Skip to main content

TVR 2011 Nr. 21

Lehrlingsausbildung als Zuschlagskriterium


§ 42 Abs. 1 VöB


Die Lehrlingsausbildung ist ein zulässiges Zuschlagskriterium, dies in Abänderung der Rechtsprechung von TVR 2000 Nr. 30. Dem Kriterium kann dann ausschlaggebende Bedeutung zukommen, wenn die Offerten unter Berücksichtigung aller übrigen Zuschlagskriterien ansonsten praktisch gleichwertig sind.


Die Primarschulgemeinde R schrieb im Amtsblatt verschiedene Bauarbeiten für die Gesamtsanierung ihrer Schulanlage aus, darunter auch den BKP 224.1 „Plastische und elastische Dichtungsbeläge“. Nach der Offertöffnung wurde der Zuschlag an die S AG erteilt. Hiergegen erhob die C AG beim Verwaltungsgericht Beschwerde, das diese abweist.

Aus den Erwägungen:

5.
5.1 Laut § 42 Abs. 1 VöB erhält das wirtschaftlich günstigste Angebot den Zuschlag. Es wird ermittelt, indem verschiedene Kriterien berücksichtigt werden, insbesondere Termin, Qualität, Preis, Wirtschaftlichkeit, Betriebskosten, Kundendienst, Zweckmässigkeit der Leistung, Ästhetik, Umweltverträglichkeit, Nachhaltigkeit, Lehrlingsausbildung, technischer Wert. Der Zuschlag für weitgehend standardisierte Güter kann auch ausschliesslich nach dem Kriterium des niedrigsten Preises erfolgen.
Die für die Bestimmung des wirtschaftlich günstigsten Angebots massgeblichen Zuschlagskriterien müssen geeignet, fallbezogen und sachlich begründet sein. Insbesondere dürfen sich die ausgewählten Kriterien nicht diskriminierend auswirken (Galli/Moser/Lang/Clerc, Praxis des öffentlichen Beschaffungsrechts, 2. Aufl., Zürich/ Basel/ Genf 2007, N. 544). Mit Bezug auf die Auswahl der Zuschlagskriterien sind die Gemeinden grundsätzlich in ihrem Ermessen frei. Bei der Auswahl der Kriterien ist aber darauf zu achten, dass das Gleichbehandlungsprinzip und das Diskriminierungsverbot eingehalten werden. Auch darf die Auswahl der Kriterien nicht zu einem versteckten Protektionismus führen (Galli/Moser/Lang/Clerc, a.a.O., N. 544; TVR 1999 Nr. 22, E. 2b). Es kann nicht gesagt werden, dass die von der Beschwerdeführerin ausgesuchten Kriterien nicht grundsätzlich geeignet bzw. zulässig wären. Geltend gemacht wird jedoch, dass dem Zuschlagskriterium „Lehrlingsausbildung“ - da an sich vergabefremd - zuviel Gewicht beigemessen worden sei. Darüber hinaus hätte das Kriterium „Preis“ höher gewichtet werden müssen. Schliesslich seien die Kriterien „Qualität“, „Kosten-/Termineinhaltung“ sowie „Kapazität“ nicht hinreichend nachvollziehbar.

5.2
5.2.1 Das Verwaltungsgericht hat sich bereits einmal mit der Frage, ob die Lehrlingsausbildung als Zuschlagskriterium zulässig sei, auseinandergesetzt. In TVR 2000 Nr. 30, E. 2c/ee, führte es hierzu aus, was folgt:
„Die Frage der Lehrlingsausbildung als Zuschlagskriterium ist kontrovers. So gibt es Kantone, die dieses Kriterium gesetzlich als zulässig bezeichnen. Andere berücksichtigen es angemessen nur bei annähernd gleich günstigen Angeboten, andere wiederum betonen, dass es kein Mittel für die Bevorzugung lokaler Anbieter sein könne […] Es ist festzuhalten, dass das Kriterium vergabefremd ist und deshalb nicht gepunktet werden darf. Dies ergibt sich direkt aus der IVöB, aber auch aus der VöB, denn beide verlangen den Zuschlag an das wirtschaftlich günstigste Angebot. Lehrlingsausbildung hat damit nichts zu tun. Dieses Kriterium kann höchstens dann herangezogen werden, wenn sich bezüglich der übrigen Kriterien gleichwertige Angebote gegenüber stehen.“

