Skip to main content

TVR 2012 Nr. 12

Gebührenerlass bei juristischen Personen


§ 6 GGG


Die gemäss bisheriger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts für die Beurteilung von Gesuchen um Gebührenerlass anwendbaren Kriterien sind zum Teil auf natürliche Personen zugeschnitten und für die Beurteilung von entsprechenden Gesuchen juristischer Personen teilweise ungeeignet. In derartigen Fällen rechtfertigt es sich, nebst den Voraussetzungen der Schuldenfreiheit nach gewährtem Erlass und der Opfersymmetrie ergänzend die im Zusammenhang mit Gesuchen juristischer Personen um Steuererlass entwickelten Kriterien anzuwenden. Zu prüfen ist somit insbesondere auch, ob der Weiterbestand der juristischen Person vom Erlass der in Frage stehenden Gebühr abhängt und zudem eine erhebliche Anzahl von Arbeitsplätzen erhalten werden kann.


Im Rahmen eines Kapitalherabsetzungsverfahrens der B AG wurden dieser vom Notariat N für die öffentliche Beurkundung der Beschlüsse Notariatsgebühren in Höhe von Fr. 7'402.85 in Rechnung gestellt. In der Folge bestätigte das DJS auf Rekurs hin die Rechtmässigkeit der Gebührenrechnung.
Am 25. August 2011 beantragte die B AG beim DFS, es seien ihr diese Gebühren oder wenigstens ein Teil davon zu erlassen. Dabei führte sie im Wesentlichen an, die Kapitalherabsetzung sei eine gesetzlich notwendige Sanierungsmassnahme aufgrund von Verlusten des Unternehmens gewesen. Der Nennwert der Aktien hätte um 95% herabgesetzt werden müssen. Die Firma sei nicht in der Lage, die Notariatsgebühren zu begleichen.
Mit Entscheid vom 28. Oktober 2011 wies das DFS das Erlassgesuch ab, gewährte aber eine Stundung bis 30. April 2012. Dagegen erhob die B AG Beschwerde, welche vom Verwaltungsgericht abgewiesen wird.

Aus den Erwägungen:

2.
2.1 (…) Strittig und zu prüfen ist vorliegend, ob die Voraussetzungen für den Erlass/Teilerlass der betreffenden Gebühren gegeben sind.

2.2
2.2.1 Gemäss § 6 GGG können rechtskräftig festgesetzte Gebühren vom zuständigen Departement erlassen oder gestundet werden, soweit ihre Bezahlung für den Schuldner unmöglich ist oder eine grosse Härte bedeuten würde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts gelten als Erlassgründe insbesondere Unterstützungsbedürftigkeit oder finanzielle Notlage, etwa zufolge Erwerbsunfähigkeit, andauernder Krankheit oder Arbeitslosigkeit. Zahlungsschwierigkeiten hingegen sind als Stundungsgrund zu werten (TVR 1985 Nr. 24, E. 3). Ein ganzer oder teilweiser Erlass von Gebühren ist zudem nur möglich, wenn Gewähr dafür besteht, dass der Schuldner danach schuldenfrei ist. Ein Erlass darf nicht dazu dienen, dass der Staat als Einziger auf seine Forderung verzichtet, während die übrigen Gläubiger an ihren Forderungen festhalten und diese ganz oder teilweise einbringen können.

2.2.2 Fraglich ist, inwiefern diese Voraussetzungen auf Erlassgesuche von juristischen Personen anwendbar sind. Insbesondere die Kriterien der Unterstützungsbedürftigkeit oder der finanziellen Notlage zufolge Erwerbsunfähigkeit, andauernder Krankheit oder Arbeitslosigkeit sind auf natürliche Personen zugeschnitten. Auch der Hinweis der Beschwerdeführerin auf das betreibungsrechtliche Existenzminimum als Beurteilungsgrundlage für die Frage der Uneinbringlichkeit oder der grossen Härte führt bei einer juristischen Person nicht zum Ziel. Dagegen erweist es sich als angezeigt, in derartigen Fällen behelfsweise auf die im Zusammenhang mit Gesuchen von juristischen Personen um Steuererlass angewandten Kriterien zurückzugreifen. So erlaubt auch § 194 Abs. 1 StG die Gewährung eines Steuererlasses, wenn Verhältnisse vorliegen, bei denen die Bezahlung der Steuer oder einer Steuerbusse unmöglich erscheint oder zur grossen Härte wird. In diesem Zusammenhang wird in der Steuerpraxis der Steuerverwaltung des Kantons Thurgau (StP 194 Nr. 2 Ziff. 6) ausgeführt, dass die Erlassgründe von § 194 StG in erster Linie auf natürliche Personen zugeschnitten seien. Dennoch sei auch für juristische Personen ein Steuererlass nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Zu betonen sei jedoch, dass juristische Personen keinen Anspruch auf Überleben hätten, weshalb Erlassgesuche sehr restriktiv beurteilt würden. Juristischen Personen werde allenfalls dann ein Erlass gewährt, wenn dies zum Weiterbestand der juristischen Person erforderlich sei, eine erhebliche Anzahl von Arbeitsplätzen erhalten werden könne und wenn auch die übrigen Gläubiger ein Opfer erbrächten (vgl. zum Steuererlass auch Beusch, in: Zweifel/Atanas [Hrsg.], Kommentar zum schweizerischen Steuerrecht, Band I/IIb, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, Art. 83 - 222, 2. Aufl., Basel 2008, Art. 167 N. 6 und 15, sowie Richner/Frei/Kauf­mann/Meuter, Kommentar zum harmonisierten Zürcher Steuergesetz, 2. Aufl., Zürich 2006, § 184 N. 32).

