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TVR 2011 Nr. 7

Wiederherstellung einer Frist


§ 26 VRG


§ 26 VRG setzt als Fristwiederherstellungsgrund ein befristetes, auf objektiven Gründen beruhendes Hindernis voraus. Eine versäumte Frist kann nur dann wieder hergestellt werden, wenn die Partei kein Verschulden am Fristversäumnis trifft. Eine unverschuldete Verhinderung besteht nicht schon dann, wenn die Partei oder der Vertreter nicht handeln konnte. Die Genannten müssen auch daran gehindert gewesen sein, eine andere Person an ihrer Stelle handeln zu lassen. Wer mit grosser Wahrscheinlichkeit die Zustellung eines Entscheides erwarten muss, hat die Massnahmen zur Wahrung seiner Interessen zu ergreifen (Bestellung eines Vertreters, Bekanntgabe einer allfälligen neuen Adresse).


W hatte am 1. Oktober 2009 ein Baugesuch eingereicht. Während der Auflagefrist gingen bei der Politischen Gemeinde H fünf Einsprachen gegen das Bauvorhaben ein. Die Politische Gemeinde H wies die Einsprachen ab und erteilte die Baubewilligung. Die Eheleute G sowie weitere Parteien reichten gegen die Erteilung der Baubewilligung beim DBU Rekurs ein. Dieses hiess die Rekurse gut und hob die Baubewilligung auf. W gelangte nach Ablauf der Rekursfrist ans DBU, wobei er sinngemäss um Wiedererwägung bzw. Revision des Rekursentscheides, eventualiter um Wiederherstellung der Rechtsmittelfrist ersuchte. Das DBU überwies das Fristwiederherstellungsgesuch zusammen mit den Rekursakten dem Verwaltungsgericht.
Vor Verwaltungsgericht führte W aus, er sei wie üblicherweise bzw. wie jedes Jahr für einige Monate mit dem umfangreichen Unterhalt seiner Liegenschaft in I (im europäischen Ausland) beschäftigt gewesen, als der Rekursentscheid eingegangen sei, weshalb er nicht rechtzeitig auf diesen habe reagieren können. Das Verwaltungsgericht weist das Fristwiederherstellungsgesuch ab.

Aus den Erwägungen:

2.

2.1 Gemäss § 26 VRG kann eine versäumte Frist auf begründetes Gesuch hin wiederhergestellt werden, wenn den Säumigen oder seinen Vertreter kein Verschulden trifft. Solche Gesuche sind innert 14 Tagen seit Wegfall des Grundes einzureichen, der die Einhaltung der Frist verhindert hat.

2.2 § 26 VRG setzt als Fristwiederherstellungsgrund ein befristetes, auf objektiven Gründen beruhendes Hindernis voraus (TVR 2007 Nr. 5 unter Verweis auf Leitsätze TG 84 bis 88, VRG § 26 LS 3). Als Wiederherstellungsgründe werden in der Literatur anerkannt: Verpasste Frist wegen Militärdienst, wegen persönlicher, schwerer Erkrankung, nicht dagegen wegen Arbeitsüberlastung oder Ferien (vgl. Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 62 mit weiteren Hinweisen). Eine versäumte Frist kann nur dann wieder hergestellt werden, wenn die Partei kein Verschulden am Fristversäumnis trifft. Kein Verschulden im Sinne von § 26 VRG trifft einen Säumigen, wenn die Säumnis auf ein Ereignis zurückzuführen ist, das dem Beteiligten nicht als Nachlässigkeit zugerechnet werden darf (TVR 2006 Nr. 10 unter Hinweis auf Haubensak/Litschgi/Stähelin, Kommentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege des Kantons Thurgau, Frauenfeld 1984, § 26 Ziff. 2). Eine unverschuldete Verhinderung besteht nicht schon dann, wenn die Partei oder der Vertreter nicht handeln konnte. Die Genannten müssen auch daran gehindert gewesen sein, eine andere Person an ihrer Stelle handeln zu lassen (vgl. Güngerich, in: Seiler/Werdt/Güngerich [Hrsg.], Handkommentar zum Bundesgesetz über das Bundesgericht, Bern 2007, Art. 50 N. 3). Wer mit grosser Wahrscheinlichkeit die Zustellung eines Entscheides erwarten muss, hat die Massnahmen zur Wahrung seiner Interessen zu ergreifen (Bestellung eines Vertreters, Bekanntgabe einer allfälligen neuen Adresse an die Verwaltungsbehörde), andernfalls die Zustellung als erfolgt zu gelten hat (BGE 102 V 243).