5.2.2 Seit dem Entscheid TVR 2000 Nr. 30 hat sich im Kanton Thurgau die gesetzliche Grundlage geändert. In der derzeit geltenden Fassung von § 42 Abs. 1 VöB wird die Lehrlingsausbildung ausdrücklich als zulässiges Zuschlagskriterium genannt. Nach der Rechtsprechung des Zürcher Verwaltungsgerichts darf der Gesichtspunkt der Lehrlingsausbildung trotz seiner nicht am Nutzen des Angebots orientierten Zielsetzung als Zuschlagskriterium verwendet werden, wenngleich nur mit einer untergeordneten Gewichtung von höchstens 10% (Galli/Moser/Lang/Clerc, a.a.O., N. 591). Auch der Kanton Aargau akzeptiert das Kriterium „Lehrlingsausbildung“ trotz seines an sich vergabefremden Charakters bei entsprechender (angemessener) Gewichtung als zulässiges Zuschlagskriterium (AGVE 2001, S. 345). Indessen darf dem an sich vergabefremden Zuschlagskriterium kein „übermässiges“ Gewicht zukommen. Das Zürcher Verwaltungsgericht führt zudem in den Entscheiden VB.2001.00215, E. 6, sowie VB.2005.00526, E. 6, aus, beim Kriterium „Anzahl der Lehrlinge“ dürfe es nicht auf die absolute Zahl der Lehrlinge, sondern nur auf das Verhältnis in Bezug auf die Gesamtzahl der Beschäftigten ankommen, da andernfalls grosse gegenüber kleineren Firmen bevorzugt würden.

5.2.3 In Anbetracht der Tatsache, dass der Verordnungsgeber in der Zwischenzeit das Kriterium „Lehrlingsausbildung“ ausdrücklich als solches anerkannt hat, und im Hinblick auf die zitierte Rechtsprechung anderer Kantone lässt sich die Auffassung, die in TVR 2000 Nr. 30 vertreten wurde, nicht mehr halten. Das Kriterium der Lehrlingsausbildung ist daher grundsätzlich als zulässig zu erachten. Es ist auch nicht zu beanstanden, wenn die Beschwerdegegnerin hierfür den Quotienten zwischen gesamthaft beschäftigten Angestellten und Anzahl der Lehrlinge benutzt, um - multipliziert mit dem Faktor der Gewichtung - die Punktzahl für das Kriterium „Lehrlingsausbildung“ zu berechnen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist dieses Vorgehen sogar korrekt, weil ansonsten grosse Betriebe gegenüber kleineren Betrieben bevorzugt würden. Mit der Gewichtung des Kriteriums „Lehrlingsausbildung“ mit 10% begab sich die Beschwerdegegnerin zweifelsfrei an die absolut oberste Limite, die diesem Kriterium als an sich sachfremdes Kriterium noch zugedacht werden kann. Nachdem aber den Gemeinden ein relativ erhebliches Ermessen auch bei der Gewichtung der Zuschlagskriterien zukommt, kann dies als gerade noch knapp vertretbar akzeptiert werden. Dass diesem Kriterium eine entscheidende Bedeutung zukommen kann, wenn im Übrigen annähernd gleiche oder gleichwertige Angebote vorliegen, liegt in der Natur des Submissionswesens. Nachdem die Beschwerdegegnerin auch nachträglich den Beweis erbracht hat, dass die Lehrlinge tatsächlich bei der obsiegenden Firma beschäftigt werden, ist festzustellen, dass das Kriterium „Lehrlingsausbildung“ von Seiten der Beschwerdegegnerin in gerade noch zulässiger Weise korrekt angewandt wurde. Dass die Beschwerdegegnerin ab einem Lehrlingsquotienten von 25% und darüberliegend die Maximalnote 4 erteilt, liegt in ihrem Ermessen. Zu bemerken ist schliesslich, dass es aufgrund der eingereichten Offerten in der Branche der Beschwerdeführerin anscheinend üblich ist, dass hinsichtlich der Lehrlingsausbildung ein relativ hoher Quotient erreicht wird, was die Offerten der übrigen Mitbewerber belegen. Die Beschwerdeführerin scheint daher mit einem Quotienten von 7,6% für ihre Branche eher unterdurchschnittlich dotiert zu sein. Dass sie eine geringe Punktzahl erhalten hat, ist also folgerichtig.

Entscheid vom 10. August 2011

JavaScript errors detected

Please note, these errors can depend on your browser setup.

If this problem persists, please contact our support.