3 AuG bei Einreichung des entsprechenden Gesuchs nicht mehr erfüllt waren; in jenem Zeitpunkt waren die Ansprüche des Beschwerdeführers vielmehr nach Art. 50 AuG, der explizit die Situation bei Auflösung der Familiengemeinschaft regelt, zu beurteilen. Anders als unter Geltung des ANAG, das keine dem heutigen Art. 50 AuG entsprechende Bestimmung kannte, wonach nach einer Mindestehedauer (gemäss Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG drei Jahre) ein vom weiteren Bestand der Ehe unabhängiger Anspruch auf Aufenthalt besteht, gibt es im Anwendungsbereich des AuG keine Veranlassung, einen vor der Scheidung erworbenen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung auch nach der Scheidung noch gelten zu lassen, wenn die entsprechende Gesuchseinreichung bzw. -erteilung erst dann, also nach der Scheidung bzw. Auflösung der Familiengemeinschaft, erfolgt (vgl. für die Situation unter ANAG BGE 128 II 145 E. 1.1.4 f.). Unter der Geltung des ANAG bestand ein gewisser Bedarf nach einer Gesetzesauslegung, die es ermöglichte, Härtefälle zu vermeiden, indem - ohne dass dafür eine explizite gesetzliche Grundlage bestand - eine vom Bestand der Ehe unabhängige Aufenthaltsbewilligung in Abhängigkeit von einer absolvierten Ehedauer bejaht wurde. Mit anderen Worten: Der Weg über die Bejahung des Anspruches auf Niederlassungsbewilligung nach fünfjähriger Ehedauer war die einzige Möglichkeit, einen Anspruch auf blossen Aufenthalt begründen zu können. Dies hat sich mit dem Inkrafttreten des AuG geändert. So regelt das AuG den Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für mit Schweizern verheiratete Ausländer explizit anders als für Ausländer, deren Familiengemeinschaft aufgelöst wurde. Zudem sieht es, wie bereits erwähnt, vor, dass auch nach der Ehescheidung ein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, nicht aber auf Erteilung der Niederlassungsbewilligung, nach Art. 42 AuG besteht, sofern die Ehe drei Jahre gedauert hat. Diese Auffassung scheinen auch Zünd/Arquint Hill zu vertreten (Zünd/Arquint Hill, in: Uebersax/Rudin/Hugi Yar/Geiser [Hrsg.], Handbücher für die Anwaltspraxis, Band VIII, Ausländerrecht, Basel 2009, Rz. 8.52, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung):
„Wird die Ehe geschieden oder stirbt der schweizerische Ehegatte, bevor der ausländische Ehegatte in den Genuss der Niederlassungsbewilligung gelangt, entfällt grundsätzlich der Anspruch auf einen weiteren Verbleib in der Schweiz. Um Härtefälle zu vermeiden, bleibt der Anspruch des ausländischen Ehegatten und der Kinder auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung trotz Auflösung der Ehe oder Familiengemeinschaft gemäss Art. 50 Abs. 1 AuG immerhin bestehen, wenn die Ehe mindestens drei Jahre bestanden hat und eine erfolgreiche Integration besteht (Abs. 1 lit. a) oder wenn auch bei kürzerer Ehedauer wichtige persönliche Gründe einen weiteren Aufenthalt in der Schweiz erforderlich machen (Abs. 1 lit. b). Sind die Voraussetzungen gemäss Art. 50 AuG im Einzelfall nicht erfüllt, führt dies zum Anspruchsverlust. Der Entscheid über die Verlängerung der Bewilligung steht alsdann im behördlichen Ermessen.“
Da der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs um Niederlassungsbewilligung nicht mehr verheiratet war, konnte er sich auch nicht auf die entsprechenden Vorschriften für verheiratete Ausländer berufen. Folglich beurteilt sich sein Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nicht nach Art. 42 Abs. 3 AuG, sondern nach Art. 50 Abs. 3 i.V. mit Art. 34 AuG. Entsprechend wäre für die Erteilung der Niederlassungsbewilligung grundsätzlich vorausgesetzt, dass sich der Beschwerdeführer insgesamt mindestens zehn Jahre mit einer Kurzaufenthalts- oder Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz aufgehalten hätte und während der letzten fünf Jahre ununterbrochen im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung gewesen wäre, was vorliegend offensichtlich nicht der Fall ist und vom Beschwerdeführer auch gar nicht behauptet wird. Damit hat der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung.

Entscheid vom 13. April 2011

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