3.1 (…)

3.2 Aus den vom Gesuchsteller vor Verwaltungsgericht eingereichten Akten in Verbindung mit den Vorbringen des Gesuchstellers geht hervor, dass er sich einige Monate im Jahr dem „umfangreichen Unterhalt“ seiner im europäischen Ausland gelegenen Liegenschaft widmet und während dieser Zeit jeweils im Ausland weilt. Die wenige Post deponiere die Nachbarin. Weitere Vorkehrungen zur Regelung seiner Geschäfte während seiner Auslandabwesenheit hat der Gesuchsteller nicht getroffen.

3.3 (…)

3.4 (…)
3.4.1 Mit der Rechtshängigkeit des Rekursverfahrens entstand ein Prozessrechtsverhältnis, welches die Parteien verpflichtete, sich nach Treu und Glauben zu verhalten. Hieraus resultierte auch die Pflicht aller Parteien, unter anderem dafür zu sorgen, dass ihnen Entscheide, welche das Verfahren betreffen und mit deren Zustellung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit gerechnet werden muss, zugestellt werden können (BGE 130 III 396 E. 1.2.3). Diese Pflicht traf auch den Gesuchsteller. Dieser Pflicht ist er aus unerfindlichen Gründen aber nicht nachgekommen, obwohl er jederzeit mit der Eröffnung des Rekursentscheids rechnen musste.

3.4.2 Bei einer derart langen Auslandabwesenheit, wie hier, wo der Gesuchsteller nach eigenen Angaben mehrere Monate im Ausland weilte, war es geradezu grobfahrlässig, wenn der Gesuchsteller trotz Hängigkeit des Rekursverfahrens nicht dafür besorgt war, einen Vertreter zu bestellen, welcher seine Post hätte entgegen nehmen und ihn zumindest über zugestellte Entscheide ohne Verzug hätte orientieren können. Der Gesuchsteller führt selbst aus, seine Nachbarin habe ab und zu das Haus kontrolliert und die wenige Post deponiert. Weshalb es dem Gesuchsteller nicht möglich gewesen sein soll, diese Nachbarin in der Art zu instruieren, dass sie auch den Rekursentscheid für den Gesuchsteller entgegen nehmen und ihn über dessen Inhalt (telefonisch oder auch per E-Mail; vgl. die vom Gesuchsteller angegebene E-Mail-Adresse) ohne Verzug orientieren solle, bleibt unerfindlich. Unbestrittenermassen liegt kein Fall vor, in welchem der Gesuchsteller überraschend aus persönlichen oder geschäftlichen Gründen hätte ins Ausland verreisen müssen und ihm daher die Instruktion einer Hilfsperson nicht mehr möglich gewesen wäre.

3.4.3 Dem Gesuchsteller ist vorzuwerfen, dass er nicht dafür besorgt war, dass ihm der Rekursentscheid ordnungsgemäss zugestellt werden und er von dessen Inhalt rechtzeitig Kenntnis nehmen konnte. Angesichts der Pflichtverletzung des Gesuchstellers kann nicht von einer unverschuldeten Verhinderung gesprochen werden.

3.4.4 (…)

3.4.5 Eine schuldlose Säumnis des Gesuchstellers im Sinne von § 26 VRG liegt daher nicht vor.

Entscheid vom 2. November 2011

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