2.2.3 Bei Erlassgesuchen von juristischen Personen für Gebühren rechtfertigt es sich, diese Kriterien kumulativ und ergänzend zu den bereits für natürliche Personen in der Praxis entwickelten Voraussetzungen der Schuldenfreiheit nach gewährtem Erlass und der Opfersymmetrie anzuwenden. Zu prüfen ist somit insbesondere auch, ob der Weiterbestand der juristischen Person vom Erlass der in Frage stehenden Gebühr abhängt und zudem eine erhebliche Anzahl von Arbeitsplätzen erhalten werden kann. Die in StP 194 Nr. 2 Ziff. 6 erwähnte restriktive Praxis bei der Beurteilung von Erlassgesuchen juristischer Personen erscheint auch bei Gebührenerlassgesuchen als sachgerecht. Dabei ist mithin zu berücksichtigen, dass für die „Bewältigung“ einer nicht mehr überwindbaren bzw. dauerhaften Zahlungsunfähigkeit einer juristischen Person primär das Konkurs- und das Nachlassverfahren nach SchKG vorgesehen ist. 2.2.4 Weiter ist zu beachten, dass § 6 GGG als „Kann“-Vorschrift formuliert ist, weshalb kein Rechtsanspruch auf Erlass der betreffenden Gebühren besteht. Die Behörden werden damit aber nicht von ihrer Begründungspflicht befreit (vgl. die Urteile des Bundesgerichts 2C_261/2009 vom 14. Mai 2009, E. 3.2, 2C_684/2008 vom 23. September 2008, E. 2.2, sowie 2D_60/2008 vom 11. Juni 2008).

2.3
2.3.1 (…)

2.3.2 Fraglich erscheint, ob die Voraussetzung der Opfersymmetrie vorliegend gegeben ist. Zwar reichte die Beschwerdeführerin mit Replik vom 30. Januar 2012 mehrere Forderungsverzichts-Erklärungen von Aktionären ein. Demgemäss wurde von deren Seite auf Darlehen gegenüber der Beschwerdeführerin in Höhe von insgesamt Fr. 882'880.-- verzichtet. In diesem Zusammenhang ist allerdings zum einen zu berücksichtigen, dass sich die Interessenlage von Aktionären, welche gleichzeitig Darlehensgeber sind, von derjenigen der „normalen“ - d.h. nicht an der Gesellschaft beteiligten - Darlehensgeber unterscheidet. Zum andern erklärte die Beschwerdeführerin, dass zur Existenzsicherung lediglich noch die wichtigsten Kreditorenrechnungen (Telefon, Energie etc.) bezahlt würden. Der mit Replik vom 30. Januar 2012 eingereichten Bilanz und Erfolgsrechnung ist zu entnehmen, dass gegenüber der Beschwerdeführerin offenbar noch weitere Forderungen Dritter bestehen, die aus den im Recht liegenden Akten allerdings nicht explizit hervorgehen. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz die Voraussetzung der Opfersymmetrie unter den Gläubigern der Beschwerdeführerin als nicht oder nicht in ausreichendem Masse gegeben erachtete.

2.3.3 Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich - trotz des vormals relativ hohen Eigenkapitals - bezüglich der Anzahl Angestellten offenbar um ein relativ kleines Unternehmen. Aus der Erfolgsrechnung 2011 ergibt sich, dass nebst den beiden Verwaltungsräten lediglich noch eine Angestellte einen - relativ geringen - Lohn in Höhe von Fr. 17'242.60 bezog. Vor diesem Hintergrund kann nicht die Rede davon sein, dass mit dem Gebührenerlass eine „erhebliche Anzahl“ von Arbeitsplätzen erhalten werden könnte.

2.3.4 Inwiefern der Gebührenerlass für den Weiterbestand der Beschwerdeführerin erforderlich sein soll, ist ebenfalls fraglich. Zwar wurde - anerkanntermassen offensichtlich mittels relativ grosser finanzieller Opfer der Aktionäre/Darlehensgeber - eine Kapitalherabsetzung durchgeführt bzw. auf erhebliche Forderungen gegenüber der Beschwerdeführerin verzichtet. Ein eigentlicher Sanierungsplan, woraus sich die mögliche Rettung des Unternehmens - unter anderem durch den Verzicht auf die strittigen Gebühren - entnehmen liesse, wird seitens der Beschwerdeführerin nicht vorgelegt. Auch unter diesem Gesichtspunkt erscheint ein Gebührenerlass nicht als gerechtfertigt. Zu Recht stellte die Vorinstanz in diesem Zusammenhang zudem fest, dass die Beschwerdeführerin auch nach Erlass oder Teilerlass der Notariatsgebühren nicht schuldenfrei wäre.

2.4 Damit ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Gewährung des Gebührenerlasses nicht - oder zumindest nicht im aktuellen Zeitpunkt - gegeben sind. (…)

Entscheid vom 4. April 2012

JavaScript errors detected

Please note, these errors can depend on your browser setup.

If this problem persists, please contact our support.